Austen mit Mikro und Konfetti
Kritik: Stolz und Vorurteil (oder so), Next Liberty
Text: Sigrun Karre - 17.01.2025
Eine kräftig entstaubte Bühnenfassung von Jane Austens Kult-Roman feierte am 15. Jänner im Next Liberty Premiere und steht bis Ende Februar am Spielplan. Sehr unterhaltsam!
Ein charmanter Mix aus Evergreens, scharfen Dialogen und rasanten Rollenwechseln: So serviert das Next Liberty Jane Austens Klassiker „Stolz und Vorurteil“ in einer poppigen Neufassung von Isobel McArthur. Die schottische Autorin verleiht der Geschichte eine erfrischende Perspektive, indem sie sie als augenzwinkernde Karaoke-Show aus der Sicht der Dienstmädchen erzählt. Sie schafft das Kunststück einer hochmodernen und zugleich werktreuen Fassung. Regisseurin Esther Muschol setzt diese Vorlage mit einem bunten Feuerwerk aus Tempo, Humor und Spielfreude um – ein Abend, der das Publikum lachend und beschwingt aus dem Saal entlässt.
Credit: Stella Kager
Vielseitigkeit auf der Bühne
Das weibliche Ensemble läuft mit beeindruckender Vielseitigkeit zur Höchstform auf. Nahezu atemlos wechseln die Schauspielerinnen zwischen Figuren und Stimmungen. Elizabeth Bennet (stark und selbstbewusst verkörpert) steht als kluge, wortgewandte Heldin im Mittelpunkt, die zwischen Stolz und verletzlicher Offenheit balanciert. Der schillernde Mr. Darcy wiederum wechselt mühelos vom unterkühlten Gentleman zur bissig-ironischen Karaoke-Ikone – ein Mix, der beim Publikum punktet.
Die schrille Überzeichnung der Figuren, allen voran Mrs. Bennet, wird bewusst als Markenzeichen der Inszenierung eingesetzt. Die hysterischen, überdrehten Züge der Mutter sorgen für einige Lacher und entlarven gesellschaftliche Klischees – auch wenn die Darstellung an einigen Stellen ins „too much“ abrutscht. Trotzdem fügt sich die Übertreibung ins große Ganze, das mehr Karikatur als realistisches Drama sein will. Besonders die Nebenrollen, darunter der einfältige Mr. Collins und die überhebliche Lady Catherine, sorgen für viele erinnerungswürdige Momente und treiben die Handlung charmant voran.
Credit: Stella Kager
Pop meets Klassik
Die Ausstattung unterstreicht die poppige, ironische Inszenierung auf subtile Weise. Das Bühnenbild (Fabian Lüdicke) ist schlicht, aber wandelbar und erlaubt schnelle Übergänge zwischen den verschiedenen Szenen und Perspektiven. Besonders auffällig sind die Kostüme (Denise Heschl), die mit einem Augenzwinkern historische Elemente mit moderner Ästhetik verbinden. Diese Mischung passt perfekt zum hybriden Ansatz der Inszenierung, in der Klassik auf Popkultur trifft.
Credit: Stella Kager
Musik gibt den Ton an
Credit: Stella Kager
Empowerment mit Augenzwinkern
Die Neufassung von McArthur rückt die Dienstmädchenperspektive ins Zentrum und lässt sie zu den heimlichen Heldinnen der Geschichte werden. Wo sie bei Jane Austen nur Randfiguren waren, übernehmen sie hier die Bühne und erzählen ihre Version der Ereignisse – frech, humorvoll und mit einer klaren Botschaft: Frau muss sich Gehör verschaffen, gerade in einer Welt, die versucht, sie kleinzuhalten. Dabei verpackt die Inszenierung ihre emanzipatorische Botschaft charmant und mit einer ordentlichen Prise Selbstironie.
Rollenwechsel, Evergreens und Karaoke – das Next Liberty macht „Stolz und Vorurteil“ zu einem temporeichen, unterhaltsamen Theaterabend, der den Klassiker mit augenzwinkernder Leichtigkeit neu erzählt. Am Ende der Vorstellung gibt es Standing Ovations und viele strahlende Gesichter – sowohl im Zuschauerraum als auch auf der Bühne. Anspruchsvolles Theater kann ziemlich unterhaltsam sein – das hat das Next Liberty einmal mehr bewiesen. Ein Muss für alle ab 15 Jahren, die Lust auf frischen Wind, starke Stimmen und Empowerment auf der Bühne haben!
Credit: Stella Kager