Kommissar vor dem Ruhestand, Republik vor dem Aufbruch

Kritik: „In der Sache Apfelbaum”, Andreas Pittler, Kremayr & Scheriau

Text: Lydia Bißmann - 19.09.2025

Rubrik: Literatur
Andreas Pittler

Andreas Pittler (Fotocredit: Pat Anderson)

Andreas Pittler hat mit „In der Sache Apfelbaum. Bronsteins letzter Fall“ einen weiteren Fall des sympathischen Wiener Kommissars vorgelegt, der sich im Laufe seiner Polizeiarbeit auch an der österreichischen Geschichte abarbeitet.

Es ist David Bronsteins letzter Mord, wie der Untertitel verrät. Der eigenwillige Ermittler des Wiener „Koat zwei“ steht wenige Tage vor seiner Pensionierung.Im Krimi, der im Nachkriegswien des Jahres 1948 angesiedelt ist, entwickelt sich eine vermutete Entführung zu einem Doppelmord. Oberst Bronstein, der nicht so recht weiß, ob er sich auf seinen Ruhestand freuen oder sich dafür fürchten soll, schmeißt sich in die Ermittlungen, was in seinem Dezernat gar nicht so gerne gesehen wird. Selbst dann nicht, als die erste Leiche auftaucht, handelt es sich dabei doch um einen Ausländer, den eigentlich so niemand richtig vermisst.

Wien, 1948 – Stadt zwischen Trümmern und Drehorten

In der Sache Apfelbaum ist ein spannend gestrickter Kriminalroman, in dem es weniger um den einzelnen Mord als vielmehr um das Leben im zerstörten Wien nach dem großen Krieg geht. Hier tummeln sich mehr oder weniger gemütliche Rotlicht-Gestalten mit Ehrenkodex, Hausmeisterinnen, opportunistische Emporkömmlinge, die die Parteien wie die Unterhosen wechseln, oder auch Filmteams, die zwischen den Trümmern von Stephansdom, Riesenrad und Albertina den Film Der dritte Mann drehen. Die Zeiten der Entnazifizierung neigen sich dem Ende zu, Trotz und Taktik haben in der Gesellschaft und der österreichischen Tagespolitik Einzug gehalten. Ein lästiger Vorgesetzter und die Tatsache, dass es kompliziert ist, Zigaretten und genießbares Essen zu bekommen, erschweren dem Kommissar, der immer schon gerne gegen den Strom geschwommen ist und lieber mit aufrichtigen Hausdamen als mit angeberischen Inspektoren spricht, das Leben. Tatsächlich sollte man den Roman nicht hungrig lesen, zu plastisch sind die Beschreibungen der kulinarischen Genüsse, über die sich Bronstein dann doch gelegentlich freuen darf. Dafür gibt es zwischendurch eine eineinhalb Seiten lange Schachpartie, die es wert ist, nachgespielt zu werden.

Krimi mit Benefits

Andreas Pittler lässt historische Figuren munter in seinen Roman herumflitzen. Künstler wie Orson Welles oder Heimito von Doderer tauchen nicht nur namentlich auf, aber auch nicht der damalige Innenminister Oskar Helmer oder Heinz Dürmayer, der als ehemaliger Widerstandskämpfer und abgesetzter Chef der Staatspolizei seinem ehemaligen Untergebenen und Freund David Bronstein zumindest moralisch beisteht. Das bringt einen Zusatzbenefit in das Krimilesevergnügen und macht Lust auf Recherche, gerade im Gedenkjahr 2025, 80 Jahre nach dem Weltkriegsende. Man erfährt, neben einem tadellos geschmiedeten Mordfall samt Verfolgungsjagd, Fallen, schön platzierten Spuren, aber auch gut gewählten Zufällen, Neues über die Nachkriegszeit, deren Beschlüsse und Umbrüche ja bis in die Gegenwart hineinreichen. Ein Buch für Krimifans, die ein wenig mehr als Unterhaltung beim Lesen haben wollen.

Titel: In der Sache Apfelbaum. Bronsteins letzter Fall, Roman
Autorin: Andreas Pittler
Verlag: Kremayr & Schreiau
Erscheinungstermin: 27. 08. 2025
288 Seiten
ISBN: 978-3-218-01475-5

Kritik: „In der Sache Apfelbaum”, Andreas Pittler, Kremayr & Scheriau

Fotoredit: Kremayr & Scheriau

Andreas Pittler

Andreas Pittler, geboren 1964 in Wien, veröffentlichte bislang 67 Bücher, von denen etliche auf den diversen Bestsellerlisten landeten. Seine Werke wurden bislang in acht Sprachen übersetzt. Für seine Arbeiten erhielt er unter anderem das Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich und zudem von Bundespräsident Heinz Fischer den Berufstitel „Professor“ verliehen. Andreas Pittler studierte Geschichte, Germanistik und Politikwissenschaften an der Uni Wien, war als Journalist bei der Wiener Zeitung und dem Falter tätig und beim Dokumentationsarchiv Österreichischer Widerstand an Publikationen beteiligt, die sich mit Zeitzeugen auseinandersetzten. Außerdem war er Universitätsvortragender für das politische System Österreichs.