"Dann können wir wieder optimistisch in die Vergangenheit schauen"
Kritik: I am from Austria - Teil 5: Das Finale, Schauspielhaus Graz
Text: Robert Goessl - 13.05.2024
Rubrik: Theater
Im fünften und letzten Teil des Recherche-Projekts vom Institut für Medien, Politik und Theater unter der Regie von Felix Hafner wird noch einmal alles zusammengefasst und auf den Punkt gebracht: Es steht die ultimative Schlussprüfung an und das Amt erlaubt sich ein letztes Mal im Schauraum des Grazer Schauspielhauses sich von seiner unnahbaren überheblichen Seite zeigen. Rudi Widerhofer, menschgewordener Bürokrat, darf noch einmal die Anwärter auf das Österreich-Pickerl mit Fragen, die zum Verständnis Österreichs und der Lebensweise in diesem Land dienen, quälen.
Im von Kathrin Eingang gestalteten Wartezimmer herrscht wie immer Nervosität und Unsicherheit, obwohl die Anwärter für das Österreich-Pickerl, Tim Breyvogel, Anna Rausch und Oliver Chromik perfekt vorbereitet sind - sie haben alle erforderlichen Unterlagen mit und auch alle bisherigen Teilprüfungen erfolgreich absolviert. Aber es geht dieses Mal für sie um alles, denn im Sommer macht das Amt Urlaub, daher kann es bis zur nächsten Chance, erneut antreten zu dürfen, dauern. Die ersten Fragen werden im Team auch souverän gemeistert. Man zeigt sich zu den Themen wie der langen Tradition der Korruption, dem Ignorieren des Klimawandels, der rechten Vernetzung des Burschenschaftertums und der Gleichgültigkeit gegenüber Gleichberechtigung der Frauen absolut sicher. Auch wenn sie sich dabei fragen, wie ein derart ignorantes Selbstverständnis eines Landes möglich ist.
Credit Lex Karelly (Oliver Chromik, Anna Rausch, Tim Breyvogel)
Es wird musical-isch
Die Kenntnis der Handlung des Reinhard-Fendrich-Musicals "I am from Austria" erleichtert den Zugang in die operettenhafte Gedankenwelt zwischen Chaos, Küssen und Katastrophen mit Liedern wie "Tango Korrupti", "Razzia", "Heimatlied", "Es lebe der Sport", "Blond", "Macho, Macho" und "Strada del Sole". Dabei geht es in ordentlichem Tempo mit Kostümwechseln und Playback zur Sache, es sei denn das Amt mischt sich mal kurz wieder ein.
Credit Lex Karelly (Anna Rausch, Stefan Schindegger, Tim Breyvogel)
Unterstützung aus dem heiligen Land Tirol
Das Team wird verstärkt durch den traurigen Tiroler Schilehrer Sebastian Schindegger, der den Deutschen mit Rat und Tat und liebevollen Schmähungen zur Seite steht, aber realistisch genug ist, zu wissen, dass wegen zukünftig erwartbaren Schneemangels sein geliebtes Apre-Ski bald ein Ende haben wird – er liefert einfach nur einen grandiosen Auftritt ab. Mit Marielle Layher und Thomas Krammer erscheinen weitere Anwärter:innen auf der Bühne, die sich dann auch mit den anderen in der schwierigsten Fragenkategorie beweisen dürfen.
Credit Lex Karelly (Anna Rausch, Marielle Layher, Stefan Schindegger auf Marcel (Hirsch), Oliver Chromik)
Ein kurzer Exkurs über Normalität
„Normal oder nicht normal?“ – und wenn man glaubt, dass an dieser Stelle der Gipfel des Zynismus erklommen ist, so geht es doch noch einen Schritt weiter: Der Höhepunkt wird erreicht, wenn das Undenkbare zur Realität wird: Marcel Hirscher tritt ab nächsten Skisaison für sein Mutterland – den Niederlanden – an. Da hilft nur noch sich zum Schluss noch einmal Reinhard Fendrich zuzuwenden, doch anstatt pflichtgemäß patriotisch "I am from Austria" zu grölen, bleibt am Ende doch nur "Kein schöner Land in dieser Zeit". Und wann die tapferen Delinquenten, die allesamt bestanden haben, tatsächlich ihr Österreich-Pickerl erhalten, steht von Amtswegen her in den Sternen, nachdem Rudi Widerhofer als letzte Großtat vor seinem Sommerurlaub noch fachmännisch den Feedbackkasten in die dafür vorgesehene Rundablage "archiviert".
Credit Lex Karelly (Rudi Widerhofer)
Der Rahmen des notwendigen Erwerbs des Österreich-Pickerls zeigt die unbequemen Wahrheiten des Landes auf, und das auf fast schon schrecklich unterhaltsame Weise. Es wird ein Bild Österreichs gezeigt, das in dieser Gesamtheit kaum fassbar ist, es sei denn, dass alles, was sich so in diesem Land abspielt, irgendwo zwischen Operette und Musical liegt. Das Lachen im Moment fällt wahnsinnig leicht, doch das Gefühl, das es zurücklässt, wiegt schwer.