Sicherheit und Kontrollverlust in neuen Zusammenhängen denken
Karoline Rudolf: „lost and found * some sweets“, Galerie Marenzi
Text: Robert Goessl - 24.01.2024
Rubrik: Kunst
Karoline Rudolfs Ausstellung „lost and found * some sweets“ ist derzeit in der Galerie Marenzi in Leibnitz zu sehen.
Beim ersten Anblick integrieren sich zurückhaltende ästhetische Objekte scheinbar nahtlos in den Raum. Doch die Performance zur Vernissage offenbart eine andere, faszinierende Ebene: Die Künstlerin schwebt auf dem Sockel eines Denkmals, bis sie samt diesem zu Boden fällt. In dieser Inszenierung spürt man förmlich, wie nach einer alternativen Wahrheit jenseits unserer vermeintlich sicheren Realität gesucht wird.
Es handelt sich um Fragilität als Reflexion der wahrgenommenen Gegenwart – eine scheinbar stabile Grundlage entpuppt sich als doch nicht unzerstörbar. Karoline Rudolf geht wissentlich Risiken ein; all ihre Werke tragen eine tiefere Bedeutung in sich, die es zu entschlüsseln gilt.
An einer Wand treten Gipsobjekte, die hauptsächlich aus Venedig stammen hervor, geschaffen durch Abgüsse. Hier vermischen sich Ornamente, wie etwa Löwenköpfe, mit Fragmenten von Kanaldeckeln. Diese Abgüsse entstanden beinahe performativ, streetart-artig, in einer „Nacht- und Nebel-Aktion“.
Credit: Karoline Rudolf
An anderer Stelle präsentieren sich Abgüsse von Messpunkten aus Graz. Diese unscheinbaren, allgegenwärtigen Vermessungspunkte durchziehen wie ein Netz unauffällig unsere Städte. In ihrer neuen Anordnung lassen sie das Wort „safe“ erahnen. Zusätzlich findet sich in diesem Raum eine Papierwolke unter dem Titel „Krieg“. Scheinbar harmlos in ihrer Erscheinung, lässt sie jedoch Böses erahnen, besonders, wenn man sich direkt unter ihr befindet.
In einem anderen Raum entführt die Künstlerin auf eine Reise nach Ibiza. Monströse Bilder von Eislutschern hinterfragen hier das sorglose Urlaubs- und Partygefühl.
Ein provokantes Abenteuer erwartet den Besucher in einem weiteren Raum unter dem Titel "I lost my colt":
Tatsächlich reiste Karoline Rudolf nach Texas, gab dort vor, ihre Waffe verloren zu haben und verbreitete die Botschaft unter diesem Titel öffentlich auf Leuchtschriften, Fahnen, Plakaten und ähnlichem, wobei der Titel allein nicht die ganze Wahrheit beinhaltet, denn: "I lost my colt... but anyway I try to lose control“. Im Stil von Urlaubsfotos wurde diese mutige Dauerperformance samt Interaktionen mit der lokalen Bevölkerung dokumentiert.
Ist es ziviler Ungehorsam oder bereits konkreter Widerstand?
Karoline Rudolf vertieft sich in ihrer Kunst in die Themen Unsicherheit und Schwebezustände. Die verwendeten Materialien und Formen setzen diese Aspekte in einen neuen Kontext. Es ist eine Zerstückelung, die zur kritischen Hinterfragung des Gewohnten einlädt. Die Künstlerin akzeptiert bewusst Risiken in einer Welt, die scheinbar auf einem festen und starren Fundament basiert, und entzieht sich selbst den Boden unter den Füßen – ein kühner Akt der künstlerischen Provokation.
Credit: Karoline Rudolf