Ein bisschen Lehrer, ein bisschen Kabarett, ziemlich viel Floridsdorf

Kritik: Intro, Peter Panierer

Text: Sigrun Karre - 30.06.2025

Rubrik: Theater
Kritik: Intro, Peter Panierer

Fotocredit: Martin Steiger

Ein Volksschullehrer aus Floridsdorf stellt sich dem Kabarett. Heraus kommt ein Abend voller absurder Erinnerungen und Anekdoten aus einer Welt, in der Christkind, Kevin-Witze und ein Schulalltag in Floridsdorf ganz selbstverständlich zusammenpassen. Am 28. Juni war Peter Panierer auf der Kleinkunstbühne Hin & Wider des Theatercafés in Graz zu Gast.

„Ich kenne mich überhaupt nicht aus im Comedy-Business“, behauptet Peter Panierer, bevor er im Theatercafé Graz demonstriert, dass er ziemlich genau weiß, wie man ein Publikum auf seine Seite zieht. Man könnte sagen: Der Mann unterrichtet hauptberuflich in einer Brennpunktschule, und wer dort regelmäßig vor einer Klasse steht, dem kann ein Grazer Theatercafé kaum noch Angst machen. Sein Solo-Debüt nennt er vorsichtshalber „Intro“, falls der Abend schiefgeht. Tut er aber nicht. Statt Frontalunterricht gibt’s ein freundschaftliches Frage-Antwort-Spiel. Peter Panierer hat einen klaren Vorteil: Er ist auf Anhieb sympathisch und – entgegen dem Berufsklischee – selbstironisch, der Lehrer, den jede:r gern gehabt hätte.

Fragen, Fake-Marken und ein Eurovision-Pony

Ein Freundschaftsbuch, das ihm ein Schüler überreicht hat, wird zur losen Erzähl-Klammer. Darin notiert er, was er „lustig findet“ – Straßenkunst und Kevin-Witze zum Beispiel. Es folgen verschrobene Erinnerungen an ein gänzlich unglamouröses Heranwachsen mit Fake-Marken-Klamotten aus der Excalibur City, Selbstversorger-Urlauben, gesunden Nikolo-Sackerln und vernünftigen Weihnachtsbäumen, was gedanklich in aller Ausführlichkeit zum aktuellen Kulturkampf führt: Christkind oder Weihnachtsmann? Nebenbei erfährt man, dass Peter Panierer schon im Kindergarten mit einer allerersten Verschwörungstheorie konfrontiert wurde. Auch der familiäre Kanon wird kurz durchforstet: Opa Leo Heppe taucht auf, der mit einer Ode an das Pony beim ersten Eurovision Song Contest 1957 den letzten Platz belegte. Immerhin. Peter Panierers Spezialität zieht sich als dezenter roter Faden durch den Abend: diese lange, aber kreative Leitung für sprachliche Codes – wenn er ein ordinäres Schimpfwort so geduldig umdeutet, bis es klingt wie der Name eines Unterliga-Fußballklubs.

Schwitzendes Publikum, cooler Lehrer

Die erste Hälfte des Abends läuft wie von selbst – locker, warm, sehr lustig. Nach der Pause dann ein kurzer Hänger. Vielleicht liegt es an der Raumtemperatur knapp unter dem Siedepunkt, vielleicht auch daran, dass man irgendwann keine Energie mehr hat, noch ein weiteres Detail aus dem durchdeklinierten Kleinkrieg der Weihnachtsfraktionen geistig abzulegen. Peter Panierer nimmt es sportlich, lässt sich Zeit und findet zurück in seinen Erzählstrom. Sein Humor bewegt sich an der Schnittstelle von verschmitzter Alltagsbeobachtung und kalkulierter Gemeinplatzzertrümmerung. Zum Beispiel, wenn er sein Feindbild skizziert: Kärnten, die Polizei, die ÖVP. Das geht nie ins Derbe, sondern bleibt auf dem Level gutmütiger Boshaftigkeit. Politische Spitzen werden elegant in Kindheitserinnerungen und Popkulturreferenzen eingewoben – hochkulturelle Konfliktlösung in der Floridsdorfer Volksschule via Schwanensee und Nussknacker inklusive.

Übertreibung mit System

Seine größte Stärke zeigt sich aber immer dann, wenn er hemmungslos überzieht und harmlose Alltagsphänomene in absurde Dimensionen aufbläst. Diese Übertreibungskunst beherrscht er so souverän, dass man sich wünscht, er würde sie noch viel öfter einsetzen. Doch Peter Panierer bleibt meist beim leisen Humor, bei den kleinen Verrücktheiten, den liebevoll ausgebreiteten Nebensätzen. Dass er mehr Geschichtensammler als Provokateur ist, kann man ihm nicht übelnehmen. Im Gegenteil: Man möchte ihm noch länger zuhören, gerade weil er diesen sensiblen, aber unaufgeregten Unterton beherrscht, der hinter den Pointen lauert. Neben dem ganz normalen Lehreralltag hat der Neo-Kabarettist auch schon ein paar Trophäen abgeholt – den Grazer Kleinkunstvogel im vorletzten Jahr zum Beispiel, der ihm den souveränen Auftritt an diesem Abend sicher erleichtert. Und so endet der Abend, wie er begonnen hat – mit einem Akkordeon und charmantem Widerstand gegen die Erwartungshaltungen des Publikums. Ein sehr solides, unterhaltsames erstes Programm. Man darf gespannt sein, was noch kommt. Insbesondere, wenn Peter Panierer beschließen sollte, seine Übertreibungskunst ein bisschen öfter von der Leine zu lassen. Eine Frage bleibt offen: Wie zwei Jägermeisterflascherln und ein Rubellos in ein Kindheitsideal von einem Nikolo-Sackerl geraten – aber gut, irgendwoher muss die Fantasie ja kommen.