Geschichte des Widerstands der Partisanen als performative Lesung

Kritik: Koralm Partisanen, Theaterzentrum Deutschlandsberg

Text: Robert Goessl - 10.11.2025

Rubrik: Theater
„Koralm Partisanen“ vom Theaterzentrum Deutschlandsberg

Gerd Wilfing, Thorsten Zerha, Lena Chalupka und Lena Pöltl (Fotocredit TZD)

Im späten Sommer des Jahres 1944 betraten Frauen und Männer das Gebiet Österreichs aus Slowenien, die später als Koralm Partisanen bezeichnet wurden. Ihr Ziel war es, durch Sprengung von Bahnlinien den Nachschub zu stören und durch Kontaktaufnahme mit der Bevölkerung ein Widerstandsnetzwerk zu bilden. In dieser szenischen Lesung werden deren Geschichten erzählt.

Die sogenannte Kampfgruppe Avantgarde bestand im Detail aus 17 Gruppenmitgliedern österreichischer Herkunft, ergänzt von sieben internationalen Kämpfern. Die Gruppe bestand also aus Österreichern, Spaniern, Italienern und Russen. Sie kamen mit dem Flugzeug aus der heutigen Ukraine nach Ex-Jugoslawien per Fallschirmabsprung, um dann zu Fuß mit Unterstützung von lokalen Partisaneneinheiten die slowenisch-österreichische Grenze zu überqueren.
„Koralm Partisanen“ vom Theaterzentrum Deutschlandsberg

Thorsten Zerha, Gerd Wilfing, Lena Chalupka und Lena Pöltl (Fotocredit TZD)

Das Vergessene rund um einen Tisch sichtbar machen

Gleich zu Beginn sind die Schritte von Menschen zu hören, die dann nach und nach um einen Tisch voller Unterlagen Aufstellung nehmen. Es ist dunkel im Raum, der Tisch ist etwas beleuchtet, das Publikum sitzt auf vier Seiten um den Tisch. Das Setting hat etwas Bedrohliches an sich und wirkt wie eine Versuchsanordnung, mit der man sich der Geschichte zu nähern versucht. Immer wieder herrscht auch etwas Hektik und Unsicherheit beim Ordnen der Unterlagen. Die vier Schauspieler:innen erzählen abwechselnd die Geschichte der Truppe. Mit Kreide werden die wesentlichen Daten auf dem Tisch festgehalten, fast zwanghaft, als ob es darum ginge, eine vergessene Geschichte unbedingt wieder sichtbar zu machen, etwas, das verloren gegangen ist oder historisch in die eine oder andere Richtung verklärt wurde, als Fakten festzuhalten.
„Koralm Partisanen“ vom Theaterzentrum Deutschlandsberg

Lena Pöltl, Thorsten Zerha, Lena Chalupka und Gerd Wilfing (Fotocredit TZD)

Das Leben im ständigen Widerstand und Kampf

Dabei wird auch auf die einzelnen Schicksale eingegangen. Die Darsteller:innen greifen zum Mikrofon und erzählen ruhig, bedacht und konzentriert aus dem Leben der Beteiligten. Die meisten österreichischen Mitglieder stammten aus Wien und den Industrieregionen Niederösterreichs und der Steiermark. Alle hatten Kampferfahrung, sei es im österreichischen paramilitärischen Verband der Sozialistischen Arbeiterpartei, dem Republikanischen Schutzbund, oder nach dessen Auflösung im Untergrund gegen den Austrofaschismus. Einige kämpften auch im spanischen Bürgerkrieg aufseiten der internationalen Brigaden gegen den Franco-Faschismus in Spanien. Damit hatten die meisten auch schon Fluchterfahrungen und wussten, wie sich der Aufenthalt in Lagern anfühlt. Gemeinsam war ihnen, dass sie dazu bereit waren, für ein freies und demokratisches Österreich ihr Leben zu riskieren.
„Koralm Partisanen“ vom Theaterzentrum Deutschlandsberg

Lena Pöltl, Thorsten Zerha, Lena Chalupka und Gerd Wilfing (Fotocredit TZD)

Ein hoher Einsatz mit großen Verlusten und wenig Anerkennung

Einige wurden erschossen oder fielen in Kämpfen mit den nationalsozialistischen Verbänden. Nahezu jeder von ihnen wurde bei den Kämpfen verletzt, denn schon kurz nach ihrem Auftauchen wurde die Gruppe massiv verfolgt und es fiel ihr schwer, konkrete Aktionen zu setzen. Gegen Ende des 2. Weltkriegs, als sich der Gruppe mehr und mehr Wehrmachtsdeserteure anschlossen, gelang es zunehmend, auch durch die Unterstützung der lokalen Bevölkerung, die nationalsozialistischen Truppen in Kampfhandlungen zu verwickeln. Doch auch durch so manchen Verrat, waren die Verluste hoch, und als nach dem Ende des Krieges, die Gruppe selbst das Kommando in der Weststeiermark übernahm, wurde sie alle, nachdem die Weststeiermark der britischen Besatzungszone zugewiesen wurde, ihrer Posten enthoben, mussten zurück ins Privatleben und wurden zunehmend von der Geschichte vergessen.
„Koralm Partisanen“ vom Theaterzentrum Deutschlandsberg

Lena Chalupka, Lena Pöltl, Thorsten Zerha und Gerd Wilfing (Fotocredit TZD)

Bruchstücke als Denkmalerfahrung für die Gegenwart

Die Inszenierung fühlt sich wie ein Zusammensetzen eines Puzzles an. Es wird keine fertige Wahrheit verkündet, es gibt keine moralischen Wertungen, es ist eine Annäherung anhand von Tagebüchern, Briefen, amtlichen Berichten und mündlichen Überlieferungen. Die kluge Regie von Lukas Michelitsch liefert Bruchstücke, die sich zwar zusammenfügen lassen, aber es bleiben auch leere Stellen und Widersprüche. Und doch entsteht ein sprachliches Denkmal, auch wenn es brüchig und unvollkommen ist. Vielleicht ist genau das die wahre Stärke der Inszenierung, weil das Erzählen selbst ein Akt des Widerstands ist, gegen das Vergessen, gegen die bequeme Eindeutigkeit von ideologischen Zuordnungen. Stattdessen öffnet sich ein Raum, in dem Vergangenheit als Gegenwart erfahrbar wird: als etwas, das uns betrifft, weil uns etwas über uns selbst sagt.

„Koralm Partisanen“ vom Theaterzentrum Deutschlandsberg, Neue Schmiede

Darsteller:innen: Lena Chalupka, Lena Pöltl, Gerd Wilfing und Thorsten Zerha Technik: Francis Kügerl Regie-Assistenz: Laura-Marie Kumpitsch Idee & Regie: Lukas Michelitsch Termine: 14.11. (Fr), 15.11. (Sa), 20.11. (Do), 21.11. (Fr) jeweils 20:00 Kartenlink