Neue Herberge für das Hof Theater Höf// Präbach
Kritik: Pizza oder Eine Tür in der Dunkelheit tanzt nicht, Nature Theater of Oklahoma
Text: Robert Goessl - 06.12.2025
Rubrik: Theater
Es ist ein ganz besonderes Gefühl, wenn man nicht nur bei einer Premiere zu Gast ist, sondern zugleich auch bei der Eröffnung eines Theaters als Ergebnis einer mehrjährigen Herbergssuche, zum größten Teil selbstfinanziert und daher nicht ohne Risiko. Der Einsatz, der hinter diesem Projekt von Jula Zangger steht, grenzt an Wahnsinn, und der Mut, sich in dieses Abenteuer zu stürzen, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die Hingabe, die in diesem Projekt steckt, macht das GOLD & PECH THEATER zu einer Art Tempel der Kultur am Land, der zwar auf den ersten Blick gewöhnlich aussieht, aber eine ganz besondere Seele besitzt.
Das Nature Theater of Oklahoma aus den USA wird langjährigen Besuchern des Steirischen Herbstes bekannt sein, schließlich war es dort mit „No Dice“, mit mehreren Episoden von „Life and Times“, mit „Poetics: A Ballet Brut“ und zusammen mit der EnKnapGroup mit „Pursuit of Happiness“ von 2007 bis 2017 zu Gast. Den Höhepunkt bildete dabei ihre Super-8-Verfilmung von Elfriede Jelineks „Kinder der Toten“. Im Kern aus Kelly Copper und Pavol Liska bestehend, nehmen sie Genres auseinander und setzen sie, bereichert durch alltägliche und auf den ersten Blick vollkommen unpassende Facetten, wieder neu zusammen. Das Ergebnis wirkt dann so, als wäre dieses Genre schon immer so und nicht anders gewesen oder alles Bisherige war schlicht ein Irrtum. In diesem Fall bekommt man es mit einer Kammeroper, getarnt als Musical, zu tun, die wie nicht ganz von dieser Welt wirkt.
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Fotocredit Martin Thomas Pesl
Eine Party mit Sarg und Türe
Gabel Eiben und Bence Mezei vom Stammpersonal des Nature Theaters sitzen mit den lokalen Schauspielkräften Tobias Kerschbaumer und Jula Zangger an einem Tisch und spielen Karten. Wer bereits andere Produktionen vom Nature Theater gesehen hat, wird sich über ein Wiedersehen mit Gabriel Eibens Micky-Mouse-T-Shirts freuen. Es wird in verschiedenfarbigen Mikrofonen, die wie Blumensträuße wirken, gesprochen und gesungen. Jeder der Darsteller:innen hat seine eigene Farbe und ist auch angeleint, was gelegentlich zu Verwicklungen führt. Hinter dem Tisch ist eine Theke und das Ganze wirkt, als hätte man eine Garage mit etwas schräger Deko zu einem Partyraum umfunktioniert. Dass da links auch ein Sarg steht und rechts an der Wand eine geschossene Türe samt Rahmen lehnt, scheint da dann doch auch irgendwie ins Bild zu passen.
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Fotocredit Nature Theater of Oklahoma
Wenn ein Chor die Pizza bringt
Man unterbricht das Kartenspiel, um wehzuklagen, tritt dabei mit Tanzschritten, mal mehr, mal weniger dynamisch, vors Publikum, irgendwo zwischen Squaredance und Ballett, und beklagt den Lebensfrust, die Sehnsucht und die Angst vor Liebe, zwar einzelne Menschen zu lieben, jedoch vor Menschenmengen Angst zu haben. Die Musikstücke dahinter aus dem Off von Robert M. Johanson erinnern etwas an Fahrstuhlmusik zwischen Schlager und Pop, mit Einflüssen von Drum & Bass. Sie bestechen durch eine gewisse Unauffälligkeit, schaffen dabei aber eine hinterhältig eingängige Atmosphäre. In dieser etwas depressiven Stimmung scheint die Rettung in der Hoffnung auf Pizza zu liegen, als eine Art nahezu religiöses, Völker verbindendes Feature, das jeder mag. Und diese wird standesgemäß vom Chor Scholae Musici Cantores gebracht, wobei nicht nur für die Bühne, sondern auch für jeden im Publikum zumindest eine Schnitte dabei ist. Gut getimt – man darf Getränke in den Theaterraum mitnehmen – hat man an dieser Stelle das Erlebnis von kalter Pizza mit warmem Bier, sodass man sich so richtig wie ein Teil der Party fühlen kann.
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Fotocredit Nature Theater of Oklahoma
Der Tod kommt mit der Pizza, oder gibt es ein Leben davor, während und danach?
Der Chor begibt sich nach getaner Arbeit hinter die Theke, wo er dann im Laufe der weiteren Aufführung je nach Bedarf sichtbar und unsichtbar gesanglich, mit etwas Choreografie, einen schönen Hintergrund bildet. Dass die Chormitglieder keine Uniform tragen, nicht einmal die eines Pizzaboten, sondern einfache Alltagskleidung, fügt sich angenehm in das ungekünstelte Setting ein. Nachdem die Pizza zwar ein Geschenk des Himmels ist, scheint diese Linda (Jula Zangger) nicht gut zu bekommen, denn sie beginnt, aus dem Mund zu bluten, und fällt danach zusammen. Ist sie nun tot? Und wollte sie tatsächlich keine medizinische Hilfe, weil sie Angst vor den Kosten hatte? Auf jeden Fall legt sich Jula Zangger in den bereitgestellten Sarg und hinterlässt damit beim Rest der Truppe weitere Fragen. Bei einem Versuch, sie anzurufen, bekommen sie als Antwort, dass Linda nicht verfügbar ist, weil sie verstorben ist. Und da ist da auch von Richard die Rede, der angeblich auch verstorben ist oder ein Leben in einer Zwischenwelt führt.
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Fotocredit Nature Theater of Oklahoma
Der Pizzabote als Messias
Plötzlich erscheint Robert M. Johanson auf der Bühne als Pizzabote. Ist es Richard oder der Erlöser von allem Leid selbst? Auf jeden Fall steht er sofort im Mittelpunkt des Geschehens und er singt von seiner Liebe zu seinem Job, von den wunderbaren täglichen Geschichten, die er erlebt, und von seiner Liebe zu allen Menschen. „Halleluja“, möchte man auf die Bühne rufen, während auch Kelly Coppers Hündchen einen Kurzauftritt bekommt, das ohnehin mit dem Aufschlecken von auf dem Boden gefallenen Pizzarückständen im Publikum beschäftigt ist. Als sich der Pizzabote immer mehr in den Facetten seines Jobs verliert, und sich dann auch an den Tisch setzt, um rapartig Weisheiten und Fragen von sich zu geben, kommt auch Linda von den Toten zurück auf die Bühne zu einem sehr langen und grandiosen Finale, bei dem es um Türen, Fenster, Vorhänge und Rauch geht, und bei dem Saurier Whisky saufen und Tobias Kerschbaumer beherzt mit der Türe im Rahmen und der Aufschrift „42“ tanzt, während auch alle anderen eine akrobatische und schweißtreibende Tanzchoreografie vollführen.
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Fotocredit Nature Theater of Oklahoma
Mit Fragen auf der Suche nach dem Sinn des Lebens
Man wähnt sich auf einer durchgeknallten Hip-Hop-Party, bei der jeder verzweifelt versucht, für sich den Sinn des Lebens zu finden, und dabei wird die Welt mit Fragen umkreist. Gibt es einen Zahlencode für die Liebe? Unter welcher psychischen Krankheit hat Batman gelitten und wie war er so privat? Sind Elon Musk, Bill Gates und Mark Zuckerberg Vegetarier? Soll man intelligente Tiere vielleicht doch nicht essen? Was kann man nach der operativen Entfernung eines Weisheitszahnes wann machen? Und wie schaut es in diesem Zusammenhang mit Oralsex aus? Die Fragen-Assoziationskette steigert sich mit den Bewegungen der Tänzer:innen immer mehr, das Tempo wird immer höher. Es fließt der Schweiß und es wird die Erschöpfung sichtbar, und zwischen kleinen Schränken in alten Wohnungen und der Frage, ob es noch Milchmänner gibt und warum Affen Sperma essen, fühlt man sich zunehmend auch wegen der Musik wie bei einem Gospelchor-Konzert. „Ist Religion Einbildung?“, „Sind die menschlichen Bedürfnisse unendlich?“ und „Was ist das Geheimnis des Glücks?“ stehen am Ende, auch wenn die Antwort auf die Frage „Heißt Chile deswegen Chile, weil es wie ein Chili aussieht?“ wahrscheinlich auf der Tür zu lesen ist, wo wir dann wieder am Anfang beim Zahlencode wären.

Fotocredit kuma
Ein emotionaler Abend mit Blut, Schweiß und Tränen – und Happy End für alle
Ein Tempel des Theaters wird mit einer Messe des Tanzes und der Performance eröffnet, wobei sich beide einander würdig erweisen. Blut, Schweiß und Tränen ergeben einen Abend, an dem das endliche menschliche Bedürfnis nach Theater und Performance vollkommen befriedigt wird und für diesen Moment zum Sinn des Lebens wird. Wo Wahnsinn auf Wahnsinn trifft, wo sich ein Ensemble bis zur Erschöpfung verausgabt, entsteht etwas, von dem man nicht so genau weiß, was es ist, aber man weiß, dass es genau so gut ist. Mögen dem GOLD & PECH Theater noch viele Abende wie dieser mit dem Nature Theater of Oklahoma vergönnt sein!
„Pizza oder Eine Tür in der Dunkelheit tanzt nicht“ vom Nature Theater of Oklahoma im GOLD & PECH THEATER (Riesstraße 60, 8063 Höf – ehemalige „Gogos Schmankerlstube“)
Konzept, Text, Regie: Kelly Copper and Pavol Liska.
Übersetzung: Ulrich Blumenbach.
Darsteller:innen:Gabel Eiben, Robert M. Johanson, Tobias Kerschbaumer, Bence Mezei, Jula Zangger
Bühne: Luka Curk
Musik:Robert M. Johanson feat. Bernhard Fleischmann
Chorleitung: Johannes Steinwender
Vokalensemble Scholae Musici Cantores:: Benedikt Froihofer, Clemens Löschberger, Jakob Löschberger, Katharina Lang, Lisa Koglmann, Lisa Pock, Sophia Grünbichler, Tobias Hirsch
Termine:
11.12. (Do), 12.12. (Fr), 13.12. (Sa), 14.12. (So), 16.12. (Di), 18.12. (Do), 19.12. (Fr), 20.12. (Sa) jeweils 20:00
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