Fesselndes Lustspiel im ARTist’s

Kritik: Articulated, Planetenparty Prinzip

Text: Sigrun Karre - 21.02.2024

Rubrik: Theater

Credit: Clara Wildberger

Das Planetenparty Prinzip erforscht in seiner aktuellen Produktion 'Articulated – back then we were always naked' Sexualität aus weiblichen Perspektiven. Sehenswert!

In der Bühnenphantasie von Victoria Fux (auch Regie) und Nora Köhler tummeln sich diverse Vierbeiner durch einen "Dark Forest" und auch Äpfel und Nüsse und Körbchen dürfen als mehr oder weniger subtile Metaphern nicht fehlen. Sex ist ja irgendwie die letzte bunte XXL-Spielwiese für Erwachsene, und zu einem guten Teil animalisch. Wobei Häschen, Eichhörnchen, Waschbär und Reh, die sich im Kopfkino der zwei Performerinnen ein Stelldichein geben, vordergründig der Kategorie ‘besonders niedliche Säugetiere’ zuzuordnen sind. Der Rest ist menschliche Vorstellungskraft: "Meine erogene Zone ist mein Gehirn", bekennt Nora Köhler und begründet damit ihre Abneigung für Dirty Talk beim Sex, während ihr - seiner Neigung wegen anonymes - Gegenüber seinem Spieltrieb konsequent real folgt. Auch sein Ansatz ist in dieser Logik vernünftig: "Es geht darum, unvernünftig zu sein".

Credit: Clara Wildberger

(Vor)lieben und (Vor)stellungen

Vorlieben und Vorstellungen sind divers, wenn auch nicht statisch. Das trifft vermutlich nirgendwo mehr zu als im weiten Feld rund um menschliche Sexualität. Die Grenzen liegen in der Begegnung immer dort, wo sie das Gegenüber gerade steckt. Mit Körper und Stimme loten die zwei Performerinnen akribisch die fluiden Facetten zwischen Lust und Übergriffigkeit aus. Das betreiben sie aufrichtig und konfrontieren sich dabei selbst mit dem forschenden Verrücken von Schamgrenzen und Komfortzonen. Nora Köhler mimt mal das burleske Kätzchen, das den Aufblasvorgang eines Planschbeckens zu einer Art Vorspiel-Gymnastik hochstilisiert und später selbst zum vollgepumpten Spielzeug mutiert. Victoria Fux haucht lasziv-bedrohlich durchs Duschkopf-Mikro und weist Nora Köhler an, sich in einen Vulva-Bademantel zu hüllen. Im Machtspiel wird auch mal der Spieß umgedreht, ohne dass der feine Humor verloren geht, der ausgerechnet daraus entsteht, dass die zwei Performerinnen ernsthaft bei der hochverspielten Sache bleiben.

Credit: Clara Wildberger

Platz für Intimität

Die 60-Minuten-Performance überzeugt mit präzisem Timing und einer Inszenierung wie aus einem Guss. Nicht unerheblichen Anteil daran haben die Musik von Jakob Kolb, die mit spannenden Sounds aufhorchen lässt, ohne zu stark in den Vordergrund zu treten und die stimmige Ausstattung (Katharina Wraubek). Das Bühnenbild fokussiert sich auf einige multifunktional bespielbare Eyecatcher, wirkt dadurch phantasieanregend und doch “aufgeräumt”. Wie organische Kunstwerke wirken die Formationen aus Würsten verschiedener Hautfarbe. Die undefinierbare Masse, die Assoziationen zu Riesenmaden, verknoteten Gliedmaßen oder Gedärmen weckt, ruft Neugier und subtilen Ekel hervor.

-

Das ARTist's mit seinen rund 50 Sitzplätzen bietet einen intimen und doch geschützten Rahmen für eine Performance dieser Art.

Einmal mehr schafft es das Planetenparty Prinzip mit ‘Articulated’ ein komplexes und riskantes Thema - ganz ohne vordergründige Provokation - mit hinreißendem Spiel nahbar zu machen und zu überraschen.

Credit: Clara Wildberger