Bitterböse Lieder der feministischsten Hochzeitsband der Stadt

Kritik: Hormone Singers, Rabtaldirndln & Monika Klengel

Text: Sigrun Karre - 26.05.2024

Rubrik: Theater

Nikola Milatovic

Im Hochzeitsmonat Mai entzaubern die Rabtaltdirndln+ mit spitzer Zunge und gut bei Stimme Heiratsindustrie und Institution Ehe.

Stetig steigende Scheidungsraten und Emanzipation zum Trotz: Heiraten kommt nicht aus der Mode. Schuld daran sind die Hormone – und unhinterfragte (patriarchale) Tradition. Bei Punkt 2 können die Rabtaldirndln als „Hormone Singers“ Abhilfe schaffen. In einem dramatischen Liederabend sezieren sie gewohnt „arglos“ und ohne Tabus Heiratsrituale und die Institution Ehe mit all ihren Konsequenzen, aka dem Kleingedruckten. Das machen sie beharrlich: Brautstraußwerfen entlarven sie als pures Singleshaming. Dass die Symbolik eines weißen Brautkleides oder die Brautübergabe als Besitzwechsel-Ritus mit Feminismus und Selbstbestimmung genau überhaupt nicht auf einen Nenner zu bringen sind, liegt eigentlich auf der Hand; haben wir uns aber als Romantik verkaufen lassen. Die kulturelle Verirrung des Patriarchats ist eben immer noch normative Realität, die man nur mit Bewusstheit und Reflexionsarbeit Stück für Stück überwinden kann. Dieser angewandte Feminismus ist seit Jahren das Spezialgebiet der Rabtaldirndln, die sich für die schlicht, aber im Detail fantasievoll ausgestattete Performance (Ausstattung: Helene Thümmel) im Innenhofgarten des Grazer Volkskundemuseums, dieses Mal Monika Klengel vom TiB als Verstärkung geholt haben. Die Ausstattung besteht neben extra-femininen Kleidchen und Anime Girl-Pagenköpfen aus gerade einmal fünf geräumigen (Wäsche?-)Körben, aus denen bei Bedarf weitere Requisiten hervorgezaubert werden. Zu fünft interpretieren sie als Hochzeitsband mit erstaunlicher Ton- und Stimmsicherheit klassische Hochzeitslieder oder Schnulzen zu bitterbösen Balladen um. Roy Blacks „Ganz in Weiß“ wird zum „Schlager“ über weibliche Abhängigkeit durch Ehe. "Amazing Grace" besingt im getragen-feierlichen Ton häusliche Gewalt an Frauen. Auch bei den weiteren Liedern produziert der Widerspruch aus Melodie und Text Spaß und einige Trigger. Dazwischen versuchen sich die Hormon Singers als Hochzeitssängerinnen und Hochzeitsplanerinnen in Personalunion mit der Vorstellung skurriler Service-Module selbst als Profiteurinnen der Hochzeitsindustrie.

Credit: Nikola Milatovic

Feministisches Volkstheater

In Bestform performen die fünf „Dirndln“ durch das Partyspiel „Wer hat den Schwanz an?“ über die Module „Heiratsantrag“, „Rechtsberatung“, „Small Talk“ bis zu den Hochzeitsreden der Varianten „Kling Kling“ bis „Tschin Bum“. Man erfährt von den realen Tücken des Pensionssystems für verheiratete Frauen und mehr oder weniger überraschenden Scheidungsgründen. Als Hochzeitsgaben mit Weitsicht gibt es weibliches Nichtgefallenwollen, qualitative Kinderbetreuung mit Übernachtungsmöglichkeit und ein lebenslanges Rabtaldirndl-Abo.  „Hormone Singers“ ist ein kurzweiliger Theaterabend, der nicht nur durchgehend fein unterhält, sondern auch zum Reflektieren anregt. Das große Plus der Rabtaldirndln ist einmal mehr, dass sie Relevantes ganz uneitel, ohne zu moralisieren oder zu intellektualisieren, sichtbar machen. Sie schrecken nicht vor grober Übertreibung oder teils derberem Humor zurück, wenn es mal kippt, dann nicht in den Klamauk, sondern ins Nihilistische. Damit erzielen sie eine sehr breitenwirksame Schärfe und funktionieren nicht nur in ausgewählten Blasen, sondern machen „wirkungsvolles“ zeitgenössisches Volkstheater. Pflichttermin für Heiratswillige. Und für Unwillige sowieso.  

Credit: Nikola Milatovic