„Ein Mann, der von zwei Frauen geliebt wird, ist wie eine Aktie, die über ihren Wert gehandelt wird.“
Kritik: Die Strategie der Schmetterlinge, Theo Oberzeiring
Text: Robert Goessl - 26.04.2024
Rubrik: Theater
Esther Vilars Stück, eindrucksvoll intensiv gespielt von Julia Faßhuber und Ninja Reichert, zeichnet sich dadurch aus, dass es Gefühle von Menschen offenbart, die mit allem, was ihnen zur Verfügung steht - auch Vorurteilen und Schwächen - um etwas kämpfen. Es zeigt ein auf den ersten Blick ungleiches Duell zweier Frauen um die Hinterlassenschaft eines Mannes, bei dem keine von beiden bis zum Ende alle Karten aufdeckt. Die Regie von Peter Faßhuber lässt den beiden Schauspielerinnen Raum, beiden Figuren auf einer fast nur mit dem notwendigen ausgestatteten Bühne ein Höchstmaß an Glaubwürdigkeit zu verleihen, ihnen aber auch dabei alles abverlangt.
Zwei Frauen im Kampf um eine Zukunft aus der Vergangenheit
Am Anfang scheint es einfach zu sein: Die unermesslich reiche, ältere Ehefrau Eve besucht die junge Adriana, die schwangere Liebhaberin ihres verstorbenen Mannes Carlos, in deren Liebesnest, um sie pragmatisch und ruhig auszuzahlen - Britisches Understatement mit nüchterner Souveränität trifft auf chaotische emotionale Leidenschaft. Eve hat schließlich den Reichtum in ihre Ehe gebracht, ihren Mann zur Hochzeit nicht zuletzt mit Geld überzeugt und ihn auch mit Geld bei sich gehalten. Adriana hat ihn mit ihrer jugendlichen Leidenschaft erobert und beide wollten ihn zu seinen Lebzeiten allein für sich gewinnen.
Ein Duell in der Schwüle einer Insel inmitten eines Flusses beginnt. Beide scheinen auf ihre eigene Art und Weise scheißfreundlich, sogar ansatzweise respektvoll miteinander umzugehen, doch werden sie zunehmend skrupellos und verletzend gegenüber der anderen.
Jede der beiden versucht, die Kontrolle über die Situation zu gewinnen, mit abwechselnden Erfolgen - mit Lügen, Anfeindungen und Demütigungen:
Jugend gegen Alter – mit zur Schaustellung der körperlichen Überlegenheit als Erniedrigung.
Reichtum gegen Armut - mit überheblichen neo-kolonialistischen Anklängen als Herabwürdigung. Jede mit den Waffen, die sie für ihre besten hält.
Credit: Michael Traussningg
Die Wahrheit wird unter Schmerzen aufgedeckt
Zunehmend eskaliert die Situation bis hin zur Folter, Eve wird auf einen Stuhl gefesselt und eine Nacht gnadenlos den Massen an Moskitos über Nacht ausgesetzt. Die ein oder andere Wahrheit kommt danach ans Licht - über scheinbare Krankheiten und gekaufte Schönheit, scheinbare Schwangerschaften und geplante Selbstmordversuche -
Aber es sind auch echte Wahrheiten und Erkenntnisse darunter bei der Frage, warum er seine Ehefrau nicht verlassen wollte, und vor allem, warum er ihr Geld brauchte, auch wenn diese im Angesicht einer körperlichen Peinigung erfolgt und eine traurige ist:
„Vermutlich hat er Angst, dass ihm dasselbe passiert wie mir. Vermutlich wollte er um seiner selbst willen geliebt werden. Der Traum fast aller Reichen, der Einzige übrigens, der so gut wie nie in Erfüllung geht.“
Die ultimative Selbsterniedrigung in der tiefen Überzeugung, einen Mann halten zu können, indem man ihm Geld für seine Geliebte überlässt.„Sie wissen nicht, wie es sich anfühlt, in der Hitze zurückgelassen werden wie ein nassgeschwitztes Leintuch.“,
Während Adriana die Gefesselte weiter umkreist und von ihren Gefühlen berichtet, bleibt Eve dabei, dass am Ende jeder käuflich ist und dass es trotz aller Liebe letztendlich nur um den Preis geht. p>„Ich liebe ihn, obwohl ich seine Gesellschaft kaufen musste, und Sie tun es, obwohl Sie nun den Beweis dazu haben, wie käuflich er war. Welche der beiden Lieben ist nun die größere, reinere?“ Das Stück findet auf diese Frage eine Antwort, denn hinter all dem steckt ein Plan, doch der wahre Wille bleibt bis zum Ende unsichtbar und manifestiert sich dann doch in aller Grausamkeit und Konsequenz. In diesem Well-Made-Play, einem Kammerspiel auf einer Flussinsel in Argentinien, kosten die beiden Schauspielerinnen alle Wendungen bis zum Ende aus. Es ist ein Genuss, den beiden dabei zuzuschauen, wie sie aneinander beinahe aussaugen. Sie schaffen so einen Abend, der die Spannung aufrechterhält, ständig überrascht und neue Facetten hervorbringt, bei dem es am Ende keine Siegerin gibt, aber auch keine Verliererin – oder doch zwei Verliererinnen?