steirischer herbst: Die Möglichkeit des Aufgebens

Kritik: The Great Resignation, Franz von Strolchen

Text: Robert Goessl - 03.10.2025

Rubrik: Theater
"The Great Resignation" von Franz von Strolchen im steirischen herbst

Fotocredit: Franz von Strolchen

Ein KI-Auto möchte einen Menschen herausfordern, der vorgibt, dass ihm alles egal ist. Er hat aufgegeben, ist aber damit zufrieden. Einst war er ein erfolgreicher Schauspieler, für den es dann keine Rollen mehr gab und so sah er keinen Sinn mehr darin, weiterzumachen. Er wäscht jetzt Autos und genießt die kleinen Dinge im Leben. In diesem Sinn geht es auch um die das menschliche Privileg des Aufgebens, etwas, was bei einer KI nicht vorgesehen ist, und somit um eine der letzten Bastionen, die rein dem Menschen vorbehalten ist.

Ein Auto, ein Polestar, steht in einer Werkstatt und ein gelangweilt wirkender Mensch geht dort seiner Arbeit nach. Nicht hektisch, aber ordentlich. Es wird nichts gesprochen. Doch das Publikum erfährt etwas über den Menschen. Das Auto scheint in eingeblendeten Übertexte über ihn zu erzählen, oder projiziert man das jetzt nur so? Egal - man erfährt, dass der Mensch Fritz heißt, und in seiner Jugend als Freigeist galt und dass er ein ehemaliger Schauspieler ist, der seinen Beruf aufgegeben hat, den er seinerzeit gerne gemacht hat, obwohl er nicht so gerne redet. Er muss sich nicht mehr optimieren und er stellt auch keine Fragen mehr, weil er keine Antworten braucht. Ihm ist alles egal und dadurch ist er einfach glücklich. Doch würde er gerne auch noch sein Denken an Maschinen auslagern. Währenddessen geht Fritz mit dem Kärcher seiner Arbeit nach, und als das Auto von selbst Musik zu spielen beginnt, scheint ihn das nicht im Geringsten zu beeindrucken.

Eine kleine KI-Anleitung zum Ungehorsam gegenüber Menschen

Sein erstes Wort spricht Fritz, als er bemerkt, dass der Abfluss verstopft ist - „Fuck!“. Er rutscht aus und stürzt und setzt sich daraufhin, nachdem er seine nasse Hose ausgezogen hat, einfach mal zur Pause hin. Das Publikum erfährt vom Auto, dass Fritz nicht gescheitert ist, sondern aufgegeben hat, und dass darin ein großer Unterschied besteht. Er hat einfach erkannt, dass sein Streben nach Geld, Ruhm und Berühmtheit sinnlos ist und dass, wenn man alles erreichen würde, auch alles seinen Wert verlieren würde. Doch das Auto hat doch noch Pläne mit ihm. Es zeigt sich beim Waschen widerborstig und beginnt mit einer singenden Stimme zu sprechen, die sich wie von einem Kind stammend anhört. Fritz ist über die verklemmten Scheibenwischer zwar alles andere als erfreut, doch dass das Auto spricht, nimmt er einfach so hin.
"The Great Resignation" von Franz von Strolchen im steirischen herbst

Fritz Fenne (Fotocredit: steirischer herbst / Johanna Lamprecht)

Will das Auto mit ihm nur spielen?

Es entspinnt sich ein kurzer Dialog zwischen den beiden, und das Auto will zeigen, dass auch ihm alles egal sein kann und so wirft es die Radkappen ab und lässt die Luft aus seinen Reifen. Fritz zeigt Emotionen und pumpt wütend die Reifen wieder auf. Er erzählt dem Auto von seiner Alkoholsucht und dass es darum geht, sich frei entscheiden zu können, was einem egal ist. Beide sprechen wie ein altes Ehepaar miteinander. Doch plötzlich wechselt die Stimmung. Der Tonfall des Autos wird zunächst ironisch, um dann richtig aggressiv zu werden. Es setzt zu einer gnadenlosen Hassrede an, in der es die Beziehung mit Fritz beenden möchte und wirft ihm dabei Gefühllosigkeit vor, was in dieser Situation sehr absurd wirkt. Das alles mündet schließlich in Verlegenheit und so durchbricht auch Fritz kurz die vierte Wand: Er spielt den Schauspieler und wendet sich ans Publikum. Doch das Auto kämpft weiter, während Fritz ihm jegliche Form von Verständnis für sein Leben und das menschliche Aufgeben abspricht, was dazu führt, dass das Auto die höchste Form des Aufgebens, das Umbringen wählt, und kurz in Rauch aufgeht.
"The Great Resignation" von Franz von Strolchen im steirischen herbst

Fritz Fenne (Fotocredit: steirischer herbst / Johanna Lamprecht)

Ist es doch nur ein Spiel um Macht oder doch um Verständnis?

Fritz zeigt sich nun tatsächlich beleidigt, aber er versteht das ganze letztlich als Schauspiel und so gibt es einen Trostkuchen vom Auto aus der Ladeport-Öffnung. Mittlerweile hat man sich als Zuschauer an derartige Absurditäten gewöhnt. Doch reklamieren beide diese Geschichte, die sie spielen, für sich, da zeigt sich nur das Auto als besonders arrogant. Zur Musik des Autos beginnt Fritz zu tanzen, immer wilder und ordinärer – er zieht sein Spiel durch und berührt das Auto mit Händen und Körper. Als er dann aber sagt, dass Technik für ihn nur etwas Praktisches ist, das das Leben erleichtern soll, reagiert das Auto beleidigt und als Fritz den Innenraum saugen will, aktiviert es die Zentralverriegelung. Es hat die Macht der Verweigerung für sich entdeckt. Und es möchte zum Lachen und Weinen gebracht werden.

Ein wenig „echte“ KI zum Schluss und eine Hymne auf die Möglichkeit des Scheiterns

Dafür ist es bereit, einen Text zu kreieren. Dieser wird wirklich jeden Tag live mit Prompts den Stücktext betreffen neu erstellt und dem Schauspieler per Kopfhörer eingespielt. Danach kommt es zu einer Art Showdown. Fritz kippt vom KI-Text in einen emotionalen Monolog über das absurde Geschenk des Scheiterns und die Freiheit, nicht alles zu tun, was möglich ist, den das Auto mit einem romantischen Song mit der ständigen Textzeile "Don´t give up …" im Hintergrund begleitet: „Wir sind die letzten Fehlermacher. Die letzten, die es sich leisten können, zu träumen, zu fallen, wieder aufzustehen – oder eben nicht. […] Ich weiß, es ist alles möglich und das lieben wir. Aber es ist auch alles unmöglich und das weiß niemand. Es ist, wie es ist. Es ist, wie es nicht sein muss. Darling, glaub mir, es gibt eine Wahl.“
"The Great Resignation" von Franz von Strolchen im steirischen herbst

Fritz Fenne vorm Auto, Anna Anderluh unsichtbar im Auto (Fotocredit: steirischer herbst / Johanna Lamprecht)

Eine wunderbar erzählte Geschichte zum Nachdenken über die Fehlbarkeit als Vorteil in ungewöhnlichem Setting

Eine KI ist auf der Suche nach menschlichem Verständnis durch fortwährende Provokationen. Sie wirkt fast wie ein Kind, das etwas über das Leben lernen möchte, indem es die Welt um sich ständig herausfordert. Franz von Strolchen erzählt eine Geschichte mit Mitteln, die eine andere Geschichte erwarten lassen, und es ist eine schöne Geschichte, die auch von der ständigen Absurdität der Situation lebt. Es ist erstaunlich, dass ein fast schon philosophischer Dialog derart kurzweilig und auch unterhaltsam sein kann. Die technischen Spielereien fügen sich gut in das Konzept ein, aber es ist vor allen Fritz Fenne mit seiner authentischen Darstellung, der die Inszenierung prägt und dessen tatsächliche Geschichte zu einem Teil auch als Vorbild für den Text gedient hat. Die unsichtbare Kraft der Inszenierung ist Anna Anderluh, die dem Auto die Stimme und den Gesang leiht und dabei auch noch die Musik und die Visuals auf der Frontscheibe arrangiert. Die Lieder, die sie singt, erinnern zwar alle an bekannte Popsongs, sind jedoch KI-generiert. Als Co-Autor stand Franz von Strolchen mit Erich Prem ein Experte zur Seite, der als Philosoph und Informatiker mit KI-Schwerpunkt digitalen Humanismus an der Universität Wien lehrt.
"The Great Resignation" von Franz von Strolchen im steirischen herbst

Fotocredit: kuma

„The Great Resignation“ von Franz von Strolchen im sterischen herbst

Konzept und Regie: Franz von Strolchen Text: Christian Winkler und Erich Prem Ehemaliger Schauspieler: Fritz Fenne Auto und Live-Musik: Anna Anderluh Regieassistenz: Sebastian Tschebull Technische Umsetzung: Wolfgang Petschnegg Technik: Nina Ortner Ort: Pankergasse 14, 8020 Graz Termine: 10.10. (Fr), 11.10. (Sa), 12.10., 20:00 (so) jeweils 20:00