Das Schaumbad in Graz
Schaumbad Graz: Artspace with Benefits
Text: Lydia Bißmann - 06.10.2022
Rubrik: Kulturland Steiermark
Das Schaumbad in Graz im wunderschön gestalteten Atelierkomplex in der Puchstraße bietet mehr als leistbare Atelierflächen. Wer sich hier einmietet, profitiert von einem profunden Netzwerk, engagierter Kunstvermittlung und einer lebendigen Community.
Auf 2.000 Quadratmetern in der Puchstraße zwischen Sturzplatz und Schlachthof befinden sich mittlerweile 23 Ateliers, die von circa 50 Künstlerinnen und Künstlern benutzt werden. “Und vier Katzen” betont Elke Murlasits, die seit Jänner 2021 die künstlerische Leitung des gemeinnützigen Vereins Schaumbad überhat. Aus einer Zwischennutzung in einem ehemaligen Fliesenladen ist den letzten 14 Jahren ein quirliger, bunter, aber trotzdem gut strukturierter Kunst-Kosmos entstanden, der seine Fühler in der ganzen Stadt ausstreckt. “Das Schaumbad ist mehr als nur eine Ateliergemeinschaft. Wir sind ein Kollektiv.” Kunstschaffende, die hier eine Heimat für ihr Wirken finden, sollen mehr bekommen als nur leistbaren Arbeitsraum. Sie sollen von der Zusammenarbeit mit anderen profitieren, ihr Schaffen im Haus präsentieren und gemeinsame Ressourcen nutzen können.
Damit alles glatt abläuft, fungiert der aktuelle Vorstand mit Keyvan Paydar (Präsident), Hanna Stein (Vizepräsidentin), Stefan Lozar (Kassier), Franz Konrad, Andrea Sadjak und Edda Strobl als Koordinationsteam im selbstverwalteten Verein für Künstlerinnen und Künstler. Ein weiteres Ziel des Hauses ist es, sich international und regional mit Projekten zu verankern. Das geschieht mit einem Gastatelier, das für Künstlerinnen und Künstler aus der ganzen Welt reserviert ist, oder einem Austauschatelier, wo mit anderen europäischen Initiativen zusammen gearbeitet wird. Seit 2015 ist das Schaumbad Partner von St.AIR, dem Stipendiaten-Programm des Landes Steiermark. Auf lokaler Ebene gibt es eine lange und fruchtbare Zusammenarbeit mit den Nachbarschafts-Vereinen aus dem angrenzenden Triesterviertel, dem historischen Gemeindebaukomplex gleich um die Ecke.
Finanziert wird das Projekt Schaumbad durch Förderungen von Bundesministerium für Kunst, Kultur und Sport, dem Land Steiermark, der Stadt Graz, dem Programm kreatives Europa der Europäischen Union, sowie Vermietungen der Arbeits- oder Veranstaltungsräume. Im April 2023 wird die Oper Graz hier die Ballettproduktion Pygmalion zeigen.
Elke Murlasits, künstlerische Leiterin und Keyvan Paydar, Vereinspräsident Foto: Karin Petrowitsch
Mehrwert durch Gemeinschaft
Gegründet wurde der gemeinnützige Verein Schaumbad 2008 von Daniel Bergmayr, Isabel Espinoza, Eva Ursprung, Kathrin Velik und Markus Wilfling in einem aufgelassenen Bäderparadies in Eggenberg. Nach dem Ablauf der Zwischennutzung war der Verein trotzdem weiter an wechselnden Orten oder im öffentlichen Raum künstlerisch aktiv, bevor er 2013 in der ehemaligen Limonadenfabrik in Gries heimisch wurde. Inzwischen hat sich hier einiges getan. Zwischen 20 und 100 Quadratmeter groß sind die Räumlichkeiten, die von Einzelpersonen, Kollektiven oder Kooperationen aller Sparten zum Arbeiten benutzt werden können. Es gibt eine Dunkelkammer, die Holz-, Metall- und Keramikwerkstatt ist für alle zugänglich. Das Sonnendeck vor dem Eingang lädt als gemütliche Terrasse zum Tratschen ein und ist mit einer Leinwand für Filmvorführungen ausgestattet. Vier Euro kostet ein Quadratmeter Atelierfläche an Miete.
Unterstützung beim Umbau der Fabrikhalle zum Kunstarbeits- und Ausstellungsplatz kam von Materialsponsoren und auch Schülerinnen und Schülern der HTBLVA Bauchtechnik der Ortweinschule, die im Rahmen ihres Praxisunterrichtes Innenmauern aufgezogen haben. Mit angepackt bei den Umbauarbeiten haben natürlich auch die Schaumbadenden selbst, wie die ansässigen Kunstschaffenden genannt werden. Ungefähr acht Stunden gemeinnützige Arbeit müssen sie im Monat für das Kollektiv leisten. Auch die Teilnahme an den monatlichen Vereinssitzungen ist Pflicht.
Keyvan Paydar, Vereinspräsident in seinem Atelier. Foto: Lydia Bißmann
Die Schaumbad-Community
In der ehemaligen Produktionshalle sind elf Ateliers zu finden. Hier haben sich etwa der Bildhauer und Uhrturmschatten-Erfinder Markus Wilfling, das Duo studio ASYNCHROME, das die Grazer Schlossbergbahn im Vorjahr mit Zeichnungen gestaltet hat, oder das Kollektiv Risograd, das die Siebdrucktechnik für alle zugänglich macht, angesiedelt. In den ehemaligen Verwaltungsräumen im ersten Stock befinden sich acht Ateliers, die unter anderem von Elisabeth Gschiel, die ihre Kunstwerke auch mit der Nähmaschine anfertigt, oder der Keramikkünstlerin Marina Stiegler genutzt werden. Marina Stiegler wird aber bald ausziehen. “Etwa einmal im Jahr wird ein Atelier frei”, berichtet Elke Murlasits, die zuvor beim steirischen herbst und im Universalmuseum Joanneum arbeitete und als freie Dozentin an der Alpen-Adria Universität Klagenfurt tätig ist. Wer die Räumlichkeiten im Schaumbad mieten möchte, kann sich dafür bewerben und kommt auf eine Warteliste. Nach einem Probejahr gibt es einen unbefristeten Vertrag.
Pro Jahr werden zwei große Ausstellungen im “Hauptdeck” und sechs im “Oberdeck” im ersten Stock ausgerichtet. Regelmäßig finden Konzerte, Symposien, Theaterproduktionen und andere Kunst-Performances statt. Einmal im Monat gibt es den “Art Brunch im Bad”, ein Werkstattgespräch am Sonntag. Seit 2014 finden im Schaumbad Kooperationen mit dem steirischen herbst zur ORF-Langen Nacht der Museen statt. Neben den Schaumbadenden gibt es auch sogenannte Freischwimmer und Freischwimmerinnen. Sie sind Vereinsmitglieder, die nicht hier arbeiten, aber zur Schaumbad-Community beitragen. Zu ihnen gehören unter anderem Kunst-Entertainer Karl Grünling, Autor, Journalist und Fotograf Martin Behr oder Nicole Pruckermayr, die zuletzt die Tennenmälzerei in den Reinhausgründen mit dem Kunst am Bau Projekt “Gina liebt!” versehen hat.
Foto: Alexandra Gschiel
Beziehungsarbeit auch im Viertel
Donnerstags und samstags gibt es mehrsprachige Führungen durch die aktuellen Ausstellungen. Aktuell werden diese von Bademeisterinnen wie Ipek Yüksek, Lejla Ramovic und Zsuzsanna Szula in den Sprachen Arabisch, Türkisch/Kurdisch, Ungarisch, Spanisch, Englisch oder Bosnisch/Kroatisch/Serbisch durchgeführt. Mit den Führungen werden auch jene angesprochen, die zeitgenössischen Kunstgenuss sonst nicht so auf ihrer Freizeitagenda haben.