Eine Warnung vor den Mystifizierungen von Fotografien, Portraits und Biografien
Kritik: Sontag & Koons, Gold & Pech Theater
Text: Robert Goessl - 07.11.2025
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Milica Vujadinovic, Kilian Klapper und Romana Rabic hinter Gittern des Lebens (Fotocredit Olaf Kossegg)
Es kommt nicht häufig vor, dass ein neues Theater eröffnet wird. Das vormalige Hof-Theater//Höf-Präbach und nunmehrige Gold & Pechtheater hat eine neue Heimstätte im Umland von Graz an der Riesstraße 60 Richtung Gleisdorf. Es wurde in den letzten Monaten eifrig umgebaut und renoviert, und am 5. Dezember wird das Theater offiziell mit der Performance „Pizza oder eine Tür in der Dunkelheit tanzt nicht“ vom „Nature Theater of Oklahoma“ eröffnet.
Bereits vor der offiziellen Eröffnung war „Sontag & Koons“ als Baustellenperformance von Jula Zangger zu sehen. Diese Inszenierung mit der Schauspielerin und Sängerin Ramona Rabic steht in einer Reihe von musikalischen Biografien in den vergangenen Jahren wie „Piaf negative“, „Frida – gesungene Bilder“ (über Frida Kahlo) und „The Artist is Present“ (über Marina Abramović). Dieses Mal geht es also in das Amerika von den Sechzigern bis in die Nullerjahre, wobei sich Jeff Koons und Susan Sontag nie begegnet sind. Aber es hätte doch sein können …
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Kilian Klapper und Romana Rabic einander nah und fern (Fotocredit Olaf Kossegg)
Eine Ikone der Linksintellektuellen
Susan Sontag (1933 – 2004), die von Romana Rabic gespielt wird, galt als die Parade-Linksintellektuelle der Vereinigten Staaten. Sie war als Autorin, Kulturkritikerin und Regisseurin von den Sechzigerjahren bis zu ihrem Tod eine der bekanntesten Persönlichkeiten der Kunstwelt, wobei sie vor allem Essays über Kunst und Literatur, aber auch über Fotokunst und Film veröffentlicht hat und immer wieder mit kritischen Aussagen auch in der Öffentlichkeit aufgefallen ist, sei es gegen den Vietnamkrieg oder auch zu 9/11. Auch war sie mit einem Großteil der führenden europäischen und amerikanischen Künstlerschaft ihrer Zeit befreundet oder zumindest bekannt.
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Romana Rabic und Jula Zangger im Beziehungsalltag (Fotocredit Olaf Kossegg)
Zwischen Kunst, Kitsch, Marktwirtschaft und Selbstvermarktung
Jeff Koons (1955 – heute), den Kilian Klapper verkörpert, verbindet in seinen Werken Kitsch mit Kunst. Er orientiert sich an Alltagsgegenständen, die er verfremdet, wobei er dabei bewusst auch auf Werbe- und Marketing-Mechanismen setzt. Seine Objekte sind von Luft und Farben gekennzeichnet, wobei er u.a. den „Eisenen Vorhang“ der Wiener Staatsoper, aber auch Champagner-Etiketten und die Lackierung von Rennwägen designt hat. Bei beiden kann man getrost sagen, dass sie es verstehen und verstanden, sich zu verkaufen, wenn auch auf gänzlich andere Weise, wobei sich bei beiden auch die Frage stellt, ob das/die Wa(h)re Kunstwerk nicht in der Person selbst besteht.
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Kilian Klapper macht Kunst (Fotocredit Olaf Kossegg)
Szenen eines intensiven Lebens und Szenen der dazu gedachten Kunstwelt
Die Performance zeigt Szenen aus dem Leben von Susan Sontag, immer wieder unterbrochen von Szenen mit Jeff Koons, der meist monologisierend einen Sprachbombast aus der künstlerischen Metaphernwerkstatt mit viel Selbstabbildung loslässt, immer mit Bezug auf die gerade gezeigte Situation von Susan Sontag. Es ist, als ob Koons darüber schwebt, fernab der Realität in seiner eigenen Welt, und zufällig dabei doch einen Nerv trifft. Man verbirgt sich dabei hinter Baustahlgittern, klettert auf Leitern und Gerüsten herum, stemmt Dämmmaterial aus Styropor und fertigt aus diesem, aus Schläuchen und allerlei Baustellen-Kleinutensilien, Kunstwerke. Dabei wird im großen Raum das dort verteilt sitzende Publikum umschwirrt. Dazu gibt es musikalische Beiträge, die je nach Szene zwischen einem schön gesungenen „Silent Night“ und einem trotzig herausgebrüllten „Killing in the Name“ von Rage Against the Machine reichen.
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Romana Rabic, Niklas Apfel und Kilian Klapper im Bandgefüge (Fotocredit Olaf Kossegg)
Das Ende am Anfang
Die Geschichte von Susan Sontag beginnt mit ihren letzten Lebensjahren, in denen sie in Sarajevo während des Bosnienkriegs unter widrigsten Umständen und unter Lebensgefahr Samuel Becketts „Warten auf Godot“ inszeniert hat. Man spürt in diesen letzten Szenen am Anfang, dass sie als Ergebnis einer gnadenlosen Selbstoptimierung nicht allzu sehr auf sich selbst schaut, aber auch andere immer wieder empathielos behandelt. Es scheint Koons und Sontag zu verbinden, dass sie die Menschen um sich sowie auch sich selbst als Material, wie das hier auf der Baustelle herumliegende, betrachten.
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Kilian Klapper macht wieder Kunst (Fotocredit Olaf Kossegg)
„The only difference between human beeings is intelligence“
Von einer Kindheit mit Stiefvater, von dem Sontag ihren Nachnamen übernahm, und ihrer alles verschlingenden Leselust geht es schnell auf die Universität zur Heirat mit dem älteren Dozenten Philip Rieff, der sich als etwas patriarchal erweist, und nur mit Zögern einer Abtreibung zustimmt. Da er sie beim zweiten Mal verweigert, kommt ihr Sohn David Rieff zur Welt und in weiterer Folge kommt es zur Scheidung. Es beginnt ein rastloses Leben mit Reisen und wechselnden Beziehungen, sowohl mit Männern als auch mit Frauen, rasant im Raum dargestellt, wobei Milica Vujadinovic, Jula Zangger und Niklas Apfel ständig in unterschiedliche Rollen schlüpfen – auch Kilian Klapper springt immer wieder als Figur im Leben von Susan Sontag ein.
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Niklas Apfel und Kilian Klapper an der Bar in der Galerie im kunstvollen Gespräch (Fotocredit Olaf Kossegg)
„Warum bist du so traurig? – Weil ich einsam bin neben dir.“
Die Beziehung zu ihrem Sohn bleibt eigenartig distanziert – man hat das Gefühl, dass Susan Sontag nicht so recht etwas mit ihm anzufangen weiß, während sie die Kunstwelt kennenlernt und teilweise auch verschlingt. Sie kämpft in ihrem Privatleben mit den Konsequenzen ihres Schaffenswahns und auch mit ihrer mangelnden Fähigkeit, echte Gefühle gegenüber Menschen zu entwickeln. Es wird die Gier nach Leben und darüber Schreiben spürbar, ein Leben um jeden Preis, mit der Sehnsucht, alles in sich zu vereinigen, und dem Wahn, über alles die Kontrolle behalten zu wollen. Es ist, als ob sie ständig vor ihrer Einsamkeit in Beziehungen flüchtet, die sie dann aus Angst vor zu viel Bindung und dem Verlust ihrer Unabhängigkeit meist für die Partner:innen auf unangenehme Weise beendet – ein Leben am Abgrund ihrer Gefühlswelt, mit der ständigen Gefahr eines Ausbruchs.
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Romana Rabic und Kilian Klapper vor dem Ausbruch (Fotocredit Olaf Kossegg)
„Made in Heaven“ als Kunst des Lebens und der Begierde
Parallel dazu zeigt sich Jeff Koons Welt als Versuch einer Gedankeneindringung. In seinen Szenen steht die Beziehung mit der italienischen Pornodarstellerin und Politikerin Cicciolina im Mittelpunkt, die auch von Roman Rabic verkörpert wird, und die Gedanken drehen sich um die mit ihr erschaffene Werkserie „Made in Heaven“, mit sexueller Begierde als Ausdruck. Man führt einander selbst vor Augen, worin sich dann alles spiegelt zwischen einer Welt voller Arroganz, gepaart mit Provokation samt Erfolg, und dem Künstler als Gott. Ein einziges Mal wird in diesem Zusammenhang eine Verbindung zwischen den beiden Hauptfiguren spürbar, doch ist diese Szene mehr wie ein Luftzug, sie wirkt wie ein Hauch, der beide verbindet, ohne dass sie einander wahrnehmen. Es sind die wenigen Momente, in denen Susan Sontag im Kampf gegen ihre Krebserkrankungen sich ihrer Umwelt annähert, die an dieses Gefühl anschließen.
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Kilian Klapper blickt vor Milica Vujadinovic und Romana Rabic ins Leere (Fotocredit Olaf Kossegg)
Zwei Leben in ihren Welten gemeinsam auf der zwischenmenschlichen Baustelle
Diese fast atemlose Tour de Force ist zeitweise etwas überfordernd, aber aufgrund des Settings einzigartig. Man bekommt ein Gefühl für zwei Leben, auch wenn die Dinge ineinander zu verschwimmen scheinen. Es werden kaum die Namen der Liebhaber:innen genannt, auch die Figuren verschwimmen ineinander, in einem Leben von zwei Menschen, die einzigartig in ihren Welten waren und sind. Es geht nicht um exakte Wahrnehmungen, denn Jula Zangger versucht sich nicht an exakten Biografien und Bildern, denen man ja laut Susan Sontag misstrauen sollte. Sie erschafft eine eigene Welt voller Bruchstücke, in der nicht nur die beiden Hauptfiguren Platz finden, sondern auch das Leben selbst als ständige zwischenmenschliche Baustelle, auf der ständig unterschiedliche Dinge neu zusammengesetzt werden, sichtbar wird.
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Ramona Rabic und Jula Zangger im Schattender von ihr geschaffenen Welt (Fotocredit Olaf Kossegg)
„Sontag & Koons“ von Jula Zangger im Gold & Pechtheater, Riesstraße 60, 8063 Eggersdorf
Darsteller:innen: Romana Rabic, Milica Vujadinovic, Jula Zangger, Kilian Klapper und Niklas Apfel; Christian Müller und Christian Ruck (mit Kurzeinsatz als Vladimir und Estragon in Sarajevo)
Konzept, Text und Regie: Jula Zangger
Termine: 27.12. (Sa), 28.12. (So) jeweils 20:00
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Milica Vujadinovic überblickt die Baustelle (Fotocredit Olaf Kossegg)