„Kunst im öffentlichen Raum hat die wunderbare Eigenschaft, dass sie uns unvermittelt begegnen kann.“
Interview: Gabriele Mackert, Abteilung für Kunst im Außenraum
Text: Lydia Bißmann - 15.09.2025

Gabriele Mackert (UMJ ???)
Seit 2025 ist Gabriele Mackert Leiterin der Abteilung für Kunst im Außenraum des Universalmuseums Joanneum. Dazu gehört neben dem Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark (KiöR) auch der Österreichische Skulpturenpark in Premstätten. Im Interview spricht sie über die Stadt Graz, ihre Arbeit und ihre Vorhaben.

Gabriele Mackert (Leiterin des Österreichischen Skulpturenparks), Künstler Erfan Rezai und Markus Wilfling beim Frühlingsfest 2025. (Fotocredit: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek)
Frau Gabriele Mackert, Sie haben in Wien, Bremen und Darmstadt gelebt und gearbeitet – wie haben Sie sich in Graz eingelebt, und was ist hier vielleicht ganz anders als in den anderen Städten?
Ich bin noch dabei, mich einzuleben, aber ich kannte Graz schon ein bisschen und genau deshalb habe ich mich auch beworben: Die Kunst im öffentlichen Raum und der Skulpturenpark entsprechen jedenfalls meinen Interessen. Inzwischen genieße ich die kurzen Wege in der Stadt, gehe viel zu Fuß und brauche kein Auto mehr. Natürlich bin ich auch viel in der Steiermark unterwegs, es geht ja nicht nur um Graz. In den letzten Monaten habe ich viele Menschen kennengelernt, spannende Gespräche geführt und schätze die faszinierende Bandbreite an kulturell und zivilgesellschaftlich Engagierten sehr. Graz hat als zweitgrößte Stadt Österreichs eine beeindruckend vielfältige Stadtgesellschaft. Sie ist sogar eine Perle, die noch mehr Aufmerksamkeit verdient, eine lebendige, quirlige Stadt mit vielen Angeboten im öffentlichen Raum, die nicht alle kommerzialisiert sind. Das ist eine sehr sympathische Eigenschaft.
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Warum ist Kunst im öffentlichen Raum aus Ihrer Sicht so wichtig für alle – gerade heute?
Der öffentliche Raum ist für uns als Gesellschaft ganz entscheidend. Er ist sozusagen das Zentrum unseres Miteinanders. Dort wird viel ausgehandelt: Wer nutzt ihn und wofür? Wo stehen wir? Welche Zukunft stellen wir uns vor? Ist er Aufenthaltsort, Entfaltungsraum, durchkommerzialisiert, überreguliert oder gar bedrohlich? Der öffentliche Raum prägt unser Leben und bestimmt nicht nur das Gesicht einer Stadt: Gibt es Plätze für alle oder nur Straßen für Autos? Ist es grün, lebendig oder zugepflastert? Kunst im öffentlichen Raum thematisiert diese Fragen und gibt wichtige Impulse. Sie beschränkt sich nicht mehr auf Skulpturen aus einem traditionellen Verständnis heraus. Sie kann ein architektonisch-gestalterisches, ein ökologisches oder soziales Projekt sein, oder es formiert sich ein Chor. Die Vielfalt künstlerischer Formen, die in den öffentlichen Raum hineinwirken, fasziniert mich sehr.
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Sie sind ja für Kunst im öffentlichen Raum in der ganzen Steiermark zuständig. Welche Erfahrungen haben Sie mit den Künstler:innen und Akteur:innen am Land bislang gemacht? Wie offen sind die Menschen am Land für Kunst?
Projekte im öffentlichen Raum brauchen Zeit – man muss mit vielen sprechen, es gibt lange Vorläufe. Bürgermeister:innen, Gemeinderäte, Vereine und Initiativen sind dabei entscheidend. Meine Erfahrung ist: Alle sind sehr engagiert und wissen, wie wichtig Kultur ist. Kunst bringt Menschen zusammen und regt zum Nachdenken an. Dafür darf sie auch provozieren! Natürlich stoße ich in allen Gesprächen sehr schnell auf das Thema Geld. Kultur zu finanzieren war schon immer schwierig, jetzt wird noch mehr gekürzt. Angesichts der Budgetlöcher ist in vielen Gemeinden Kunst oft „Spielbein“ und nicht „Standbein“ – obwohl gerade sie Identifikation und Dialoge ermöglicht. Aber die meisten Bürgermeister:innen sehen es als große Chance, wenn wir als Institut präsent sind und etwas in Gang setzen.
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Wenn Sie auf Ihre bisherigen Stationen zurückblicken: Welche Erfahrungen möchten Sie nach Graz mitbringen, und was möchten Sie hier ganz neu ausprobieren?
Aus Darmstadt bringe ich z. B. gute Erfahrungen mit Schulprojekten mit: Dort haben Jugendliche selbst Führungen übernommen – in ihrer eigenen Sprache und mit ihrer subjektiven Sicht. Das war für Besucher:innen, nicht nur Jugendliche, sehr spannend. Wir haben bereits ein langfristiges Schulprojekt mit Schüler:innen aus Premstätten im Skulpturenpark gestartet. Ziel ist ein Audioguide in Jugendsprache. Auch solche Experimente – dass nicht nur Kunsthistoriker:innen sprechen, sondern Jugendliche oder Spezialist:innen eines Faches – sind für mich wichtig. Unter anderem geht man so auf Menschen zu und öffnet neue Perspektiven. Im Skulpturenpark werde ich auch auf die Biodiversität schauen. Dort gibt es jetzt ein Wildbienen-Screening eines Kollegen der zoologischen Abteilung des Universalmuseums. Danach werden wir schauen, welche Tiere welche Futterpflanzen brauchen und eventuell auch Sandarien für sie anlegen.
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Sie haben zu Beginn Ihres Antritts als Leiterin von KiöR betont, dass es wichtig ist, aus den Museen zu den Menschen zu gehen. Welche besonderen Aufgaben erfüllt das Institut für Kunst im öffentlichen Raum, und wie sehen Sie Ihre Rolle als Leiterin?
Das Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark hat in seiner nun fast 20-jährigen Geschichte einen imposanten Reigen an hochkarätigen Projekten realisiert. Daran will ich anknüpfen. Die Steiermark hat sich mit temporären Interventionen, Platzgestaltungen oder Projekten der Erinnerungskultur nicht nur national, sondern auch international einen Namen gemacht und viele wichtige und auch politische Debatten angestoßen. Meine Rolle sehe ich darin, Projekte zu initiieren, neue Formate zu fördern und Experimente zuzulassen. Mir geht es darum, unterschiedliche Sprachen und Zugänge zu Kunst zu ermöglichen. Kunst im öffentlichen Raum hat die wunderbare Eigenschaft, dass sie uns unvermittelt und unvoreingenommen begegnen kann. Ich betreue aber nicht nur Kunst im öffentlichen Raum, sondern auch den Skulpturenpark – ein Juwel, das seinesgleichen sucht. Wir hatten im letzten Jahr rund 50.000 Besucher:innen, darunter viele internationale, das ist schon bemerkenswert.
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2026 feiert KiöR das 20-jährige Bestehen – gibt es schon Pläne für die runde Geburtstagsparty?
Offen gestanden ist das für mich als Neue eine Herausforderung. Aber ich könnte es auch als Chance, z. B. für ein Symposium, interpretieren, die Arbeit der 20 Jahre zu reflektieren und mit Referent:innen über die Zukunft nachzudenken. In Bremen, einer sehr experimentierfreudigen Stadt, habe ich erlebt, wie so ein Jubiläum Anlass für Diskussionen werden kann.
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Sie haben 2003 gemeinsam mit Thomas Mießgang für die Kunsthalle Wien die Ausstellung „Attack! Kunst und Krieg in den Zeiten der Medien“ kuratiert. Kunst im öffentlichen Raum ist nach wie vor viel mit Krieg beschäftigt – denken Sie, dass Denkmäler für den Frieden und/oder die Demokratie auch funktionieren würden?
Kriegsdenkmäler gibt es überall, in Österreich wie in anderen Ländern. Doch sie verändern sich. Es gibt Beispiele, wie man solche Orte neu denken kann. Es geht nicht mehr um Gedenktafeln oder figurative Skulpturen, sondern auch um andere Inhalte. In Hamburg etwa gibt es ein „verschwindendes Denkmal“ von Jochen Gerz und Esther Shalev-Gerz. Man unterschrieb auf einer Säule das Versprechen, für Demokratie einzustehen – die Säule sank dann nach und nach in den Boden. Formen des Gedenkens, die den Prozess mitdenken und sich verändern oder interaktiv sind, faszinieren mich, weil sie Werte thematisieren und Beteiligung ermöglichen. Ich halte es für sehr wichtig, dass es möglichst viele Denkmäler jenseits von Krieg oder Verfolgung gibt – für Demokratie oder andere gesellschaftliche Werte – und dass sie uns immer wieder anregen, uns mit diesen Themen zu beschäftigen.

Peter Weibel, Die Erdkugel als Koffer, 2004, Österreichischer Skulpturenpark (Fotocredit: Region Graz, Mias Photoart)
Kurzbiografie Gabriele Mackert
Gabriele Mackert studierte Kunst und Germanistik an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und promovierte summa cum laude. Die international anerkannte Kuratorin, Autorin und Jurorin war zuletzt Sammlungsleiterin für Kunst des 18. bis 21. Jahrhunderts und Ethnologie am Hessischen Landesmuseum Darmstadt. Zuvor leitete sie die Gesellschaft für Aktuelle Kunst in Bremen und kuratierte an der Kunsthalle Wien. Zudem lehrte sie am Institut für ortsbezogene Kunst der Universität für angewandte Kunst Wien und veröffentlichte zahlreiche Publikationen. Seit 2025 ist Mackert Leiterin des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark sowie des Österreichischen Skulpturenparks.

Jochen Gerz / Bildrecht, Wien 2024, Ich Sigfried Uiberreither Landeshauptmann, 2008. (Fotocredit: UMJ)
Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark
Das Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark realisiert seit 2006 Kunstprojekte außerhalb geschlossener Räume und Museen. Ziel ist es, den öffentlichen Raum als Ort gesellschaftlicher Auseinandersetzung zu gestalten – durch permanente und temporäre Arbeiten regionaler, nationaler und internationaler Künstler:innen. Die Projekte thematisieren aktuelle politische, soziale, ökologische und kulturelle Fragen sowie die Beziehungen zwischen Raum, Gesellschaft und unterschiedlichen Lebensentwürfen. Seit 2011 arbeitet das Institut gemeinsam mit dem Österreichischen Skulpturenpark als Teil der Abteilung „Kunst im Außenraum“ des Universalmuseums Joanneum.
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