Trash und Treasure

Kritik: Räumen, Mezzanintheater

Text: Lydia Bißmann - 27.01.2023

Rubrik: Theater

Credit: Michael Pelitz

Einen Blick hinter die Kulissen des Mezzanin Theater Proberaums erlaubt die Inszenierung „Räumen“. Kulissen und Requisiten sind im Stück, das Martina Kolbinger-Reiner gemeinsam mit Annette Scheibler vom Materialtheater Stuttgart konzipiert hat, auch wichtige Darstellerinnen. Sie tuscheln, fürchten sich vor dem Sturzplatz und Motten, tanzen zu Technobeats oder geben philosophische Sprüche von sich.

In der theatralen Installation, die nur lose mit einer Geschichte verbunden sind, geht es um die Wertigkeit von Dingen, die sich im Laufe der Zeit eben ansammeln. Wie in einer Ausstellung werden die Zuseher*innen von einem Raum in den nächsten begleitet. Neben den Darsteller*innen Hanni Westphal, Sigrun Kilger, Annette Scheibler, Nora Winkler, Corinna Schuster, Martina Kolbinger-Reiner bekommen auch Gegenstände ihren dramatischen Auftritt. Ein Kinderwagen Baujahr 1937 langweilt sich gleich zu Beginn und ein musikalisches Einhorn fürchtet sich vor einer Aufräumexpertin, die wunderbar seelenlos, dargestellt von Nora Winkler (Planetenpartyprinzip), allem an den Kragen möchte, was keine „Freude“ bereitet. Auch das Publikum wird von einem Raum zum anderen verräumt und bekommt Rügen, wenn es dabei auf die Stühle vergisst. Dafür gibt es Kuchen, kleine Geschenke, eine Upcycling-Ausstellung zum Schluss und einen herrlichen Song als Ohrwurm zum mit nach Hause nehmen.

Credit: Michael Pelitz

Rosa Unterbewusstsein

Räumen beschäftigt sich aber nicht nur mit den Geschichten rund um angehäufte Kleidung, Möbel und Krimskrams, es geht auch um die Dinge, die man nicht angreifen kann, die man aber auch verräumen muss. Sigrun Kilger (Materialtheater Stuttgart) stellt in einer Szene ihr Erinnerungsspektrum in kleinen oder größeren Schachteln und einem Tisch vor. Sie beherbergen die unterschiedlichen Formen von Erinnerungen. Solche, die man riechen kann, jene, die man lieber sofort vergisst oder die, die sie gleich dafür braucht, um die Szene weiterspielen zu können. Das weiß sie alles und erzählt es auch. Was in der großen rosa Schachtel ist, kann sie nicht wissen. Hier steckt das Unterbewusstsein. Wie gewohnt inspiriert das Mezzanin Theater zum Nach- und Vordenken – das Thema Überfluss und Konsum ist ein großes – drängt sich dabei aber nie auf. Räumen ist ein feines, warmes, liebevoll gemachtes Stück, für alle, die gerne Ordnung schaffen, aber auch für jene, die sich gar nicht von ihrem Kram trennen können.

Credit: Michael Pelitz