Schwungvolle Hommage an New York
Kritik: On the Town, Leonard Bernstein, Oper Graz
Text: Martin Exner - 27.10.2025
Die Grazer Erstaufführung von Leonard Bernsteins “On the Town” zeigt, wie reif das bei der Entstehung seines Musical-Erstlings erst 26-jährige Musik- und Komponisten-Genie bereits war und bringt an der Grazer Oper einen sehenswerten Abend.

Maria Joachimstaller, Simon Stockinger, Chor und Ballett der Oper Graz. (Fotocredit: Werner Kmetitsch, Oper Graz)
Landgang mit Benefits
Ihre Vorhaben sind unterschiedlicher Natur: Während Ozzy (resolut: Fabian Kaiser) das erotische Abenteuer sucht, will Gabey (verträumt: Simon Stockinger) die große Liebe finden. Chip hingegen (herrlich naiv: Dennis Hupka) will mit dem veralteten Reiseführer seines Vaters die Sehenswürdigkeiten der Metropole erkunden. In der U-Bahn fällt ihnen ein Plakat der “Miss Subway” des Monats, Ivy, in die Augen, in die sich Gabey sofort verliebt. Die drei beschließen, sie zu finden, womit eine rasante Reise durch die Großstadt beginnt. Dabei lernt Chip die Taxifahrerin Hildy (selbstbewusst: Clara Mills-Karzel) kennen, Ozzy trifft auf die Anthropologin Claire (sehr präsent: Veronika Hörmann), die es mit der Treue zum fast-Verlobten, Richter Pitkin (stimmlich und darstellerisch hervorragend: Wilfried Zelinka) nicht allzu ernst nimmt. Gabey findet die angebetete Ivy (verträumt: Maria Joachimstaller) tatsächlich, das Rendevous kommt aber nicht zustande, weil es von ihrer Gesangslehrerin Madame Dilly (herrlich komisch und auf dem Punkt: Ivan Oreščanin) verhindert wird. So enden die 24 Stunden - auch nach einem Parforceritt durch die New Yorker Nachtclubs (fantastisch in der für sie viel zu kleinen Rolle als Sängerin: Sofia Vinnik) - in wehmütigem Abschied: voneinander, von der Stadt, und vielleicht von der eigenen Zukunft. Doch das Rad dreht sich weiter, die nächsten drei Matrosen stehen bereits am Start.

Dennis Hupka, Clara Mills-Karzel, Veronika Hörmann, Fabian Kaiser & Connor McMahon (links außen Ballett Graz)(Fotocredit: Werner Kmetitsch, Oper Graz)
Erotische Verwirrungen in der Enge der Großstadt
Regisseur Felix Seiler legt das Stück flott an, lässt zwischendurch aber auch ruhige, melancholische Momente zu, manche erotische Anspielung war vielleicht zu viel des Guten. Unterstützt wird er durch das beeindruckende Bühnenbild von Darko Petrovic, das nicht nur geschickt die zahlreichen Ortswechsel ermöglicht, sondern bisweilen auch die Enge der Großstadt spürbar macht. Die Vielzahl der passenden, aus der Entstehungszeit genommenen Kostüme ist Sarah Rolke zu verdanken. Herwig Baumgartners Videos schaffen spannende Momente. Und gerade auch die kleineren Rollen überzeugen: Dominika Blažek als echt witzige, schwer erkältete Lucy, Markus Butter (stimmlich markant) in mehreren Rollen und Mathias Lodd, der an allen Ecken und Enden des Stückes auftaucht und sein komödiantisches Talent nutzen kann.

Simon Stockinger, Clara Mills-Karzel, Dennis Hupka, Veronika Hörmann, Fabian Kaiser, Ballett und Chor der Oper Graz. (Fotocredit: Werner Kmetitsch, Oper Graz)
Latino-Beats und Big-Band-Sound
Noch vielfältiger als die Szenerie ist jedoch die großartige Musik Leonard Bernsteins, die weit über die - damals noch junge - Broadway-Tradition hinausgeht: symphonische Passagen wechseln sich mit Big-Band-Sound, Opernparodie ist ebenfalls vorhanden wie lateinamerikanische Rhythmus-Seligkeit. Die großen Momente aus seiner “West Side Story” - eine weitere Hommage an New York, 13 Jahre später entstanden - sind hier bereits vorausgenommen. Dirigent Marius Burkert schafft mit den konzentriert spielenden Grazer Philharmonikern recht viel Schwung, allein die Blechbläser sind bisweilen etwas dominant. Die abwechslungsreiche Choreographie von Danny Costello rückt die zahlreichen Tanzszenen, die die Handlung perfekt ergänzen und manchmal auch unterbrechen, ins richtige Licht - auch da viel Präzision und Schwung.
Bezeichnend am Schluss allerdings: den meisten Applaus beim durchgehend begeisterten Publikum gab es für die Mitglieder des Grazer Opernensembles, und das nicht ganz unverdient. Alleine schon die großartige Musik Bernsteins aber lohnt den Besuch der Aufführung!

Dennis Hupka & Clara Mills-Karzel (Fotocredit: Werner Kmetitsch, Oper Graz)
