Quasi eine zweite Uraufführung von Werner Schwab im ARTist’s

Kritik: Das Lebendige ist das Leblose und die Musik, Theater Kaendace

Text: Lydia Bißmann - 12.09.2025

Rubrik: Theater
Kritik: Das Lebendige ist das Leblose und die Musik, Theater Kaendace

Sonja Kreibich. (Fotocredit: Peter Wohlfahrt)

Unter der Regie von Josef Maria Krasanovsky inszeniert das Theater Kaendace im ARTist’s „Das Lebendige ist das Leblose und die Musik“. Das allererste Stück von Werner Schwab wurde unter der Regie des Autors nur als Selbstproduktion 1989 in der Bronx (der heutigen ppc Bar) aufgeführt.

Das Kaendace-Team hat das Aufführungsrecht für das nach wie vor unpublizierte Stück erhalten und daraus mit viel frischem Input eine moderne Inszenierung hingelegt, bei der sich Performance, Musik und Bühne mit der ikonischen Sprache Schwabs um die Hauptrolle rittern.
Kritik: Das Lebendige ist das Leblose und die Musik, Theater Kaendace

Johanna Hainz und Sonja Kraibich. (Fotocredit: Peter Wohlfahrt)

Neue Spielart zum „gescheiterten Volk“

Werner Schwabs Gesellschaftskritik, die Kritik am „gescheiterten Volk“, wie es im Pressetext zum Stück heißt, ist bekannt. Das wird hier im ARTist’s auch nicht neu aufgerollt, es wird damit wortwörtlich gespielt. Dazu passt es auch, dass Satzfragmente der legendären Schwabsprache als Bühnenbild fungieren dürfen. Die blasierte Krankenschwester mit Häubchen, Pilotenbrille und blickdichten Strumpfhosen wird blasiert-pragmatisch von Sonja Kreibich dargestellt. Sie ist Opfer und Täterin zugleich, kaschiert gekonnt mit ihrer Pseudo-Überlegenheit eingefleischter Arroganz ihre immerwährende XX-Chromosom-Loser-Rolle. Ihr Konterpart, eine geriatrische Männerrolle namens Werner, wird von Johanna Hainz gegeben, die dabei Unglaubliches leistet. Jede Faser von ihr ist von Grind, Abschaum und Bosart durchzogen. Bewegen kann sich die Figur kaum, es ist ein nervenzerreibender Eiertanz, wenn sie zu Beginn versucht, sich selbst einen Schnürschuh anzuziehen. Seine Pflegerin demütigen, nötigen und vergewaltigen gelingt ihm aber tadellos. Eingebettet in die Musik von Robin Prischink und umhüllt von den Sätzen Schwabs legen die beiden ihren Tanz hin, der der Essenz von eigentlich allen Schwab-Stücken eine ordentliche Portion Aktualität verleiht.

Kritik: Das Lebendige ist das Leblose und die Musik, Theater Kaendace

Fotocredit: Peter Wohlfahrt

Musical Fragment und Mut

Die Interpretation von Josef Maria Krasanovsky (Produktionsleitung Alexander Mitterer) hat fast mehr von einem Musical als von einem Sprechdrama. Von der ersten Essiggurkerl-Szene an kann man das Denk-Hirn getrost aufs Fühlen umstellen und sich wie bei Alter Musik oder gutem Jazz einfach dem Spiel hingeben und mitwummern. Es wird gesungen, es wird gerappt, es gibt beeindruckende Bilder und trotz all der herausfordernden Szenen, in die sich die beiden Darstellerinnen scheinbar risikofreudig ohne Netz und doppelten Boden hineinschmeißen, bleibt die Inszenierung feinstofflich und sehr leicht zugänglich. Dazu passt es dann auch wie bestellt, als sich ein riesengroßer Nachtfalter auf die Premierenbühne verirrt. Fast könnte man glauben, das wunderbare Tier wäre genau an der richtigen Stelle mit Absicht freigelassen worden.

Das Lebendige ist das Leblose und die Musik ist ein knapp 60 Minuten dauerndes Stück, das keine Sekunde langweilig oder belanglos ist. Das ganzkörperlich-mutige Spiel von Sonja Kreibich und der atemberaubend präsenten Johanna Hainz zum Takt von Schwabs Worten und dem live getakteten Sound von Robin Prischink animiert die Gedanken zum Freigang. Trotzdem kommen dabei keine Einkaufslisten heraus, sondern echte Emotionen.

Kritik: Das Lebendige ist das Leblose und die Musik, Theater Kaendace

Fotocredit: Peter Wohlfahrt

Kritik: Das Lebendige ist das Leblose und die Musik, Theater Kaendace

Johanna Hainz. (Fotocredit: Peter Wohlfahrt)

Das Lebendige ist das Leblose und die Musik

Quasi eine zweite Uraufführung von Werner Schwab

Theater Kaendace im ARTist's, ARTist’s, Schützgasse 16, 8020 Graz

TermineSamstag,13.09.; Dienstag, 16.09.; Mittwoch, 17.09. und Donnerstag, 18.09.2025

Beginn jeweils 20 Uhr

Bühne und Inszenierung: Josef Maria Krasanovsky
Mit Johanna Hainz und Sonja Kreibich
Livemusik: Robin Prischink
Produktionsleitung: Alexander Mitterer

Kritik: Das Lebendige ist das Leblose und die Musik, Theater Kaendace

Fotocredit: Peter Wohlfahrt

Kritik: Das Lebendige ist das Leblose und die Musik, Theater Kaendace

Fotocredit: Peter Wohlfahrt