Märchenhaftes Gastspiel im Theater am Lend

Kritik: Weck mich auf, Theater Phönix

Text: Robert Goessl - 23.03.2024

Rubrik: Theater
Hexe mit Mandoline

Credit: Andreas Kurz

Im Rahmen der Theaterallianz, einer Plattform aus sechs Off-Theatern aus Österreich, der auch das Theater am Lend angehört, gastierte dort das Theater Phönix aus Linz mit der Performance „Weck mich auf“. In dieser extrahieren eine Protagonistin und ein Protagonist die Essenz von Grimm- und Anderson-Märchen für die heutige Zeit.

Slam Poetry Battle

Credit: Andreas Kurz

„Hat das Land nicht mehr zu bieten als ein paar Millionen Arschfressen?“ Der etwas chaotische Beginn als gefakter Open Mic-Abend mit „Weck mich auf“ von Samy Deluxe, knallhart gerappt von Marius Zernatto, bringt sofort Emotionen in Spiel, auch zwischen den beiden Schauspieler, die zu zweit die zweiweise schweißtreibende Inszenierung auf der Bühne stemmen. Der einfach gestaltete, fast nur mit dem notwendigen versehenen Bühnenraum lässt dazu eine Club-Atmosphäre erahnen. Zeitweise mutet die Tour durch die Märchen fast wie eine Spoken Word-Performance an, in der die Geschichten in popkulturellem Umfeld gerockt werden. Gina Christof und Marius Zernatto, beide herrlich erfrischend in ihrer zwanglosen Darbietung, wechseln die Rollen und die Märchen und hinterfragen auch Rollenverständnis in ihnen.
Sehen und gesehen werden

Credit: Andreas Kurz

Märchenstunde für Fortgeschrittene

Während „Des Kaisers neue Kleider“ noch recht konventionell erzählt wird, wird die Überheblichkeit in „König Drosselbart“ dem Manne zugeschrieben, und in „Hänsel und Gretel“ des kapitalistischen Zeitalters rettet eine selbstbewusste Gretel den unbeholfenen Hänsel, wobei die Hexe durch einen Stromschlag das Zeitliche segnet. Themen wie Gewöhnung an die ständigen Extreme in den sozialen Medien und soziale Isolation werden in „Aschenputtel“ behandelt. Dabei gibt es immer wieder gibt es Video-Einspielungen, um weitere Akteur*innen von außen ins Spiel zu bringen. Ruhiger und geheimnisvoller geht es in „Die Sternthaler“, „Das Feuerzeug“ und „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ zu, während am Ende in „Vom Fischer und seiner Frau“ man wieder am Anfang landet.
Gesang voller Inbrunst

Credit: Andreas Kurz

Es wird gerockt

Dazwischen werden u.a. Rock-Songs interpretiert wie „Im just a Girl“ von No Doubt und “Open your Mind” von den Guano Apes, „Boys don`t cry” von The Cure wird zu “Girls don`t cry” und auch Ottos Märchenparodie-Klamauk-Songs werden zum Besten gegeben. Okay – das muss scheinbar sein.

Credit: Andreas Kurz

Was bleibt, wenn man keine Ziele, sondern nur noch Träume hat? Sind wir in unserer Welt derzeit in einem verdammten Märchen gelandet, in dem es nur noch gut oder böse gibt? Die Inszenierung, die wirkt, als wäre sie für Teenager gedacht, stellt viele Fragen in den Raum und zeigt, dass Märchen nach wie vor als Spiegel der Gesellschaft funktionieren, auch wenn dafür so manche der heutigen Gesellschaft entsprechende Anpassung zu machen ist. Weitere Mitglieder der Theater Allianz sind neben dem Theater Phönix und dem Theater am Lend das Klagenfurter Ensemble, das Theater Kosmos aus Bregenz, das Schauspielhaus Wien und das Schauspielhaus Salzburg. Auch von diesen Theatern gibt es immer wieder Gastspiele im Theater am Lend zu sehen.