Schmelztiegel Fußball

Kritik: Jugoslav je Jugoslav – Des Lebm is ajne Rajse, Stefan Pawlata

Text: Lydia Bißmann - 22.05.2023

Rubrik: Theater

Credit: Michael Königshofer

Das Ein Personen Stück Jugoslav je Jugoslav – Des Lebm is ajne Rajse von und mit Stefan Pawlata braucht keine Bühne und kommt mit nur einem Darsteller und einem einzigen Scheinwerfer aus. Am liebsten spielt er das Stück an ungewöhnlichen Orten wie unter der Friedhofsbühne im Wiener Sportclub-Platz oder jüngst dem Gasthaus Geidorfstubn, dem Café Häferl im Generationenhaus Gratwein und der Akademie Graz.

Gemeinsam mit Christian Suchy hat der Sozialarbeiter und Theaterpädagoge Stefan Pawlata ein Stück geschrieben, das nicht nur 100 Jahre (ex)jugoslawische Geschichte bedient, sondern auch Aspekte der Migration und die Philosophie das Agonismus. Allerings ohne direkt darauf einzugehen. Der nach einer kleinen schwarzen Katze benannte Drago Begić erzählt in dem fast 90 Minuten langen Stück ohne Pause federleicht die Geschichte seiner Familie anhand von wichtigen Fußball-Ereignissen des jugoslawischen Fußballs. Rund um Weltmeisterschaften, Fan-Tumulte und verschossene Elfmeter wird hier geliebt, mitgefiebert, gestritten, sich vermehrt und gestorben. In wunderschön und nach allen Regeln der Kunst gestrickten Erzählteppich mit Spannung, Loops, gut platziertem Wortwitz und einer durchgängigen Geschichte bekommt die Begić Familie hier vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart Plastizität. Sie bleiben dabei angenehm und erfrischend unnahbar – nur ihre Aktionen und Reaktionen meistern den Plot. Das schützt vor süßlicher Jugo-Nostalgie und gibt Raum für Spekulation und Fantasie und das braucht es auch. Wie in jeder Familie gibt es auch bei den Begić’ Tabus, dunkle Geheimnisse und aufgelegte Überraschungen.

Fußball und Songcontest

Musikalisch umrahmt wird das Erzähltheater Stück von Liedern, die teilweise aus dem Song Contest stammen. Auch hier braucht Pawlata keinerlei Unterstützung, er singt Hits wie “ruzica si bila” oder “tamo daleko” unplugged und in astreiner Aussprache, obwohl er keine der BKS-Sprachen so wirklich beherrscht. Fußballmeisterschaft und Songcontest. Zwei Ereignisse, für die man weder den Sport noch die Musik mögen muss, die trotzdem Nationen und Individuen gleichermaßen verbinden. Die Identität auf der einen Seite stiften und andererseits Individualität weichzeichnen. Wo die anderen keine Feinde sind, sondern respektable Gegner – Agonisten. Jugoslav je Jugoslav ist kein Flüchtlings- oder Familiendrama, es ist irgendwie kein Fußballstück, obwohl es davon lebt. Es ist eine wundervolle, sehr sorgfältig, behutsam und liebevoll konzipierte Parabel auf die menschliche Sehnsucht nach Zugehörigkeit, Leidenschaft und Verständnis, die sehr lange nachwirkt. Weniger ist oft eben mehr. Mehr Auftritte des talentierten Autors und Performers Stefan Pawlata wären aber schon wünschenswert.

Credit: Barbara Pawlata