Natur und Pubertät
Filmkritik: Amelie rennt, Internationales Kinderfilmfestival Steiermark
Text: Lydia Bißmann - 25.11.2024
Amelie rennt (2017), vom Regisseur Tobias Wiemann, könnte auch gut und gerne beim Mountainfilm Festival laufen. Die Geschichte der 13-jährigen Amelie, die in den Südtiroler Bergen lernt, mit ihrer chronischen Krankheit Asthma umzugehen, vereint beeindruckende Landschaftsaufnahmen der Südtiroler Alpen mit einer Coming-of-Age-Geschichte.
Nach sieben Jahren wird der Film nun beim Kinderfilmfestival Steiermark wieder auf der großen Kinoleinwand gezeigt. Stereotypen werden nur achtsam bedient, neben der Naturkulisse trumpft der Film für Kinder ab 10 Jahren auch mit charmanten Nebendarsteller:innen wie Jasmin Tabatabai als genervte Kinderärztin Dr. Murtsakis und Shenia Pitschmann als liebenswerte Streber-Zimmergenossin Steffi.
Dr. Murtsakis: Jasmin Tabatabai (Credit: Leiblingsfilm)
Heranwachsen mit Hindernis
Pubertät ist ein Horror, noch schlimmer wird es, wenn man obendrein an Asthma leidet und kaum Freund:innen hat. Die 13-jährige Amelie (Mia Kasalo) aus Berlin flucht und trotzt sich durch ihr Leben und muss schließlich auf Kur in die Südtiroler Berge. Die wütende Großstadtgöre trifft dort auf Bart (Samuel Girardi), der sich mit ganz anderen Dingen herumschlagen muss als einem Wäscheständer im Kinderzimmer. Er managt fachgerecht die Milchkuhherde am elterlichen Hof, da er ohne Papa auskommen muss. Charakterlich sehr unterschiedlich vereint die beiden die sehr frühe Begegnung mit dem echten oder drohenden Tod. Gemeinsam erklimmen sie den Gipfel eines Berges, wo nach alter Tradition alles wieder gut wird, wenn man nur über eines der dort errichteten Lagerfeuer springt.
Shenia Pitschmann als liebenswerte Streber-Zimmergenossin Steffi. (Credit: Lieblingsfilm)
Happy Parents
Der Jugendfilm konzentriert sich auf das Spiel der beiden Hauptrollen, die sympathischen Erwachsenen bleiben im Hintergrund und werden auch nicht unnötig dramatisch elaboriert. Angenehm ist, dass die geschiedenen Eltern (Susanne Bormann und Denis Moschitto) damit zufrieden sind, sich ganz gut vertragen und am Ende auch nicht wieder zusammenkommen. Der Fokus liegt auf der Entwicklung von Amelie, die in ihrer Verzweiflung grenzwertige Aktionen setzt, ohne auf Verluste zu achten. Ziemlich nah am echten Leben einer Pubertierenden dran, hat man das Gefühl, auch wenn sie für eine Asthmatikerin recht selten außer Atem kommt, während sie bergsteigt. Überzeugend ist auch die Rolle des Jungbauern Bart, der viel zu früh viel zu viel Verantwortung bekommt und lernen muss, etwas lockerer zu werden. Am eindrucksvollsten ist trotzdem die Figur der Steffi, die mit einer Stoffkatze durchs Leben rennt, da sie auch auf echte Katzenspucke allergisch ist, aber ansonsten selbstbestimmt, hartnäckig und empathisch den Asthma-Nerd gibt. Sie ist die eigentliche Heldin des Films, da sie auf die Coolness pfeift und keine Angst davor hat, peinlich zu sein.
Amelie rennt hat aufgrund der authentischen Sprache und der behutsamen Darstellung der Beziehung zwischen Erwachsenen und Heranwachsenden mehrere Preise, darunter den Deutschen Filmpreis 2018, gewonnen. Es ist ein sanfter Film, der Themen wie Trauer, Krankheit oder eben Tod in den Vordergrund stellt, sich aber auch mit Freundschaft und Loyalität beschäftigt und mit kleinen Witzen überrascht. Nicht die leichteste Kost, dafür wunderschön serviert.
Susanne Bormann und Denis Moschitto als liebenswerte Scheidungseltern (Credit: Leiblingsfilm)
Amelie rennt (2017)
Zu sehen am Kinderfilmfestival Steiermark am im Star Movie Liezen (29.11.24, 9:30), Diesel Kino Kapfenberg (28. 11. 24, 9:30h) und im KIZ Royal Kino am 29. 11. 24 um 9h.
Cast:
Amelie: Mia Kasalo
Bart: Samuel Girardi
Sarah: Susanne Bormann
Lukas: Denis Moschitto
Dr. Murtsakis: Jasmin Tabatabai
Steffi: Shenia Pitschmann
Matthias: Jerry Hoffmann
Pit Reuer: David Bredin
Dr. Keller: Christian Lerch
Crew:
Regie: Tobias Wiemann
Autorin: Natja Brunckhorst
Drehbuchmitarbeit: Jytte-Merle Böhrnsen
Kamera: Martin Schlecht
Szenenbild: Johannes Sternagel
Kostümbild: Sabine Keller
Maskenbild: Christina Wagner
Casting: Uwe Bünker, Bibiane Oldenburg
Originalton: Uve Haußig
Sound Design: Florian Holzner
Mischung: Ansgar Frerich
Schnitt: Andreas Radtke
Musik: Tobias Kuhn, Markus Perner