Göttliche Seifenoper im Schauraum, Schauspielhaus Graz

Kritik: Meta Morphosen (1+2) nach Ovid

Text: Lydia Bißmann - 24.09.2023

Rubrik: Theater

Meta Morphosen Teil 1 Mario Lopatta und Luise Schwab. (Credit: Lex Karelly)

Mit "Meta Morphosen nach Ovid" startete das Schauspielhaus Graz eine Mini-Serie, bei der alle Ensemblemitglieder (sehr viele davon neu engagiert) mitwirken. Regisseurin Anna-Elisabeth Frick hat sich dabei zu Beginn der neuen Intendanz mit dem Überthema Veränderung auseinandergesetzt und schickt dafür die Schauspieler*innen auf einen Schaulauf der antiken Eitelkeiten.

Vieles ist ab dieser Spielzeit neu im Schauspielhaus Graz, so auch der Name des ehemaligen Haus 2, das nun mit einer Bar ausgestattet wurde, in der die Besucher*innen nach den Vorstellungen der vierteiligen Ovid-Seifenoper "Ursuppe" löffeln dürfen. Der Schauraum ist schlicht, aber gemütlich eingerichtet, wofür nicht zuletzt ein weicher, heller, soundfreundlicher Teppich sorgt. Säulenruinen und Tiergestalten und Köpfe sind über den Raum verteilt und dürfen auch mal umgestoßen werden. Die Figuren sind locker und luftig angelegt und haben so gar nicht von dem humanistischen Bildungsmief, der antiken Stoffen oft anhaftet. Mehr Disney als Lateinunterricht.

Meta Morphosen Teil 1 , Otiti Engelhard, Luise Schwab, Mario Lopatta. (Credit: Lex Karelly)

Nonchalanter Spieltrieb

Atemberaubend schön und ätherisch der blinde Seher Theresias, der von Dominik Puhl in blickdichter Strumpfhose und voller pinker Eleganz fast zum Schweben gebracht wird. Wie ein läufiges Hündchen beschnüffelt Franz Solar als Pan alles, was nicht bei drei am Baum ist und scheint die Figur des Hirtengottes mit jeder Faser seiner Fellhose zu genießen. Lusia Schwab gibt eine erstaunlich positive Göttin Fama mit absurden Ohrenflügeln und Namedropping-Zwang. Sie überzeugt genauso als liebeskranke Echo, die trotz Herzschmerz noch Geist für ziemlich clevere Wortwitze besitzt. Oliver Chomik verkörpert den weniger prominenten Obst- und Gemüsegott Vertumnus, von dem man eigentlich nicht weiß, wie er aussieht und der sich daher ständig umzieht, um die Liebe seiner Pomona zu gewinnen. Herakles (Mario Lopatta) als Erfolgscoach doziert im Boxeroutfit alles, was er über Angst, Zweifel und Erfolg zu wissen meint und schlägt sich vor lauter Begeisterung dabei selbst K.O.. Otiti Engelhardt starrt dem Publikum unangenehm fest und abgebrüht in die Augen, was nicht weniger creepy wird, wenn sich herausstellt, dass es sich bei ihrer Figur um die Ex-Schönheit Medusa handelt, die sich nun mit einem Schlangen-Look abfinden muss. Geschickt eingesetzte Videoprojektionen holen weitere Figuren mit ins Boot und bieten dramaturgische Abwechslung.

Meta Morphosen Teil 2, Franz Solar, Luise Schwab., Oliver Chomik (Credit: Lex Karelly)

Staubbefreite Mythologe auf der Bühne

"Meta Morphosen - Eine Mini-Serie nach Ovid" besteht aus drei Teilen und einem Epilog. Die Handlung (Götter auf einer Mission) ist nicht der Core-Value der von Martha Pinsker und Mariam Haas (Kostümbild) und Franziska Bornkamm und Eva Seiler (Bühne/Raum) wundervoll urban und liebevoll komisch ausgestatteten Inszenierung. Wie bei einer Seifenoper ist es nicht so wichtig, an welcher Stelle man einsteigt. Die antike Mythologie, die so voll ist von toxischen Figuren, Akten und Verhältnissen, erhält hier vom ganzen Team ein witziges und frisches Kleid, das sehr viel Lust auf eine neue Auseinandersetzung mit den wohlbekannten Gestalten macht. Zum Auftakt wurden Teil 1 und Teil 2 hintereinander gezeigt. Epilog und Teil 3 haben am 19. Oktober und 3. November Premiere.