Theater im Zeitalter der KI: Wer spricht hier wirklich?

Nachgefragt: Maschinengespräche, Digithalia

Text: Robert Goessl, Sigrun Karre - 18.03.2025

Rubrik: Theater

Credit: Lex Karelly

Hinter dem Stück Maschinengespräche steht ein interdisziplinäres Team, das in Kooperation mit der Kunstuniversität Graz ein besonderes Theaterexperiment realisiert hat. Die Uraufführung fand bereits 2024 in der Konsole des Schauspielhaus Graz statt, nun ist die Produktion beim Festival für virtuelle Theaterformen Digithalia zu sehen. KUMA hat bei einem Teil des Teams, Autorin und Dramaturgin Kristina Malyseva, Jost von Harleßem von F. Wiesel (Konzept, technische Gestaltung) und Software-Entwickler Benedikt Mildenberger nachgefragt, die Antworten sind im Kollektiv entstanden.

In Maschinengespräche begegnen sich Mensch und KI. Wie prägt das Digitale die Dramaturgie des Stücks? Entsteht ein echter Dialog auf Augenhöhe – oder zeigt sich eine unüberwindbare Grenze zwischen menschlicher und maschineller Sprache?

In „Maschinengespräche“ löst das Digitale traditionelle Grenzen im Theater auf – es eröffnet einen Raum, in dem Mensch und Maschine gleichermaßen zu Akteur:innen werden. Hier verschwimmen nicht nur die Grenzen zwischen den Sprachen, sondern auch die zwischen menschlicher und maschineller Ausdrucksweise. Die dramaturgische Struktur des Abends haben wir mithilfe der von Benedikt Mildenberger und Kristina Malyseva erfundenen und programmierten KI-Bots in den Proben erarbeitet. Dabei hat eine KI die Anweisung, Texte für Menschen mit vorgegebenen Charakterprofilen zu erstellen, die dann von den Schauspieler:innen gesprochen und interpretiert werden. Gleichzeitig generieren sie auch Texte für KI-Interaktionen – ein Kontrast, der sich besonders im Warren/Mensch-Dialog zeigt und in der noch stärkeren Vermischung von Mensch- und KI-Sprache in der Szene mit Eva. Der Inhalt und die Bewegungen der Schauspieler*innen werden in jeder Inszenierung neu generiert und über In-Ear-Kopfhörer an die Akteur:innen übertragen, damit beeinflusst die Digitalität maßgeblich die Wahrnehmung der Inszenierung. Die KI-Generierung unserer Texte und Bewegungen macht sichtbar, wie Sprache sowohl als Algorithmus als auch als ein emotionales Medium funktionieren kann. Es entsteht ein Dialog, der nicht nur auf Worte reduziert ist, sondern durch die Stimmen und den Körper der Schauspieler:innen als authentisch und tiefgründig wahrgenommen wird. Während der Mensch in seiner Verletzlichkeit und Emotionalität überzeugt, bringt die KI ihre algorithmische Präzision und Unendlichkeit an möglichen Narrativen einer Erzählung ein. Diese Verbindung führt zu einem „Dialog auf Augenhöhe“, der zeigt, dass beide Einheiten – trotz ihrer unterschiedlichen Ursprünge – in der Lage sind, einander zu bereichern. Doch gerade diese Vermischung enthüllt auch die Herausforderung: Die maschinell generierte Sprache, so klar und exakt sie erscheint, bleibt ohne einen Gesamtkontext und die Fantasie der Zuschauer:innen letztlich ein Konstrukt. Das Digitale folgt der geprobten Struktur des Abends, aber das Worldbuilding, also wo das Stück genau spielt, was die Figuren machen und ihre Hintergründe werden Abend für Abend neu erstellt und diese Texte existieren erst einen Bruchteil, bevor die Schauspieler:innen sie aussprechen. Das ist erst einmal wahnsinnig spannend und angenehm unvorhersehbar. Es entsteht ein gewisses Driften durch einen Text, den alle dunkel kennen; wir wissen, was in etwa passieren wird, wie lang der Abend geht und was grundsätzlich erzählt wird, aber wie genau der Weg verläuft, entscheidet der Text und die Rückmeldungen der Chatbots jeden Abend neu.  Ebenso erhält die KI genauso wie die Schauspieler:innen nach jeder Vorstellung auch Feedback über das, was gut lief, was nicht funktioniert hat und wo neue Wege gesucht werden. So bleibt der Text lebendig und entwickelt sich mit jeder Vorstellung weiter! 

Credit: Lex Karelly

Welche zentralen Fragen oder Erkenntnisse über künstliche Intelligenz und Kommunikation stellen das Stück in den Mittelpunkt?

Unsere Inszenierung rückt die zentrale Frage in den Fokus, ob eine KI wirklich als autonome, emotional resonante Partner:in agieren und sich an die Tiefen menschlicher Kommunikation annähern kann. Dabei konnten wir beobachten, wie Technologie als aktive Mitgestalter:in unser Kommunikationsverhalten beeinflusst und damit uns auf einer emotionalen Ebene lenkt, auch wenn sie nicht alle Nuancen menschlicher Gefühle vollständig erfasst. Gleichzeitig stellten wir fest, dass künstliche Intelligenzen überraschende Ansätze in der Darstellung von Emotionen entwickeln, die über das rein Mechanische hinausgehen.  Auch untersuchen wir in Maschinengespräche, ob die digitale Logik mit menschlicher Intuition auf der Bühne verschmelzen kann und welche Implikationen das für unsere Identität hat. Der Aspekt, dass Technologie nicht nur ein Werkzeug ist, sondern ein aktiv-formender Teil unserer Selbstwahrnehmung, war eine wichtige Erkenntnis. Damit möchten wir das Publikum auffordern, die Grenzen zwischen organischer und digitaler Existenz kritisch zu reflektieren. (Und natürlich wollten wir einen prüfenden Blick auf gängige KI-Modelle wie ChatGPT und Gemini werfen. Die ein bestimmtes ethisches Idealbild eines Menschen vermitteln. Obwohl wir auch festgestellt haben, dass diese Modelle bereit sind, dieses angesichts von Drohungen und Herausforderungen wieder zu verwerfen.)

Auf welcher konkreten Textbasis baut die Inszenierung auf – ging sie über die Entwicklung der acht Charaktere und eines initialen Prompts hinaus?

In erster Linie haben wir acht unterschiedliche Bots gebaut. Diese Charaktere wurden mit den Schauspieler*innen, basierend auf einem umfangreichen Fragebogen, kreiert. Zusätzlich gibt es einen Bot für Warren, unseren herrschenden Avatar, sowie einen weiteren, der entsteht, wenn Warren mit dem Charakter der Rolle Eva verschmilzt, und ein Bot ist alleine für die Bewegungen der Schauspieler:innen auf der Bühne zuständig. Diese Digitale Agent*innen werden Abend für Abend in verschiedene, von einer KI generierte Welten transportiert.  Für die gesamte Aufführung hat Benedikt eine Software programmiert, die in neun Szenen unterteilt ist, wobei jede Szene ihren eigenen Prompt und ihre eigene Struktur besitzt. Mal unterhalten sich zwei Bots, mal interagiert ein Bot mit einem Menschen, und in den Szenen mit Warren steuert der Code sowohl den Dialog als auch die Transformation des Avatars von Warren in Eva. Den Rahmen für die Inszenierung setzte Kristina mit ihren beiden chorischen Texten und der abschließenden Unterhaltung aller am Ende der Aufführung. Diese Texte sind die einzigen festen Textpassagen, die jeden Abend gleich bleiben und somit den Kontext des Abends bilden.  Marcus brachte die Schauspieler:innen mit der Technologie zusammen und ermöglichte ein Labor auf der Bühne zum Erforschen und Ausprobieren. Damit war die Grundlage unserer Inszenierung ein Handlungsverlauf als eine Textbasis. 

Credit: Lex Karelly

Die KI schreibt live am Skript von Maschinengespräche mit, jeder Abend nimmt eine neue Wendung. Welche unerwarteten Herausforderungen oder Überraschungen sind dabei entstanden?

Die Live-Generierung des Skripts hat uns immer wieder mit spontanen Wendungen in den Proben konfrontiert. Zum Beispiel hat die KI humorvolle oder absurde Dialogmomente eingebracht, die weder wir noch das Ensemble vorausgesehen hätten. Andere Male führten unvorhergesehene tiefgründige Interpretationen der KI zu „Mensch und Gesellschaft“ zu überraschenden philosophischen Reflexionen, die den Charakteren neue Dimensionen verliehen.  Und selbstverständlich traten auch technische Herausforderungen auf – etwa Verzögerungen in der Textausgabe. Die Suche nach passenden Prompts für die richtige Mischung zwischen kreativer Freiheit für die KI unter gleichzeitiger Verfolgung der Ziele einer Szene hat viel Tüftelei abverlangt. All das stellte das Zusammenspiel von Mensch und Maschine auf die Probe, aber bereicherte letztlich den künstlerischen Prozess.

Gab es Reaktionen aus dem Publikum, die euch besonders überrascht oder berührt haben?

Die Besucher:innen berichteten uns, dass für sie die Grenze zwischen generierter Sprache und natürlicher Sprache der Schauspieler:innen nicht mehr zu erkennen ist. Es ist nicht mehr ersichtlich, von wem welcher Text kommt. Das zeigt uns, wie gut die heutigen generativen KIs bereits sind und damit auch, wie einfach die Manipulation der Sprache geworden ist.
Konzept: Marcus Lobbes, F. Wiesel (Jost von Harleßem, Hanke Wilsmann)
Regie: Marcus Lobbes
Technologische Dramaturgie: Kristina Malyseva
Technische Gestaltung: Jost von Harleßem,Hanke Wilsmann
Kostüme: Philipp Glanzner
Avatare und Motion Capture: Florian Gamillscheg
Dramaturgie: Male Günther
Software-Entwickler: Benedikt Mildenberger