Die wahre Sicht auf die Welt aus Sicht der Puppen
Kritik: 'spinnst' und 'Zur Lage der Frau', Die Puppenspielerinnen bei puppille
Text: Robert Goessl - 19.11.2024
Rubrik: Theater
Mit den Produktionen „spinnst“ und „Zur Lage der Frau“ war der Verein „puppille“ im Kristallwerk zu Gast.
Der Verein pupille widmet sich der Kunst des zeitgenössischen Figuren- und Objekttheaters und zeigt dabei, welche Faszination im Puppenspiel für Erwachsene stecken kann. Es sind auch die Möglichkeiten, die sich eröffnen, wenn man auf scheinbar einfache Weise in andere Figuren schlüpft, um diesen mit kunstvollem Spiel einen Charakter zu verleihen und dabei den Puppen Worte in den Mund zu legen, die man sich als Mensch so nicht zu sagen trauen würde.
Credit: puppille
„spinnst“ – ein etwas anderes Märchen
Das Puppenstück "spinnst" beginnt mit einem vergessenen Koffer als zufälligem Fundstück, der über 100 Jahre auf einem Dachboden lag und in dem mit der Hand geschnitzte Puppenköpfe aus Holz die ganze Zeit quasi eingesperrt waren. Mithilfe der beiden Puppenspielerinnen Elfriede Scharf und Eva Palvölgyi erwachen die Puppenköpfe nach und nach zum Leben. Die verloren gegangene Kleidung wird da mal schnell improvisiert, es herrscht auch ein "Griss" um die besten Stücke, damit die Puppenköpfe auch wieder einen Körper finden. Dabei handelt es sich dabei um kreativ zweckentfremdete Alltagsgegenstände, also Dinge, die auf dem Dachboden einfach mal so rumliegen.
Credit: puppille
Care-Arbeit Gold spinnen
Mit den schlichten Requisiten entwickelt sich wunderbar Poetisches – die Puppenköpfe werden zu Figuren, die über ihre Geschichte nachdenken, und sich dabei auch fragen, was und wen sie in der Vergangenheit alles gespielt haben. Daraus entsteht sich eine neue Erzählung mit einem Teufel, einem König, einer Königin und anderen Figuren, die ebenfalls immer wieder das Geschehen kommentieren. Etwa ein Märchen über eine Frau, die Gold spinnen kann als etwas andere Form der unbezahlten Care-Arbeit. Es erzählt von Hierarchien, wie es sie immer schon gab, aber auch von Selbstbehauptung und Widerstand.
Credit: puppille
„Zur Lage der Frau“ – Frechheit siegt bis hin zur Solidarität
In „Zur Lage der Frau“ zeigen sich andere Puppen, alle gespielt von Elfriede Scharf in all ihrer Frechheit. Von der gut situierten Hofrätin, die aus der Zeit gefallen scheint, über die emanzipierte, das System hinterfragende Professorin, einer auf Schönheit und sich selbst bedachten Influencerin und einer weisen Bäuerin, die ihr Leben lang gearbeitet hat und dabei auch gelernt hat, sich durchzusetzen. Es werden Frauenthemen von diesen unterschiedlichen Charakteren auf das unterschiedlichste verhandelt, wobei auch so manche Widersprüche auftauchen.
Credit: kuma
Büstenhalterverbrennung am Pfarrfest
Zeitweise wird so mancher Zynismus humorvoll auf die Spitze getrieben zwischen Büstenhalterverbrennung am Pfarrfest und Erbsensuppe als Trost, zwischen Dohnal und Churchill und zwischen Schönheitswahn und unbezahlter Care-Arbeit als Selbstverständlichkeit ohne Pensionsanspruch. Dabei geht es schon einmal so richtig zur Sache, aber am Ende zählt aber der Zusammenhalt und die Solidarität oder wie es die weise Bäuerin mit einem Zitat von Johanna Dohnal ausdrückt: „Die Vision des Feminismus ist nicht eine ‚weibliche Zukunft‘. Es ist eine menschliche Zukunft. Ohne Rollenzwänge, ohne Macht- und Gewaltverhältnisse, ohne Männerbündelei und Weiblichkeitswahn.“
Credit: kuma
puppille
weitere puppille-Termine:
im Kulturkeller in Gleisdorf Weizerstrasse 19
22. November 19:30 - 20:30: PuppNacht – Agathe Notnagl & Herr Nachbar
23. November 19:30 - 20:30: PuppNacht – Karch & Karch Theatermix
Kartenreservierung: info@diepuppenspielerin.at
Credit: kuma