Zeitgenössische Kunst in einer ehemaligen Destillerie

Ausstellung: Der Bau, steirischer herbst’25

Text: KUMA-Redaktion - 29.09.2025

Rubrik: Kunst
Ahmet Öğüt, Sports Club of the Forbidden Colours (2025), Installationsansicht, mit freundlicher Genehmigung des Künstlers, Foto: steirischer herbst / Mathias Völzke

Ahmet Öğüt, Sports Club of the Forbidden Colours (2025), Installationsansicht, mit freundlicher Genehmigung des Künstlers, Foto: steirischer herbst / Mathias Völzke

Das Herzstück des steirischen herbst’25 ist dieses Jahr in der ehemaligen Schnapsfabrik Bauer angesiedelt, die nach knapp 100 Jahren leider ihren Betrieb einstellen musste. Von Keller bis Dachboden sind hier 21 künstlerische Positionen verteilt, 19 davon sind Auftragsarbeiten.

Die bizarre Ansammlung von Räumen, Treppen, Türen und Sackgassen deutet auf unterschiedliche Lebensweisen und Wertesysteme hin. Und tatsächlich kann es sein, dass man sich in den vielen unterschiedlichen Räumen verliert oder auch eigene Wertesysteme auf den Prüfstand stellt. Das ist aber bei dem Motto der heurigen Festivalausgabe – never Peace again – absolut gewollt. Ein Augenzwinkern, wie man es vom steirischen herbst spätestens seit der Intendanz von Ekaterina Degot gewohnt ist, gibt es trotzdem an allen Ecken und Enden, gerade wegen des schweren Themas. Illya Pavlovs Arbeit We Want Piece verwechselt die Worte und deutet damit auf ebenso spöttische wie bittere Weise, was die Ukraine nach lange versprochenen Verhandlungen erwartet.

Candice Breitz, mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin

Candice Breitz, mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin

Farben und Fahnen

Das Kollektiv zwein.topf hat den BAU mit langen Fahnen samt Sprüchen bestückt. Darauf wurden Wörter, die in den USA kürzlich aus dem öffentlichen Diskurs verbannt wurden, in absurden Kombinationen neu zusammengesetzt. Ziemlich farbenfroh und auch absurd-lustig ist der Raum, der dem Sports Club of the Forbidden Colours (Ahmet Öğüt) gewidmet ist. In manchen Ländern dürfen bestimmte Farbkombinationen nicht gezeigt werden, da sie unerwünschten oder verbotenen Flaggen entsprechen – etwa die Regenbogenfahne in Staaten mit homo- oder transphoben Gesetzenoder die palästinensische bzw. kurdische Flagge. Zu den heutigen politischen Kämpfen gehört es, diese Farben ins öffentliche Blickfeld zu schmuggeln. Ahmet Öğüt verbindet sie mit Nischensportarten wie Bettenrennen, Steckenpferdreiten oder Extrembügeln und macht deren Grazer Vereine zu einem Protestmedium. Ein Sportverein im BAU ermöglicht es Besucher:innen, die verschiedenen Disziplinen kennenzulernen.



Haim Sokol, Scarecrow (2025), Installationsansicht, mit freundlicher Genehmigung des Künstlers, Foto: steirischer herbst / Mathias Völzke

Haim Sokol, Scarecrow (2025), Installationsansicht, mit freundlicher Genehmigung des Künstlers, Foto: steirischer herbst / Mathias Völzke

Escape-Room Feeling

Etwas mehr Zeit braucht die sechsteilige Arbeit Six Characters of Hotel W. Hier erfinden die Schriftsteller:innen Tomer Dotan-Dreyfus, Erich Klein, Miklavž Komelj, Madame Nielsen, Maria Stepanova und Ilija Trojanow das Schicksal von sechs Personen nach – einem Holocaust-Überlebenden, einem NS-Raketenpionier, einer Tänzerin und Kommunistin, einem Ex-Partisanen, einem britischen Offizier und einer Rezeptionistin –, die allesamt aus dem imaginären Hotel W. in Graz verschwunden sind. Die Installationen bedienen die Lust an Spionage-Geschichten und lassen optisch ein wenig Escape-Room-Feeling aufkommen.

Die südafrikanische Künstlerin Candice Breitz beschäftigt sich in ihrer Videoarbeit mit unbequemen jüdischen Stimmen, die das Vorgehen Israels kritisieren. Die Künstlerin selbst wurde in den vergangenen Jahren wiederholt von Ausstellungen in Deutschland ausgeladen, aufgrund ihrer Haltung zum Gaza-Konflikt. Dieser kommt natürlich immer wieder in der Schau vor, zum Beispiel in der Installation Gaza Surf Club (2013/2025) von Stephan Mörsch, der aus Holzstäbchen imaginäre Surf-Clubs im Gazastreifen samt Pepsi-Logo baute.



Elias Holzknecht, mit freundlicher Genehmigung des Künstlers

Elias Holzknecht, mit freundlicher Genehmigung des Künstlers

Momentaufnahmen, Tunnel und Nachtigallen

Das Spannungsfeld Natur und Krieg behandelt die Klanginstallation On Air von Olaf Nicolai. Hier gibt es eine BBC-Aufnahme einer Cello-Nachtigall-Radiosendung, in der sich 1942 britische Bomber eingeschlichen haben. Der Fotokünstler Elias Holzknecht hat den Bezirk Gries, in dem sich der BAU befindet, besucht und sich mit unterschiedlichen Bewohner:innen unterhalten. Seine nüchternen Fotografien dokumentieren Begegnungen mit Migrantenorganisationen ebenso wie mit „echten“ Österreicher:innen in ihren Beisln. 

Wer sich die Arbeit von Gelitin ansehen möchte, muss dafür ganz alleine in das Tunnelnetzwerk im Keller wagen. Es empfiehlt sich, den Besuch im BAU auf mehrere Termine zu legen, da das Gelände schlicht zu groß ist und die Fülle an Informationen zu komplex. Allein die Anlage ist aber auf jeden Fall einen Besuch wert – auch ohne den vielbemühten Begriff Lost Places zu verwenden: Wer wollte nicht immer schon einen Blick hinter die Tore der Schnapsfabrik werfen? Schade ist nur, dass es im Areal keinen Platz zur Stärkung oder zum Ausruhen gibt.

Six Characters of Hotel W., kuratorische Intervention, Foto: steirischer herbst / Mathias Völzke

Six Characters of Hotel W., kuratorische Intervention, Foto: steirischer herbst / Mathias Völzke

BAU

Ausstellung mit Arbeiten von: Carla Åhlander & Gernot Wieland, Angélique Aubrit & Ludovic Beillard, Candice Breitz, Pauline Curnier Jardin, Eva Ďurovec, Gelitin, Pedro Gómez-Egaña, Elias Holzknecht, Max Höfler & Andreas Unterweger, Kurt Jooss, Dana Kavelina, Nástio Mosquito, Stephan Mörsch, Olaf Nicolai, Ahmet Öğüt, Illya Pavlov, Haim Sokol, Mounira Al Solh, Philippe Vandenberg, Maria Vilkovisky & Ruthie Jenrbekova, zwein.topf, Tomer Dotan-Dreyfus, Erich Klein, Miklavž Komelj, Madame Nielsen, Maria Stepanova, Ilija Trojanow. Die Ausstellung ist von 20. September bis 12. Oktober 2025 im BAU (Prankergasse 29–31, 8020 Graz) zu sehen. Der Eintritt ist dank der Unterstützung der Arbeiterkammer Steiermark frei. Die Öffnungszeiten sind Dienstag bis Sonntag von 11:00 bis 19:00 Uhr.
Stephan Mörsch, mit freundlicher Genehmigung des Künstlers

Stephan Mörsch, mit freundlicher Genehmigung des Künstlers

Illya Pavlov, mit freundlicher Genehmigung des Künstlers

Illya Pavlov, mit freundlicher Genehmigung des Künstlers