Zwischen Zerfall und Zusammenhalt
Ausstellung: „Unseen Futures to Come. Fall“. Kunsthaus Graz
Text: KUMA-Redaktion - 17.09.2025
Das Kunsthaus Graz eröffnet mit Unseen Futures to Come. Fall eine Ausstellung, die in die Gegenwart passt wie der Herbst ins Jahr: eine Zwischenzeit, in der das Alte vergeht und das Neue noch nicht erkennbar ist. Zwölf künstlerische Positionen fragen nach den brüchigen Fundamenten unserer Gesellschaft und danach, was trägt, wenn Gewissheiten schwinden.
Eindrücklich zeigt dies Vladimir Nikolićs Arbeit 800m. Das Video zeigt einen Schwimmer, der Bahn für Bahn durch den Pool krault. Aus der Distanz wirkt die Projektion wie ein stilles Gemälde, doch bei näherem Hinsehen offenbart sich die Bewegung – geordnet, rhythmisch, und doch jederzeit irritierbar. Ein Sinnbild für die Fragilität von Ordnung in unsicheren Zeiten. Detail am Rande: Der Künstler wollte eigentlich 1000 Meter schwimmen, scheiterte aber bei der Ausnahme an der Kapazität der Speicherkarte. Vladimir Nikolićs vertrat Serbien bei der 59. Biennale in Venedig 2022.
Poetisch und zugleich schmerzhaft ist Dana Awartanis Arbeit I went away and forgot you. A while ago I remembered. I remembered I’d forgotten you. I was dreaming (2017). Tage brauchte die sudi-arabisch-palästinensische Künstlerin, um in einem verlassenen Haus im „europäischem Stil” in ihrer Heimatstadt Djiddah ein Muster aus gefärbtem Sand zu legen – inspiriert von islamischen Fliesen. Minuten nur, um es wegzufegen. Schöpfung und Zerstörung liegen hier dicht beieinander, Erinnerung und Verlust sind untrennbar verwoben.
Sehr viel Emotion steckt hinter der Videoinstallation The Raft (2004) von Bill Viola. Eine Gruppe Menschen, gefilmt in Zeitlupe, wird von mächtigen Wasserstrahlen zu Boden geschleudert. Grenzenloser Schrecken – und dann: Hilfe, Zuwendung, Berührung. Ein zeitloses Bild für Humanität im Angesicht von Katastrophen.

I went away and forgot you. A while ago I remembered. I remembered I’d forgotten you. I was dreaming. (Fotocredit: Dana Awartani)
Radioaktive Wolke aus Glas und Antif-Rugby
Doch auch die anderen Beiträge tragen ihre Schärfe bei: Federico Campagna eröffnet mit einer „Bibliothek der Dämmerungswelten“ ein philosophisches Setting. Jože Tisnikar zeigt in seinem Gemälde Liebe die Zärtlichkeit zweier Figuren – überschattet vom Tod. Yhonnie Scarce lässt 1.300 Glasobjekte als radioaktive Wolke von der Decke hängen: schön, verletzlich, tödlich. Andrej Škufca präsentiert ein techno-organisches Wesen, das zwischen Wachstum und Bedrohung oszilliert. Christoph Grill fängt in Fotografien arktische Landschaften ein, die zwischen Faszination und Bedrohung schwanken. Marija Marković konfrontiert mit einem wütenden Video, das Panik und Beruhigung in paradoxem Wechselspiel hält. Sophie Utikal näht textile Visionen von verletzlichen Unterwasserwesen. Adelita Husni-Bey dokumentiert einen antifaschistischen Rugby-Club als Gegenentwurf zur Vereinzelung. Und zweintopf schicken uns ironisch auf eine „Road to Nowhere“.
Was alle Arbeiten verbindet, ist das Nachdenken über Unsicherheit – und die Frage, wie Gemeinschaft und Fürsorge in einer fragilen Welt möglich sind. Unseen Futures to Come zeigt nicht nur Bruchstellen, sondern auch Möglichkeiten, das Zerbrechliche zu halten. Ein Ausstellungsbesuch, der ins Nachdenken führt – und in den Herbst passt.

Briganti. (Fotocredit: Adelita Husni Bey)
Unseen Futures to Come. Fall
Mit Arbeiten von: Dana Awartani, Federico Campagna, Christoph Grill, Adelita Husni Bey, Marija Marković, Vladimir Nikolić, Yhonnie Scarce (das Projekt der Künstlerin Yhonnie Scarce konnte mit Unterstützung der Australischen Botschaft gezeigt werden), Andrej Škufca, Jože Tisnikar, Sophie Utikal, Bill Viola, zweintopf.
Kunsthaus Graz, Space02,
Laufzeit: 18.09.2025 - 15.02.2026
Öffnungzeiten: Di. bis So.: 10h bis 18h