Szene wehrt sich gegen umstrittene Besetzung des Kulturkuratoriums

Aktuell: Steirische Kultur im Schatten der Politik

Text: KUMA-Redaktion - 17.03.2025

Rubrik: Kulturland Steiermark

Die Vielfalt der steirischen Kulturszene ist gefährdet. Credit: Edi Haberl

Graz – Es rumort in der steirischen Kulturszene. Ein offener Brief, der gestern an Landesrat Karlheinz Kornhäusl ging, macht klar: Die jüngste Neubesetzung des Kulturkuratoriums sorgt für massiven Unmut. Der Vorwurf: mangelnde Transparenz, fehlende Fachkompetenz und ein politisch motiviertes Bestellverfahren.

Die Vergabe einflussreicher Positionen entlang parteipolitischer Linien ist keine Neuheit. Doch diesmal scheint eine Grenze überschritten. Der Brief spricht von einem „handstreichartigen Bestellungsvorgang“ und benennt klar das Problem: Fachwissen scheint weniger entscheidend gewesen zu sein als die richtige Parteifarbe.

Wo bleibt die Vielfalt?

Noch gravierender als die Intransparenz des Auswahlprozesses ist die inhaltliche Schieflage des neuen Gremiums. Stimmen aus der freien Szene fehlen nahezu komplett, regionale Perspektiven sind unterrepräsentiert, mehrsprachige und ethnische Kulturarbeit bleibt außen vor. Auch Expert:innen für zeitgenössische und experimentelle Kunst sind kaum vertreten – und das Geschlechterverhältnis ist erneut unausgewogen. „Ein derart einseitig besetztes Kuratorium wird der Vielfalt des kulturellen Feldes sicher nicht gerecht“, heißt es im offenen Brief. Er wirft damit nicht nur die Frage auf, wie ernst die offizielle Kulturstrategie 2030 noch genommen wird, sondern auch, ob die Landesregierung mit ihrer Personalpolitik eine konservativere, restriktivere Kulturpolitik manifestieren will. Unterzeichnet haben den Protestbrief nicht nur Vertreter:innen der freien Szene, sondern auch zentrale Akteur:innen des institutionellen Kulturbetriebs. Dazu zählen etwa Andrea Vilter (Intendantin Schauspielhaus Graz) und Andreja Hribernik (Leiterin Kunsthaus Graz) sowie die überregional bedeutenden Kulturpersönlichkeiten Elisabeth Schweeger (künstlerische Geschäftsführerin der Kulturhauptstadt Bad Ischl Salzkammergut) und Maschek-Künstler Peter Hörmanseder. Mit über 900 Unterzeichner:innen wird deutlich, dass es sich nicht um einen Einzelkampf weniger Betroffener handelt, sondern um einen breit getragenen kulturpolitischen Widerstand.

Rechtsextreme Nähe? Ein Tabubruch

Besonders alarmierend sind Hinweise darauf, dass einzelne neue Mitglieder des Kuratoriums enge Verbindungen zur rechtsextremen Szene haben. „Mit ihrem Handeln setzen sie sich aktiv für die Stärkung und Verbreitung geschichtsrevisionistischen und rechtsextremen Gedankenguts ein“, heißt es im Brief. Sollte sich dies bestätigen, wäre es eine kulturpolitische Zäsur für die Steiermark – mit unabsehbaren Folgen.

Auch Regisseur und TaL-Leiter Franz von Strolchen (rechts) ist von herben Kürzungen betroffen. Credit: Edi Haberl

Kultur unter finanziellem Druck – Solidarität wächst

Als wäre die Frage der Besetzung nicht brisant genug, thematisieren die Kunst- und Kulturschaffenden auch die aktuellen Budgetkürzungen, die zahlreiche Initiativen existenziell bedrohen. Die Entscheidung darüber, wer wie viel Förderung verliert, erscheine willkürlich und intransparent. Gleichzeitig bleiben öffentliche Statements aus der Landesregierung vage und kalmierend – eine Diskrepanz, die den Vertrauensverlust weiter befeuert. Doch der Widerstand wächst – und mit ihm die Solidarität. Das Schauspielhaus Graz hat als Reaktion auf die Sparmaßnahmen einen zusätzlichen Call für eine Produktion der freien Szene ausgeschrieben, um jenen eine Bühne zu bieten, die von den Kürzungen betroffen sind. Unterstützung kommt auch aus der akademischen Welt. Georg Schulz, Rektor der Kunstuniversität Graz, warnte in einem offenen Brief vor den langfristigen Schäden, die diese Sparmaßnahmen für Graz als Kunst- und Kulturstandort bedeuten. Die freie Szene, so Schulz, sei für Studierende essenziell, um sich zu vernetzen und künstlerisch weiterzuentwickeln. Ein rigoroser Abbau dieser Strukturen würde das kulturelle Ökosystem der Stadt irreversibel beschädigen. In einer österreichweiten, spartenübergreifenden Aktion unterstützten bereits (Stand 16. März) über 750 Künstler:innen und in Kultur tätige Menschen sowie 170 Kunst- und Kultureinrichtungen aus allen Kunst- und Kultursparten und aus allen Bundesländern die Solidaritätserklärung, die von Gerhard Ruiss (IG Autorinnen Autoren) und Yvonne Gimpel (IG Kultur Österreich) initiiert wurde. Die breite Unterstützung aus unterschiedlichsten Bereichen zeigt, dass der Protest längst nicht mehr nur auf die Steiermark beschränkt ist.

Warten auf eine Reaktion

Die Forderung der Protestierenden ist eindeutig: Das kürzlich bestellte Kulturkuratorium soll erneut umbesetzt werden. Ob die Landesregierung darauf reagieren wird, bleibt abzuwarten. Doch eines zeigt sich bereits jetzt: Die steirische Kulturszene wird sich nicht still zurückziehen.

Als nächsten Schritt ruft sie am 20. März unter dem Motto „KULTUR LAND RETTEN“ zur Demonstration am Grazer Europaplatz auf. Ab 18:00 Uhr werden Künstler:innen, Kulturarbeiter:innen und Unterstützende gemeinsam auf die Straße gehen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Die steirische Kulturlandschaft ist in Gefahr – und der Protest wächst. Der Kampf um die Zukunft der Kultur hat also begonnen.

Offener Brief der Kulturszene Steiermark