Die Geschichte eines einfachen Mädchens, das sich den Plänen Gottes opfert
Kritik: Johanna von Orleans, Christina Scheutz
Text: Robert Goessl - 27.12.2025
Rubrik: Theater
Christina Scheutz erzählt und spielt für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren die Geschichte von Johanna von Orleans im Kristallwerk. Sie schlüpft dabei in verschiedene Rollen, von Johanna selbst bis zu ihren Anklägern. Dabei wird der französische nationale Mythos auf das Menschliche heruntergebrochen. Dabei zeichnet sich in dieser One-Woman-Show Christina Scheutz für Text, Regie, Bühne, Technik und Spiel – also für alles – verantwortlich, was doch ziemlich beachtlich ist.
Es ist die Geschichte eines Mädchens, das Stimmen hört, und sich durch diese berufen fühlt, Frankreich im 100-jährigen Krieg gegen England zu helfen. Von Gott berufen und mit naivem Glauben macht sie das, was ihr diese Stimmen sagen. Christina Scheutz zeigt diese Figur als nahbar, sie verkörpert das einfache Mädchen vom Land nachvollziehbar für das junge Publikum und versucht dabei auch immer wieder, dieses einzubeziehen. Damit schafft sie auch die Möglichkeit, sich mit der Hauptfigur zu identifizieren.

Fotocredit Edi Haberl
Wenn aus Idylle Krieg wird
Auf einem Tisch werden Dinge, die symbolisch zur Szene passen, drapiert und per Kamera auf eine Leinwand nach hinten projiziert. Es entsteht so ein Wechselspiel zwischen Erzählung und Darstellung, da auch die Gedanken der Hauptfigur schriftlich dargelegt werden – wenn zum Beispiel statt der Idylle am Land plötzlich der Krieg in die Gedankenwelt einzieht. Durch das erzählerische Element bleibt aber auch immer etwas Distanz, sodass für das Publikum trotz der Grausamkeiten das Ganze als Geschichte wahrnehmbar bleibt. Dabei schwebt etwas zu viel Naivität über den Szenen, denn zwar wird Johanna als selbstbewusst und beharrlich gezeigt, doch scheint sie immer ein von ihren Stimmen und von ihrem festen Glauben an Gott getriebenes Wesen zu sein, sei es in der Begegnung mit dem Stadtkommandanten Baudricourt oder auch bei den Tests am Hof des Königs, wo sie immer ohne Widerspruch an ihren Zielen festhält, ohne den geringsten Zweifel, weil sie sich in die ihr vorgegebene Rolle fügt.

Fotocredit Edi Haberl
Mit einem Seelenverwandten in den Krieg ziehen
Nur bei der Begegnung mit dem jungen und schwachen König Karl VII., in dessen Rolle Christina Scheutz wunderbar schlüpft, kommt so etwas wie eine eigene Persönlichkeit heraus, da die beiden sich als Seelenverwandte fühlen, und sie ihn durchaus eloquent davon überzeugen kann, den Mut vor seinen Beratern zu finden, ihnen mitzuteilen, dass er ihr die Führung der Armee zu überlassen will. Das Spiel von Christina Scheutz bleibt dabei stets lebendig, und die Hinwendung zum Publikum schafft dabei eine besondere Atmosphäre, die dieses ein wenig zum Teil der Geschichte werden lässt. Dass die Kriegsbegeisterung infolge unreflektiert einfach hingenommen wird, und dabei nur von Siegen und nicht von Opfern die Rede ist, wirkt etwas seltsam, passt aber in die Naivität der Hauptfigur.

Fotocredit Edi Haberl
Eine Frau kann ihrem Schicksal nicht entgehen
Johanna akzeptiert auch ihr Schicksal im Prozess nach ihrer Gefangennahme durch die Engländer, als Objekt im Machtspiel der Kircheninstitutionen, und als Frau, der in einer Männerwelt gezeigt wird, wo ihr Platz ist. Auch wenn die Ungerechtigkeiten im Prozess in der Inszenierung sichtbar gemacht werden, wirkt sie so weniger als ein Vorbild, sondern sie wird zu einem praktischen Opfer, das sich in seiner Demut und Naivität bis zum Scheiterhaufen in ihr Schicksal fügt. Die Geschichte wird wunderbar und nahbar von Christina Scheutz erzählt und gespielt, aber es fehlen ein wenig die Widersprüche einer Frauenfigur, die zwar selbstbewusst agiert, aber sich letztendlich doch im Vertrauen auf Gott in den Tod begibt.

Fotocredit Edi Haberl

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