Erkenntnis statt Welterklärung im Theatercafé
Kritik: The Kabarettist, David Scheid
Text: Lydia Bißmann - 18.10.2025
David Scheid feierte mit seinem mittlerweile fünften Solo-Programm The Kabarettist im Theatercafé Steiermark Premiere. Wie so viele andere auch startete David Scheid hier seine Karriere als Comedian. 2016 gewann er nicht nur den Grazer Kleinkunstvogel, sondern konnte auch den Publikumspreis einheimsen.
Mit einem Biss in einen Apfel haben schon viele interessante Geschichten und Wirrungen begonnen. Bei David Scheid geht es anschließend aber weniger märchenhaft zu – in den Schlaf fällt niemand, wenn der Kabarettist, Schauspieler, Rapper, DJ und Moderator mit der abgebrochenen Gärtnerlehre die Bühne im weißen Frottee-Bademantel und mit mehligem Obst bestückt betritt. Aus dem Paradies vertrieben wird im Laufe des Abends sein Alter Ego, der Kabarettist David Scheid. Scheid zeichnet in seinem Programm eine dystopische Zukunft, in der die Demokratie in Österreich Schritt für Schritt von den 2020er-Jahren über 2033 bis 2038 abgeschafft wird. Als Ausweg bleibt schlussendlich nur der Sprung ins nordkoreanische Exil – einer der wenigen weltweit verbleibenden Demokratien seiner Zukunft. Was superdepressiv und düster klingt, ist es auch, macht aber unglaublichen Spaß. Neu ist dieses Gedankenspiel nicht, dafür ist die Performance umso frischer, innovativer und sensationell lustig. The Kabarettist ist fast wie ein Theaterstück in einzelne Szenen eingeteilt, die den Rahmen eines herkömmlichen Kabarett-Settings angenehm ausdehnen. Teile davon verbringt David Scheid hinter den Plattentellern, andere als schmieriger Populist, Neo-Faschist und „Führer“ Österreichs an einer Rednerbühne, und zwischendurch steht er am Bühnenrand und plaudert entspannt mit dem Publikum. Hochwertig gestaltete Filmsequenzen oder trashige Video-Mixes aus Social-Media-Streams oder echten Nachrichten runden das Ganze ab.

David Scheid gewann den Grazer Kleinkunstvogel 2016 doppelt im Theatercafe. ((Fotocredit: Antonia Mayer)
„Leistung ist ein Gangstertalent“
David Scheid bleibt den ganzen Abend über nahe an seiner Kunstfigur, dem aus dem ORF-Abendprogramm bekannten Influencer-Dave – einem dauerbekifften Millennial. Ausgestattet mit Scheitern als Core-Value, Low-Budget-Energydrinks und imposantem Denglisch rückt er gegen die Leistungsgesellschaft aus. Immer wieder schimmert der unglaublich talentierte Schauspieler David Scheid durch. Etwa dann, wenn er ein Kinderbuch rappt, da er Angst vor Repressionen hat und sich künstlerisch umorientieren muss. Oder eben, wenn er polternd als Diktator Scheidhäusl im Trachtenjanker Reden hält, die nach Aschermittwoch riechen, einem seltsam bekannt vorkommen und bei denen man lieber nicht nachrecherchieren möchte, ob sie tatsächlich so gehalten worden sind. David Scheids Punchlines sind direkt und geradeheraus – er mäandert nicht herum. Elegant ist es trotzdem: Er tritt gezielt und geradeheraus auf die Protagonist:innen von Macht und Einfluss hin („Leistung ist ein Gangstertalent“), lässt es aber tunlichst sein, deren Wählerschaft zu attackieren. Etliche seiner Witze muss er gar nicht erfinden; geschickt benutzt er absurde Anekdoten wie die „Spionageaffäre“ des Egisto Ott oder rappt beherzt den Song „Signa-Boy“ über den aktuellen Buhmann der Nation, René Benko.

(Fotocredit: Antonia Mayer)
Anarcho-Kabarett mit Eleganz und Tiefe
David Scheid hat mit Der Kabarettist ein Programm geschaffen, das die hohe Kunst der Satire gekonnt austariert und in zeitgenössische Klamotten kleidet. Raffiniert und klug verpackt er kleine und große Dummheiten, Krisen, Ängste und Nöte in erstklassige Witze, die viel Nachhaltigkeit mit sich bringen – und trotz kurzem Zögern das Lachen einfach nicht im Hals stecken lassen können. Das ist fresh, modern, hoffnungsvoll und führt dazu, dass man trotz des unheilvollen Szenarios, das ja immerhin schon einmal so geschehen ist und andernorts ähnliche Züge aufweist, den Abend beseelt beschließt.
