Der Stoff aus dem die Träume sind im Theater im Palais
Temp:est, KUG
Text: Lydia Bißmann - 13.03.2023
Rubrik: Theater
Schauspielstudierende des 3. Jahrgangs der KUG nehmen sich das Shakespeare-Stück “Der Sturm” in “Temp:est. Mein Leben im kommenden Sturm” im Theater im Palais unter der Regie von Ed Hauswirth zur Brust. Verstärkung bekommen sie dabei von Bühnenbildnerin Anna Ziener, die das ganze Stück über mit der Video- und Fotokamera Momentaufnahmen an die Wand wirft.
Drama-Essay mit klassischer Vorlage
Mit assoziativen Szenen, die an die Figuren von Shakespeares Inseldrama “Der Sturm” angelehnt sind, nähern sich die jungen Schauspielerinnen und Schauspieler dem Klassiker und seinen Figuren an. Die Kulisse in dem 360 Grad-Stück sind Sitzkissen aus grünem Kunstrasen, die auch mal als Badmintonnetz umfunktioniert werden. Die Handlung ist Nebensache. Dramaturg Daniel Rademacher und Ed Hauswirth haben das Stück mehr als dramaturgischen Essay angelegt. Kathrin Gast stellt zu Beginn die Darsteller*innen vor, die in einer bestimmten Formation auf den Rasenkissen liegen und versuchen, ihre Rolle im Gesamtbild zu erfüllen. Sie stellen eine Zornesfalte, eine Pupille oder eine Augenbraue dar. “Danke für deine Arbeit” kommentiert sie nach jedem Mini-Interview in geschmeidigem Wohlfühlsprech, was alles andere als angenehme Gefühle beim Zuhören auslöst.
Credit: Johannes Gellner/ KUG
Plattheit als Kontrapunkt
Um Arbeit und das, was Schauspieler*innen außer Spielen noch machen können, geht es auch weiter im Stück. Zwischendurch wird das Orakel ChatGPT befragt, wie man eine Rolle als selbstbewusste Miranda oder Sycorax (Flora Egbonu) anlegen könnte. Die Antworten sind genauso glatt geschliffen und nichtssagend wie die Vorschläge der AMS-Betreuerin, die der Truppe geschlossen Teamunfähigkeit attestiert. Das Stück trägt unverkennbar die deutliche Handschrift des Regisseurs Ed Hauswirth. Sparsame, gut gespielte kleine Emotionen, unheilvollen Pausen und peinliches Schweigen in den Dialogen werden von den sechs Darsteller*innen mit Bravour gemeistert.
Temp:est ist trotz Voguing-Einlagen und eingeflochtenen Absurditäten ein nachdenkliches Stück, das viele Fragen offen lässt und sich weder mit Hoffnung noch mit einer Liebesgeschichte lange aufhält. Es sind keine Vorzeigegefühle, mit denen die Schauspieler*innen das Publikum fesseln, es sind die Zwischentöne, der Graubereich, der die Aufmerksamkeit bis zum Schluss, bis zum beeindruckend inszenierten Standbild-Finale aufrecht erhält. Mehr Informationen und Termine zur KUG Produktion
Credit: Johannes Gellner/ KUG