Zwiespältiger Charakter, zwiespältige Aufführung
Kritik: Giuseppe Verdi, Rigoletto, Oper Graz
Text: Martin Exner - 17.11.2025
Die Grazer Oper hat mit Giuseppe Verdis Rigoletto eine der auf heutigen Opernbühnen weltweit populärsten und am häufigsten aufgeführten Opern überhaupt in den Spielplan genommen. Dass diese Oper aber nicht immer ein Selbstläufer ist, konnte man am Premierenabend auch erleben.
Regisseurin Ute M. Engelhardt interessiert nicht nur der Charakter des Protagonisten, der hier aber auch nicht (wie so oft) als liebender Vater und Opfer der (hier dekadenten Männer-)Gesellschaft dargestellt wird, sondern als skrupelloser Mensch mit Rachegedanken, der sein Schicksal durch sein Handeln selbst in die Wege leitet – sie interessiert sich auch für die Genese dieses Charakters und bringt dafür Rigolettos verstorbene (und in der gesamten Oper auch nur zweimal erwähnte) Frau und Gildas Mutter ins Spiel. Gott sei Dank sparsam eingesetzt, bringt dieser Kniff nicht viel Erhellendes, aber zumindest in einigen Szenen berührende Effekte, wenn die Verstorbene als Traumfigur (dezent: Elisabeth Besser) die Aufmerksamkeit Rigolettos bannt und verdeutlicht, wie fern ihm das Wohl seiner Tochter in Wirklichkeit ist. Vielmehr gleicht sich der Protagonist in dieser Fassung immer mehr dem Auftragsmörder Sparafucile an, dem er sich ohnehin nahe fühlt („Wir sind gleich: Ich habe die Zunge, er den Dolch“) und mit dem er am Ende verwechselbar und zwillingsgleich durch das Dunkel irrt. Das Bühnenbild – praktikabel, aber nicht immer sänger:innenfreundlich – von Stephanie Rausch (gut ausgeleuchtet von Stefan Schlagbauer) zeigt ein nach hinten offenes Palastfoyer mit Prachtstiege als Machtort des Herzogs, ein kleines, enges Podest mit überdimensionaler Schaukel als Privatraum Gildas und dunkle Arkaden als die nächtlichen Straßen Mantuas und ermöglicht übergangslose Szenenwechsel.

Ekaterina Solunya. (Fotocredit: Werner Kmetitsch)
Innere Schönheit und Dramatik der Musik
Dennoch kann das Gesangsensemble nicht gänzlich überzeugen. Nikoloz Lagvilava ist ein stimmstarker Rigoletto, dem nur manchmal die feinen Nuancen für diese Rolle fehlen, der sein imposantes, durch kernigen, aber auch klangschönen Bariton charakterisiertes Stimmmaterial bis zum Schluss eindrucksvoll ausspielt – und damit sich auch darstellerisch in das Konzept von Regisseurin Engelhardt einfügt. Mit Pavel Petrov hat man für den Herzog einen Tenor gefunden, der von Graz aus eine veritable Weltkarriere begonnen hat, die ihn bis nach New York, Paris, London und Verona geführt hat – warum, das konnte man an diesem Abend in der Grazer Oper überraschenderweise aber nicht hören. Zwar ist die Stimme in der Mittellage gleichmäßig und schön, je weiter es in die Höhe geht, umso brüchiger und angestrengter wirkt sie und spricht auch nicht mehr unmittelbar an – ob aus Nervosität oder wegen der Nähe der Rolle zum Belcanto, kann hier nur vermutet werden. Ekaterina Solunya wiederum ist mit der Rolle der Gilda hörbar gefordert und interpretiert sie (vielleicht auch der Regie geschuldet) unterkühlt; immerhin kann sie sich im dritten Akt steigern. Wie zuletzt häufig überzeugen die Ensemblemitglieder der Grazer Oper in den kleineren Rollen: Neira Muhić gibt eine wunderbare, wohltönende Maddalena, die das berühmte Quartett im dritten Akt nicht dominiert, aber musikalisch prägt, Wilfried Zelinka ist ein stimmlich solider, darstellerisch beeindruckender Sparafucile, Nikita Ivasechko und Jianwei Liu sind als Marullo und Borsa eigentlich Luxusbesetzungen, und Daeho Kim beeindruckt stimmlich und mit Präsenz als Monterone.
Als Vehikel für diverse Arenen, Steinbrüche und Seebühnen mag Verdis Rigoletto vielleicht auch so genügen – dem opernvertrauten Grazer Publikum könnte ein Haus mit den (zurecht hohen) Ansprüchen der Grazer Oper aber gerne mehr bieten.
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Ekaterina Solunya. (Fotocredit: Werner Kmetitsch)
Giuseppe Verdi: Rigoletto

Nikoloz Lagvilava als Rigoletto. (Fotocredit: Werner Kmetitsch)

Nikita Ivasechko, Nikoloz Lagvilava, Lovro Korošec, Herrenchor der Oper Graz, Statisterie der Oper Graz. (Fotocredit: Werner Kmetitsch)

Nikoloz Lagvilava, Lovro Korošec, Chor der Oper Graz. (Fotocredit: Werner Kmetitsch)
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