Kunstverein Roter Keil

Künstlerkollektiv im Arbeiterviertel

Text: Text: Lydia Bißmann - 12.04.2022

Rubrik: Kunst

Die Galerie in der Idlhofgasse, Ecke Josef-Huber-Gasse. (Kunstverein Roter Keil/fb)

Kunst ist Arbeit

Der Kunstverein Roter Keil produziert Kunst. Und damit diese Kunst auch erzeugt und schlussendlich gezeigt werden kann, schafft der Kunstverein auch Räume, in denen das möglich ist. Wie in der Keil Galerie, die in der Idlhofgasse, Ecke Josef-Huber-Gasse seit September 2020 wie ein Phönix aus der Asche geschlüpft ist. Wo vorher über Jahre hinweg ein ungeliebtes Billig-Spirituosen Werbesujet ausgebleicht, dafür umso prominenter den Blick von der charmanten Architektur des 60er-Jahre-Baus abgelenkt hat, hängen jetzt jede Menge „echte Glühbirnen”. Hinter den großen Fensterscheiben wartet ein perfekter „White Cube“. Der Boden ist grau gestrichen, die Wände weiß und von der Decke hängen wundervolle Traversen, die das Gezeigte in das allerbeste Licht rücken. Auf 240 Quadratmetern finden alle zwei Monate Ausstellungen statt. Verkauft wird hier aber nicht. Wer ein Werk erstehen möchte, muss das direkt beim Künstler oder der Künstlerin tun. Möglich machen das Förderungen der Stadt Graz, vom Land Steiermark und ein gutes Einvernehmen mit dem Besitzer der Immobilie, der sie dem Roten Keil überlässt, ohne Miete zu verlangen. Nur die Betriebskosten müssen bezahlt werden. „Er hat sofort gewusst, wer wir sind – die Künstler von nebenan –, und war gleich sehr aufgeschlossen“, erzählt Eero Teuschl, Vereinsobmann und zuständig für Kuration und Kommunikation.

Eero Teuschl und Paul Lässar. (Fotocredit: Lydia Bißmann)

Die Gasse mitgestalten

9.000 Kilo Sperrmüll wurden mühevoll in kleinen Fahrten zum Sturzplatz geschafft, unzählige Schichten an Bodenbelag mit einem „Stripper” entfernt, verputzt, ausgemalt und elektrische Leitungen verlegt. Die Beleuchtung am Eingang ist selbst schon fast Kunstinstallation und wird nur zu ganz besonderen Anlässen aktiviert, so empfindlich sind die fast schon antiken Leuchtmittel. Sie stammen aus der Verlassenschaft der Generalmusikdirektion, die einem Supermarkt Platz gemacht hat. Gekostet hat der ganze Umbau 1.500 Euro (das meiste davon für Müllgebühren) und um die 1.200 ehrenamtliche Arbeitsstunden. Geholfen hat dabei auch die „Zu verschenken“-Rubrik auf willhaben.at und die freundschaftliche Kooperation mit Betrieben aus der Nachbarschaft, die Stapler und andere Gerätschaften zur Verfügung stellten. Das Echo bei der der Eröffnung im Spätsommer war mit 180 Gästen groß. Zuvor statteten auch noch „alle Einzelunternehmer der Gasse“ ihren Pflichtbesuch ab. Vom Antiquitätenhändler gegenüber, über den türkischen Lebensmittelverkäufer bis zum Änderungsschneider wollten alle wissen, was hier nun passiert.

Kurz, aber intensiv: Die Baustelle der Keil Galerie (Kunstverein Roter Keil/fb)

Mehrwert aus Kooperation

Entstanden ist der Kunstverein rund um eine Handvoll Absolventen der HTL Ortweinschule, Fachrichtung Bildhauerei, die 2012 einen Platz zum Arbeiten in einer ehemaligen Autowerkstatt anmieteten. Neben einer Bildhauerwerkstatt gibt es eine Halle, in der Malerei, Druckgrafik, Textilverarbeitung sowie auch Fotografie stattfinden kann. Vor der Pandemie gab es auch jeden Freitag Aktmalen in der Gemeinschaftsküche. Für ein recht geringes Entgelt können aktive Mitglieder alles benutzen. Pragmatisch und zweckorientiert, zielgerichtet und enorm gut vernetzt – so wirkt der Kunstverein nach außen. Eine schlicht und übersichtlich gestaltete Homepage ist gut im Netz zu finden. Der Rote Keil hat viele Hände und Füße und weiß genau, was er will und wie er das anderen erzählt. Wenn sich viele zusammentun, kann vieles entstehen. Ein Keil schafft Platz, wo keiner ist, und Rot ist einfach eine schöne Farbe.

Ausstellungseröffnung mit Boxkampf(Fotocredit: Kunstverein Roter Keil/fb)

Kunst am Griesplatz

Inzwischen hat die Keil Gallery eine kleine Schwester bekommen. Die ehemaligen Räumlichkeiten der Cuntra la Kunsthure am Griesplatz 5 wurden vom Verein adaptiert und seit November 2021 als temporärer Ausstellungsraum benutzt. Bei der ersten Schau wurden keine Kosten und Mühen gescheut und ein echter Boxring mit echten Street Fightern samt Moderation aufgebaut. Ein Happening, das nicht nur Kunstfans sondern auch viele Anrainer des Griesplatzes zur Vernissage lockte.