„Ich bin Unternehmenskünstler”

Porträt: Reinhard Gussmagg, VISION LAB

Text: KUMA-Redaktion - 15.01.2025

Rubrik: Design

Credit: Oliver Wolf

Reinhard Gussmagg zeichnet die Zukunft von Unternehmen in großen Bildern. Mit dem VISION LAB am Grazer Stadtrand hat er auch einen analogen Ort für kreative Geister geschaffen. Demnächst findet hier ein KI-Filmfestival statt.

In unmittelbarer Nähe zum Stadion in Liebenau gibt es seit einigen Jahren eine – dank Glasfronten auch nach außen hin – optisch aus dem Rahmen fallende Location, das VISION LAB von Reinhard Gussmagg. Der Name ist in doppelter Hinsicht Programm: Denn hier werden Vorstellungen und innere Bilder zu teils großformatigen Wandmalereien und Zeichnungen. „Ich bin Unternehmenskünstler, meine Arbeit ist die Visualisierung von allem, was ein Unternehmen ausmacht, wie es funktioniert und sich entwickelt.“ Der „Firmenporträtist“ kommt nicht aus dem Kunstbereich, sondern ursprünglich aus der IT-Industrie, wo er selbst jahrelang im Management tätig war. Eines Tages hat er mehr Zeit mit dem Reporting an die Konzernebene als mit den Kundinnen und Kunden verbracht, der Frust darüber führte zum Ausstieg, nicht ohne bereits eine Geschäftsidee im Hinterkopf zu haben: „Mir ist aufgefallen, dass die Unternehmen in den Empfangs- und Begegnungsbereichen nichtssagende Fotos von Firmengebäuden oder dergleichen hängen hatten. Also nichts, was ausdrückt, wofür die Firma steht.“ Reinhard Gussmagg konnte schnell Firmen für seine Idee von großformatigen (Wand-)Bildern als visuelle Visitenkarte gewinnen.

Reinhard Gussmagg, Visual Storytelling

 Kommunikation in (Wimmel-)Bildern

Bald entdeckte der autodidaktische Zeichner und Maler, dass sich seine Freude am visuellen Gestalten und seine Einblicke und Erfahrungen in der Privatwirtschaft gut kombinieren ließen. Als Unternehmensberater arbeitet er mit der Kreativmethode Design Thinking und bietet Workshops und Coachings in den Bereichen Organisationsentwicklung, Strategie und Visionsarbeit an. In diesen Feldern, in denen sich viel um Kommunikation dreht, kann die visuelle Sprache für Klarheit sorgen, und die sei dringend gefordert, wie Reinhard Gussmagg erklärt: „Die Wirtschaft und damit die Unternehmen stecken in Transformationsprozessen, die so komplex sind, dass sie nur schwer über Beschreibung oder Erklärung zu vermitteln sind. Über ein ‚Big Picture‘ schafft man eine grobe Orientierung und initiiert Dialog“. Mittlerweile hat der Künstler und Unternehmensberater sich von so namhaften wie unterschiedlichen Klienten wie Mercedes-Benz, Microsoft, Lebensgroß oder Kärcher im buchstäblichen Sinne ein Bild gemacht, rund 500 solcher Firmenporträts sind in den vergangenen zehn Jahren entstanden. „Ich verwende Kunst als Instrument, um Denkprozesse und die strategische Entwicklung im Unternehmen zu unterstützen.“ 

Credit: SAP

Chatbot als Lehrling & kreative Zukunft

Digitalisierung spielt mittlerweile nicht nur in den Unternehmen, die er berät, eine große Rolle, sondern auch in einem Gutteil seiner Arbeit. Während er früher ausschließlich „analog“ gezeichnet hat, nutzt er nun großteils digitale Techniken, die ihm mehr Flexibilität ermöglichen, und schaut sich an, wie sich die KI als sein Lehrling entwickelt. Kann die KI sein Geschäftsmodell angreifen? Noch nicht, aber vielleicht bald: „Das Ding ist unterwegs, wird immer größer und nimmt jetzt erst richtig Fahrt auf. KI wird unglaublich viele Jobs ersetzen. Natürlich werden sich andere Jobs herausbilden, aber diese Umbrüche muss man gesellschaftlich einmal verkraften.“ Die Erfahrungen aus seinen Arbeitsprozessen, konkret aus seiner Zusammenarbeit mit Microsoft, haben Reinhard Gussmagg sogar zu einem Artbook inspiriert. Unter dem visionären Titel „Imagine“ hat er eine Art „Märchenbuch für Manager“ konzipiert, das die Fantasie von Führungskräften beflügeln soll. „Fantasie, Kreativität, Empathie und Intuition sind jene Fähigkeiten, die die KI nicht draufhat und genau die benötigen wir in diesen großen Transformationsprozessen“, ist Reinhard Gussmagg überzeugt. 

Credit: Christian Iberer

Progression statt Regression

Gleichzeitig ist Reinhard Gussmagg überzeugt davon, dass es keinen Sinn ergibt, sich dem technischen Fortschritt zu verweigern; Neugier, aktives Gestalten und eine progressive Haltung hält er für zukunftsweisend. So veranstaltet er demnächst ein KI-Filmfestival im Vision Lab, das KI-generierte Reels präsentiert. Gerade in Zeiten des Umbruchs reagierten viele Menschen mit Ängsten und agierten vorsichtiger und konservativer. „Oft passiert dann, dass man die Vergangenheit in die Zukunft projiziert, nach dem Motto, was sich bewährt hat, belässt man. Aber das funktioniert nicht mehr, weil die Welt komplexer geworden ist.“ Durch seine Zusammenarbeit mit Zukunftsforscher:innen hat er Einblicke in eine zunehmende Anzahl von unbekannten Störeinflüssen bekommen. Der Klimawandel oder ganz konkret und aktuell Trump als U.S.-Präsident verändere auch für die europäische Wirtschaft branchenabhängig die Szenarien. „Unternehmen müssen sich heute ganz stark überlegen, wie sie ihre Geschäftsmodelle ausrichten, Szenarienarbeit ist das Gebot der Stunde“, erläutert Reinhard Gussmagg und bezeichnet sich selbst als „Profiteur“ des steigenden Bedarfs an Komplexitätsmanagement.

Reinhard Gussmagg, Auftraggeber: Lebenshilfe/Lebensgroß

Labor der Visionen

Für seine ganz persönliche Zukunft wünscht sich Reinhard Gussmagg vorwiegend Zeit, um – auch ganz ohne Auftrag – vermehrt analog zu malen und die eine oder andere neue Idee zu realisieren. Stillstand ist auch beruflich keine Option für ihn. Dass seine Zeichnungen auch in anderen Kulturkreisen gut ankommen, hat er als Feedback seiner international tätigen Auftraggeber erhalten. Nun interessiert es ihn, auch physisch über Europa hinauszugehen und seine Reiselust mit seiner Arbeitslust zu verbinden. Der „Unternehmenskünstler“ kann sich ein – zumindest temporäres – berufliches Nomadentum gut vorstellen: „Wenn ich in Rio de Janeiro eine Firma habe, die ich zeichne, weil das Headquarter vielleicht in Deutschland ist, dann Miami als nächste Station besuche und dazwischen Zeit habe, um mich selbst dort umzuschauen, in diese Kultur einzutauchen, würde mich das reizen“. Seine Homebase bleibt aber das VISION LAB in Graz, wo er selbst Coachings und Workshops anbietet, sich kreativ austobt und veranstaltet. Auf Anfrage bietet er den wandlungsfähigen Raum auch zur Miete an. Nicht nur für Business-Meetings oder Coachings eignet sich das Lab mit den XL-Wandmalereien, eigenem Atelier und bestückt mit modularen Möbeln. Auch kleinere Vorträge, Lesungen oder kulturelle Veranstaltungen für bis zu 60 Personen sind hier in einem speziellen Rahmen umsetzbar. Oder man schaut einfach mal vorbei und macht sich selbst ein Bild von Reinhard Gussmaggs Kreativ-Visionen. Ein nächster guter Anlass ist der Kick-off des KI-Filmfestivals 2025 in Kooperation mit Creative Industries Styria am 21. Jänner ab 17.30. Nähere Informationen: Gussmagg -art

Das VISION LAB von innen ... Credit: Christian Iberer