Auf den dramatischen Spuren des New Digital Age am Schauspielhaus Graz
Kurz notiert: Digithalia. Festival für virtuelle Theaterformen
Text: Sigrun Karre - 08.02.2024
Die digitale Medienrevolution als zentrale Herausforderung unserer Zeit ist ein brennendes Thema für zeitgenössisches Theater. Am Schauspielhaus Graz werden seit einem halben Jahr in der Residency von F. Wiesel virtuelle Theaterformen erforscht. Nun lädt die erste Ausgabe von Digithalia das Publikum ein auf eine sinnlich-virtuelle Reise.
Mitte März startet ein neues Festival in Graz, das innovativen Drive verspricht. Mit Digithalia, kuratiert vom Künstler*innen-Duo F. Wiesel, steht erstmals im Schauspielhaus Graz an vier Tagen virtuelles Theater am Programm.
Einige Facetten davon, was sich hinter dem Begriff verbergen kann, haben F. Wiesel aka Hanke Wilsmann und Jost von Harleßem in der neu benamten Konsole im Schauspielhaus bereits in den letzten sechs Monaten gezeigt. Sie wurden von Neo-Intendantin Andrea Vilter als Artists in Residence ans Schauspielhaus Graz geholt. Ihre interaktive Solo-Wanderung 'Flintridge. Der Mensch erscheint im Holodeck' hatten sie da schon im Gepäck, die österreichische Uraufführung fand somit 2023 in Graz statt. Und war in jeder Hinsicht fantastisch. Akzentsetzung gelungen. Seit einem halben Jahr betreiben sie mit der Konsole eine Art offenes Labor, in dem experimentiert, debattiert und gespielt wird.
Ein bisschen was mit Streaming und Online-Theater haben in Lockdown-Zeiten fast alle Theater gemacht. Wenige in Österreich widmen sich konsequent dramatisch-virtuellen Erzählungen wie das Wiener Schubert-Theater oder neuerdings das Schauspielhaus Graz. In den deutschsprachigen Nachbarländern tut sich da schon mehr. In Graz will man künstlerisch forschen, anstatt zu proklamieren, hier mit klarem Fokus auf das Publikum und die Stadt.
Folgerichtig gibt's eine Wiederaufnahme von 'Flintridge' im öffentlichen Raum, erstmals in Graz zu erleben ist ein Let’s Play-Format des Grazer Kollektivs Total Refusal, bei dem Spiel-Logiken gehackt werden wollen. Eine Roboter-Performance des Belgiers Ugo Derhaes steht ebenso am Programm wie eine interaktive Videospiel-Performance des finnischen Künstlers Harold Hejazi. Mit gold extra aus Salzburg sind auch die Österreich-Pioniere der digitalen Performance mit dabei und Richie Herbst & Leszek, eine nächtlich-analoge Zufallsentdeckungen von Jost von Harleßem, wandern mit ihrer 'soundscape dj line' zum adäquaten Festival-Ausklang von der Kombüse ins Schauspielhaus. Diskurs gibt’s beim Salonieren #digital. K.I. steht aber auch für ein anarchisch wildes Kasperltheater aus Berlin und via Handyscan öffnen sich in liebevoll gestalteten Miniaturen die surrealen Bilderwelten der Künstlerin Leonora Carrington, bevor zum Finale noch einmal Elfriede Jelineks 'Sonne /Luft' als radikale KI-Bildmaschine von Mehmet & Kazim auf die Bühne kommt.
Ein guter Teil der Produktionen ist übrigens kostenlos zugänglich. Etwa das Theater-Computer-Spiel 'Suit your body' des Berliner Kollektivs Frauen und Fiktion, das an allen vier Abenden zur Untersuchung von Schönheitsnormen einlädt.
Das sorgsam zusammengestellte Programm besticht durch seine Vielfalt. "Technikshow" wolle man keine bieten, wie Jost von Harleßem betont. Vielmehr gehe es immer auch um die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem New Digital Age. „Es ist nie nur das eine oder das andere; interessant ist die Verschränkung von formaler und inhaltlicher Auseinandersetzung“, erläutert Hanke Wilsmann. Kompliziert oder dystopisch wird es deshalb aber nicht, vielmehr möchte man gemeinsam mit dem Publikum spielend forschen. Die Formate sind bewusst niederschwellig und lustvoll gestaltet, viele auch für Kinder, alle für Jugendliche geeignet. Auch Mehrsprachigkeit war ein Anliegen.
Intendantin Andrea Vilter ist zuversichtlich, dass Interviews mit Chatbots, Reisen von Avataren und Roboter-Tänze auch für die Eltern und Großeltern der Digital Natives ein sinnliches Erlebnis sein werden und zerstreut Berührungsängste: „Vorkenntnisse sind nicht notwendig!“
Alle Informationen zu den Produktionen und Tickets gibt es auf der eigenen Homepage Digithalia.
Ein Flanellnachthemd, Credit: Jan Pieter Fuhr
Credit: The Club of What If