Eine groteske Hommage an Vereinsleben und Blasmusik
Kritik: Zur Rettung der Blasmusik, Bum Bum Pieces (AT) & vanderbolten.production (CH)
Text: Robert Goessl - 18.12.2025
Rubrik: Theater
Vereine stehen vor allem am Land für mehr als für ihren Vereinszweck – sie stehen auch für Zusammenhalt und Gemeinschaft. In dieser österreichisch-schweizerischen Koproduktion wird am Beispiel einer Blasmusik-Kapelle mit langer Geschichte und Tradition die Rolle von Menschen und deren Sehnsucht und Suche nach Zugehörigkeit in einem kleinen Ort untersucht. Dazu wurde bei Blasmusikvereinen in der Schweiz und in Österreich recherchiert, wobei die Erkenntnisse der Recherchen in die Produktion einflossen.
Zu Anfang steht eine utopische These: Zwar boomt die Blasmusik – alle diesbezüglichen Festivals quellen über, aber der lokale Verein vor Ort droht zu zerfallen. Zu diesem Zweck soll auch das Stück gespielt werden, irgendwo zwischen Hommage und Zustandsbeschreibung – um am Ende herauszufinden, ob die Blasmusik gerettet werden sollte. Dazu wird das Publikum Teil der alljährlichen Jahreshauptversammlung, bei der nur mehr drei Personen anwesend sind: die Obfrau (Nora Winkler), der stellvertretende Schriftführer und die Seele des Vereins (Max Gnant) und ein einfaches Vereinsmitglied ( Christian Spitzenstätter). Diese sitzen zunächst an der Seite – es gilt eine Viertelstunde abzuwarten, um die Beschlussfähigkeit zu erreichen, auch wenn keine weiteren Mitglieder erscheinen. Dabei darf das Publikum gemeinsam mit den drei Akteur:innen per Handzeichen durch Zustimmung, Ablehnung oder auch Enthaltung entscheiden, ob man diese fünfzehn Minuten überspringt und doch mit dem Stück beginnt.

Schriftführer (Max Gnant) und Obfrau (Nora Winkler) stellen die Blasmusik in Frage (Fotocredit Ramón Königshausen)
Sie geben alles für ihren Verein und die Blasmusik
Die Bühne im Kristallwerk ist gesäumt von leeren Sesseln, auf denen Uniformen hängen. Sie ist einem Tanzboden nachempfunden, der sich im Vereinsquartier befindet. Und so beginnt die Hauptversammlung – brav werden alle Tagesordnungspunkte abgearbeitet, und auch das Publikum darf immer wieder mit abstimmen. Eine Vielfalt der Entschuldigungen für die Abwesenheit wird aus WhatsApp vorgelesen, wobei man das Gefühl bekommt, dass der Verein bei den meisten Mitgliedern auf ihrer Prioritätenliste ganz weit unten steht. Es werden einzelne Punkte von der Obfrau heruntergeleiert, Orden werden vergeben, es gibt eine Rückschau auf das vergangene Jahr, sogar ein Geburtstagsständchen samt Video wird performt und obendrein wird das Ganze online für abwesende Mitglieder live gestreamt. Immerhin bedankt man sich auch bei diversen Personen, die dem Verein eine Bierkiste gesponsert haben. Kurz scheint man sich selbst genug zu sein, auch wenn das ganze Ambiente absurd wirkt.

Schriftführer (Max Gnant), Hornbläser (Christian Spitzenstätter) und Obfrau (Nora Winkler) beim Geburtstagsständchen (Fotocredit Igor Ripak)
When the Music is Over …
Es gibt auch immer wieder musikalische Einlagen, doch es greift zunehmend eine Tristesse um sich. Noch einmal wird das große Maikonzert nachgespielt – aber nachdem man nur mehr zu dritt oder auch manchmal bloß noch zu zweit ist, dem einfachen Mitglied reicht es manchmal, und es nimmt sich aus dem Ganzen heraus, müssen die Sessel als samt Uniformen herhalten, um einen Marsch zu simulieren. Das Groteske der Situation wird dabei voll ausgekostet und es ist ein Genuss, den Schauspieler:innen dabei zuzusehen, wie sie verzweifelt einen Schein aufrechterhalten wollen. Vor allem welche Mühe sie sich dabei geben, um das Offensichtliche doch noch irgendwie zu verstecken, zeigt von großem Einsatz und erreicht fast beckettsche Dimensionen.

Der Maiaufmarsch des Vereins (Fotocredit Ramón Königshausen)
Am Ende wird noch einmal so richtig die Sau rausgelassen
Übrig bleibt am Ende die Obfrau Maria Huber, die das Chaos dann auch zusammenräumen muss. Penibel räumt sie allein alles zurück ins Vereinshaus und wird dabei zuweilen bei manchen Stücken auch nostalgisch. Wenn dann noch am Ende der Maibaum in einer Bierkiste steckt und von Max Gnat artistisch, von seinen beiden Mitstreiter:innen musikalisch begleitet, erklommen wird, erreicht die Aufführung ihren verrückten und bizarren Höhepunkt. Am Ende wird dann noch vereinsüblich abgestimmt, ob die Blasmusik gerettet werden soll. Es wurde diesem Antrag mit überwältigender Mehrheit zugestimmt, bei einer Gegenstimme und drei Enthaltungen.

Der Schriftführer als Hornbläser (Max Gnant) mit Klarinettist (Christian Spitzenstätter) musizierend am Maibaum (Fotocredit Igor Ripak)
Eine liebevolle Groteske rund um Blasmusik und Vereinsleben
Das Team um Regisseur Simon Windisch hat ein Projekt geschaffen, das sowohl die Absurdität des Vereinswesens als auch die vorbehaltlose Liebe dazu widerspiegelt, bei dem der Unterschied zwischen Kultur und Volkskultur keine Rolle spielt. Liebevoll werden dabei die freiwillige Bürokratie und die kleinen Machtverhältnisse humorvoll dargestellt. Die drei Darsteller:innen und Musiker:innen leisten dabei ganze Arbeit und machen den Abend zu einem ungewöhnlichen, aber auch sehr unterhaltsamen Erlebnis. Dabei ist es nur konsequent, dass die Produktion eine Tour durch die Lande macht, also auch dort gespielt wird, wo auch Blasmusik gespielt wird.

Der Klarinettist (Christian Spitzenstätter), die Obfrau (Nora Winkler) und der Schriftführer (Max Gnant) haben die Blasmusik gerettet (Fotocredit Ramón Königshausen)
„Zur Rettung der Blasmusik“ von bumbumpieces (AT) & vanderbolten.production (CH)
Regie: Simon Windisch
Musik und Spiel: Max Gnant, Christian Spitzenstätter, Nora Winkler
Komposition: Robert Lepenik
Bühnen- und Kostümbild: Rosa Wallbrecher
Mastkonzeption/-bau und Rigging: Nik Huber
Licht: Sérafin La Roche
Regieassistenz: Carmen Schabler
Produktion: Christopher Kriese, Delia Keller, Bernhard Werschnak, Nora Winkler
Tourdaten in Österreich und der Schweiz unter blasmusik.fun

Die Obfrau (Nora Winkler) kämpft um ihren Verein (Fotocredit Ramón Königshausen)
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