Dunkelschöne Lieder
Im Porträt: Paul Plut, Musiker
Text: Sigrun Karre - 14.04.2022
Rubrik: Musik
Der Schladminger Musiker, Komponist und Songwriter Paul Plut ist Musikfans abseits der musikalischen Geschmacksautobahnen seit Jahren als kreativer Kopf und markante Stimme der Deutsch-Pop-Band Viech als auch der Blues-Punk-Band Marta ein Begriff.
Der Lockdown 2020 hat den steirischen Musiker zum Album "Ramsau am Fuße des Dachstein nach der Apokalypse" inspiriert.
Man könnte Paul Plut fast als Urgestein der heimischen alternativen Musikszene bezeichnen, wäre er nicht gerade Mal 33. Auch seine rau(c)h(ig)e Stimme führt den Hörer in Sachen Alterszuordnung akustisch in die Irre. Ebendiese ließ er nun ungewohnt leise und intim auf zwei Dialekt-Solo-Alben erklingen. Nach dem 2017 erschienenen und einhellig gelobten Album „Lieder vom Tanzen und Sterben“, folgte im Oktober 2021 das zweite um nichts weniger düstere Solo-Album mit dem lapidaren Titel „Ramsau am Dachstein nach der Apokalypse“.
Entstanden ist das Album während des ersten Corona-Lockdowns in Schladming, wo die Pandemie eine Art dystopische Vision auslöste, die Paul Plut heute so beschreibt: „Es war so eine spezielle Stimmung, wo sonst alles voller Touristen war, war plötzlich Leere und Stille. Da hab ich mir vorgestellt wie überall Ursuppe herum ist“. Weltuntergang hatte er dabei allerdings keinen im Sinn „Apokalypse meint ja Entschleierung, also geht es da vielmehr darum etwas sichtbar zu machen“.
Der Album-Titel ist Programm, auch die Lyrics der 10 sparsam instrumentalisierten Lieder „kokettieren“ auf eine fast sachliche Art und Weise mit Tod und Dystopie. Reduktion ist ein Stilmittel von Paul Plut, das sich auf vielen Ebenen zeigt. Hat er als Songwriter der Band Viech noch gerne mit Wortspielereien gearbeitet und seiner Wortgewandtheit freien Lauf gelassen, ist sein Schaffen als Solokünstler von einer Klarheit und Kargheit geprägt, die vermutlich nicht ganz zufällig an die karge Landschaft des Dachsteins erinnert. Ironie oder Eitelkeit (außer zweiteres als Liedtitel) findet man in den Liedern nicht, der Titel „Vado Mori“ kommt textlich mit folgendem Vierzeiler aus:
„I moch mi auf zum Geh
Den andern hinterher
I moch mi auf zum Geh
Hinter mir die nächsten.“
Gerne experimentiert Paul Plut mit Sounds elektronischer und akustischer Natur; in dieser Nummer etwa treffen Ochsenhörner auf Slide-Gitarre, der Album-Opener „Schwarze Finger“ wird begleitet von Kettenrasseln und aktuell probiert Plut gerade aus wie er einer große Holzratsche interessante Sounds entlocken kann „und wie lang ich sie erheb“. Auch Orgelsounds begeistern ihn, weshalb er auch Konzerte in Kirchen (in Graz zuletzt etwa in der Lech- und Herz-Jesu Kirche) gespielt hat, deren räumliche Wirkung ihn außerdem faszinieren. Berührungsängste mit dem Begriff Heimat, mit Dialekt oder Sakralem sind im fremd. „Ich kann den Ort, wo ich aufgewachsen bin, nicht wegwischen, natürlich macht das auch was mit einem, wenn man umgeben von ziemlich imposanten Bergen in einer Bergsteiger-Familie aufgewachsen ist“ meint er und erzählt vom Brandriedl-Wanderweg, den er mit der Großmutter gegangen ist und der auch „Altar zum Dachstein“ genannt wird. Vielleicht war Pauls Pluts Kindheit inmitten der Ehrfurcht einflößenden Naturkulisse ja nicht die schlechteste Voraussetzung für seine heute oft sakral anmutende Liedkunst, die ihm schon mehr als einmal Vergleiche mit Nick Cave oder Tom Waits eingebracht hat.
Sich mit Spiritualität, mit Tod und Vergänglichkeit zu beschäftigen ist für den Vater eines zweijährigen Sohnes jedenfalls nicht ungewöhnlich, sondern naheliegend. Neben der intrinsischen Freude an der Musik, ist Musik für ihn auch ein Ventil für innerer Kämpfe und persönliche Spurensuche. Als Hörer*in seines neuen Albums hat man das Gefühl, Ohrenzeuge davon zu sein, wie der Künstler wagemutig seine innere Seelen-Landschaft erkundet, für die er im Ort Schladming und in der Landschaft des Dachsteins, den einen oder anderen äußeren Anhaltspunkt findet.
Dass er seinen Brotberuf als Lehrer vor einigen Jahren aufgegeben hat um sich ganz der Musik zu widmen, war eine Entscheidung, die weiter auf interessanten musikalischen Output eines Ausnahmekünstlers hoffen lässt.