Sinnsuche zwischen Flascherlzug, Railjet und Rasierklingen-Abo

Kritik, Chrissi Buchmasser, Zugzwang

Text: Lydia Bißmann - 27.10.2025

Rubrik: Kleinkunst
Kritik, Chrissi Buchmasser, Zugzwang

Chrissi Buchmasser feierte mit "zugzwang" die Premiere ihres zweiten Programms im Theatercafé Graz. (Fotocredit: Jules Stipsits)

Chrissi Buchmasser präsentierte im Theatercafé ihr zweites Soloprogramm namens „Zugzwang". Das elegant und nach allen Seiten hin solidest gestrickte Programm (Regie: Magda Leeb) entführt das Publikum auf eine angenehme und augenscheinlich leicht verdauliche Reise in den Alltag einer zweifachen Mutter und Künstlerin.

Als Mittdreißigerin, also Millennial, weiß die Figur in der „Rush Hour“ des Lebens nicht so genau, wohin die Reise zwischen Kindern, Karriere und Eigenheimwunsch eigentlich gehen soll. Nicht zuletzt deswegen die Zug-Analogie. Die bekannten Tonsignale der ÖBB erschaffen eine wohlig-vertraute Atmosphäre. So weit, so cosy – einlullen sieht aber anders aus. Chrissi Buchmasser ist weit entfernt von Comfort-Comedy, Entscheidungsproblemen und Commitment-Angst. Diese Frau weiß ganz genau, was sie will und kann.
Kritik, Chrissi Buchmasser, Zugzwang

Chrissi Buchmasser gewann 2021 im Theatercafé den Publikums-Kleinkunstvogel. (Fotocredit: Jules Stipsits)

Bravouröse Loop-Artistik

Bis obenhin voll mit Energie und Engagement schafft sie es, eine Klammer zwischen dem Stainzer Wunderheiler Höller Hansl und dem Popstar Hansi Hölzl zu legen, textet Popsongs von Taylor Swift, Lady Gaga oder Billie Eilish um oder fragt sich, wie viel Sinn ein Rasierklingen-Abo per Post macht. Ihre Leidenschaft für Listen, auf denen man Erledigtes durchstreichen kann, manifestiert sich in einem Buch mit Eigenleben, und auch das Leiberl, das vorn drinnen steckt und hinten nicht, hat eine dramaturgische Aufgabe. Chrissi Buchmasser jongliert mit Loops und Hints – nichts ist hier per Zufall, nichts bleibt offen. Im stringenten Stradner Dialekt sinniert sie über die Unterschiede von ländlicher oder städtischer Adoleszenz, erzählt von der Zugleidenschaft ihres vierjährigen Sohnes, der am liebsten Eisenbahn-Romantik im Fernsehen schaut und zu Fasching als Chris Lohner gehen möchte. Wenn sie darüber nachdenkt, ob die Frauen tatsächlich so hässlich sind, dass sie für TV-Produktionen eine Stunde lang geschminkt werden, wohingegen Männer mit ein paar Bröseln Puder auf der Nase davonkommen, gibt sie ihre Wut unverfroren zu und droht sogar damit, vor Entsetzen erneut ein Blatt Papier zu zerknüllen.
Kritik, Chrissi Buchmasser, Zugzwang

Chrissi Buchmasser. (Fotocredit: Jules Stipsits)

Politik über die Bande

Nie wird Chrissi Buchmasser untergriffig oder gar peinlich. Salopp, aber mit viel Konzentration und Fingerspitzengefühl haut sie Witze raus, die dem Patriarchat an die Pelle rücken, ohne den Nimbus von scheinbarer Harmlosigkeit zu verlieren. Das ist klug und geschickt – sie braucht und will keine Witze über Personen in der Politik machen (was sie auch live demonstriert!) – der Alltag ist politisch genug. Die, denen das wurscht ist, können trotzdem lachen, die anderen freuen sich über die geschickt verlegte Doppelbödigkeit, die ihrem Auftritt Stabilität und ein solides Fundament gibt. („Nur weil ich mich mit 36 Jahren alt fühle, heißt das nicht, dass ihr Älteren euch nicht viel älter fühlen dürft!“) Welterklärung ist nicht das Ding von Chrissi Buchmasser, Weltanschauung viel eher – aber eben über die Bande. Hinter ihrer Erscheinung, die mit ihrem gestreiften Oversize-Shirt eher an einen Clown-Lehrling kurz vor der Lehrabschlussprüfung erinnert, steckt ein Vollprofi mit Souveränität bis in die Zehennägel. Chrissi Buchmasser ist perfekt in ihrem Auftritt und noch viel perfekter, wenn sie spontan auf ein kaputtes Tonkabel oder einen übereifrigen Zuseher im Publikum trifft. So gemein das auch ist, man wünscht ihrem künftigen Publikum fast, dass während der Vorstellung etwas passieren möge, auf das die Poetry-Slam-affine Künstlerin im Moment reagieren muss.

Vor knapp vier Jahren hat die Südsteirerin Chrissi Buchmasser, die nun in Graz lebt, im Theatercafé den Publikums-Kleinkunstvogel und zwei Jahre später den Freistädter Frischling gewonnen. Auftritte in ORF-Formaten wie Was gibt es Neues?, Die Tafelrunde und Kabarett im Turm folgten. Nach ihrem Programmdebüt Braves Kind folgt nun mit Zugzwang ihre zweite Soloschau. Unbedingt hingehen und anschauen.

Kritik, Chrissi Buchmasser, Zugzwang

Millenial-Probleme am Tapet: Chrissi Buchmasser in "Zugzwang". (Fotocredit: Jules Stipsits)