Auswegslosigkeit als Amüsement
Kritik: Karl Valentin | Ich kenne keine Furcht, es sei denn, ich bekäme Angst, Schauspielhaus Graz
Text: Lydia Bißmann - 15.11.2025
Ulrike Arnold hat mit dem Stück „Karl Valentin. Ich kenne keine Furcht, es sei denn, ich bekäme Angst” eine herrliche Verbindung der absurden Texte von Karl Valentin & Liesl Karlstadt und Daniil Charms auf die Hauptbühne des Grazer Schauspielhauses gebracht.

Otiti Engelhardt, Sebastian Schindegger, Annette Holzmann und Rudi Widerhofer. (Fotocredit: Lex Karelly)
Königsdisziplin Ganzkörperkomik
Die elegant und glasklar auf den Punkt verfassten Texte des Münchner Komiker:innen-Duos und ihres Leningrader Kollegen harmonieren bestens miteinander und stehen auch so mancher Darsteller:in des Grazer Schauspielhaus-Ensembles wie angegossen. Wenn Dominik Puhl etwa den gedeckten Tisch für seine Angebetete zum x-ten Male inspiziert, sind ihm Vorfreude und Adrenalin an jeder einzelnen Körperzelle abzulesen. Beherzt setzt er jede davon ein, um die Aufregung vor dem Date in allen Ausformungen und mit jeder Menge Akrobatik zu zeigen. Vernichtet wird die Romantik von Rudi Widerhofer, der seine unterschiedlichen Rollen so präzise und nonchalant auf die Bühne wirft, wie ein Vorstadtswirtshaus-Stammgast die Dartpfeile ins Schwarze. Es scheint, als ob er in der Valentin-Karlstadt-Charms-Essenz gebadet hätte und diesen Esprit nun als Duftlampe verströmen würde. Annette Holzmann bedient nicht nur als Kapellmeisterin mit aufgeklebtem Diktatorenbart ihr intrinsisches Talent für Wahnsinn und Komik – auch in den Tratschszenen im Rummelwagen, in denen Alltägliches in seltsame Richtungen deduziert wird, verleiht sie den bekannten Texten der traurig-sanften Komiker:innen einen ganz speziellen und auch zeitgenössischen Turn. Otiti Engelhardt wechselt mühelos zwischen talentbefreiter Klavierschülerin und bodenständiger Münchner Mama, die ihrem Sohn mit einer Unmenge an Umstand mitteilen möchte, dass sie für einen Abend außer Haus weilt.

Dominik Puhl, Rudi Widerhofer. (Fotocredit: Lex Karelly)
Wechsel als Konstante
Anna Lechners Kostüme spielen fast eine gleichberechtigte Rolle in der ganzen Inszenierung. Der geschickte Einsatz von Mustern und Farben betont die vielen Ebenen der schlicht und auf den Punkt gestrickten Texte zusätzlich. Oft nur ganz sachte Kostümwechsel, die dafür umso öfter passieren, sorgen seltsamerweise für Konstanten statt Verwirrung. Ein sorgfältig ausgesuchtes Portfolio an Sitzmöbeln (Bühne: Franziska Bornemann) zementiert den Alltag in Form von Küchen-, Schul- oder Wohnzimmersesseln und nimmt die Zuseher:innen auch mit auf eine Reise in die Weimarer Republik oder die nicht mehr ganz so junge Sowjetunion. Das Grauen, das auf diese Epochen folgt (den Kinderbuchautor Daniil Charms ließ man in der Haft schlicht verhungern und auch Karl Valentin holte sich in der Mangelwirtschaft der Nachkriegszeit eine tödliche Lungenentzündung), wird leise angedeutet – ein schwarzes kleines Quadrat entpuppt sich als Hitlerbärtchen, das Wort „Dachau” wird in einer Konversation nur halb verschluckt ausgesprochen und sofort durch „Daheim“ aufgebessert. Die Geisterbahn-Analogie erschließt sich in der Inszenierung jedoch nicht wirklich, und auch so manche andere optische oder dramatische Fingerzeige hätte man sich sparen können, da ein richtig guter (Anti-)Witz das eben nicht braucht. Auch im Tempo wären ein paar mehr (Nach)denkpausen von Vorteil, um dem Chaos, das die Dialoge im Kopf anrichten, ein wenig Zeit zur Entfaltung zu geben.
Alles in allem ist Ulrike Arnold mit „Karl Valentin, Ich kenne keine Furcht, es sei denn, ich bekäme Angst” eine Inszenierung gelungen, die Klugheit, Spracheleganz und performatives Können für ein sehr breit aufgestelltes Publikum serviert, ohne dabei philosophische Abstriche zu machen. Das sorgt für ein angenehm verbindendes Gefühl im Zuschauerraum und macht große Lust, das Stück wärmstens weiterzuempfehlen.

Mario Lopatta, Annette Holzmann. (Fotocredit: Lex Karelly)
Karl Valentin | Ich kenne keine Furcht, es sei denn, ich bekäme Angst
Team:
Regie: Ulrike Arnold Bühne: Franziska Bornkamm Kostüme: Anna Lechner Musik: Clemens Rynkowski, Florian Rynkowski Dramaturgie: Herbert Graf Licht: Thomas Bernhardt
Darsteller:innen:
Otiti Engelhardt
Annette Holzmann
Marielle Layher
Mario Lopatta
Dominik Puhl
Sebastian Schindegger
Rudi Widerhofer
Jan Samson Krizanic (Musiker)
Tobias Lugitsch (Musiker)
Max Neubauer (Musiker)
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Ensemble. (Fotocredit: Lex Karelly)
