#kulturlandredet – Kultur bleibt im Gespräch
Kurz notiert: Freie Szene übergibt Petition
Text: Sigrun Karre - 05.06.2025
Zwei Petitionen wurden am 4. Juni im Literaturhaus Graz an Kulturlandesrat Karlheinz Kornhäusl übergeben. Die freie Szene fordert Transparenz, strukturelle Gerechtigkeit – und eine faire Verteilung im Kulturbudget. Gemeinsam mit der Politik werden nun auch neue Wege zur Finanzierung diskutiert.
Graz, 5. Juni. Zwei Petitionen, ein gemeinsames Anliegen: die freie Kunst- und Kulturszene in der Steiermark besser absichern. Die Initiative #kulturlandretten überreichte ihre Petition als Papierstapel: 11.611 Mal wurde gefordert, Kultur zu sichern. Parallel dazu reichte Gerhard Ruiss, Geschäftsführer der IG Autorinnen Autoren, eine weitere Petition ein – unterzeichnet von rund 300 Institutionen und etwa 1.300 Künstler:innen. Gerhard Ruiss betonte in seinem Redebeitrag die Bedeutung der steirischen Kulturlandschaft für das kulturelle Gefüge Österreichs. Als „Außenstehender“ mit tiefem Einblick würdigte er die über Jahrzehnte gewachsene Strahlkraft von Graz in Kunst und Kultur – weit über die Landesgrenzen hinaus.
Zahlenspiele und offene Fragen
Zum Auftakt ging es um eine zentrale Zahl: 1,89 Millionen Euro – jene Restsumme im Kulturbudget 2025, die laut Berechnungen der IG Kultur Steiermark zur Verfügung stehen müsste. Simon Hafner, Vorstandsmitglied der IG Kultur Steiermark, forderte Transparenz über deren konkrete Verwendung. Patrick Schnabl, Leiter der mit Kultur befassten Abteilung 9 des Landes Steiermark, sprach hingegen von einer deutlich geringeren Summe, die zudem bereits für Förderungen in den Bereichen Publikationen, Gastspiele und Tourneen reserviert sei. Man einigte sich darauf, die Zahlenbasis in einem weiteren Termin gemeinsam zu überprüfen.

Gerhard Ruiss überreicht LR Kornhäusl die Petition der IG Autorinnen Autoren (Fotocredit: Wolfgang Rappel)
Zwischen Ideal und Wirklichkeit
Karlheinz Kornhäusl betonte, dass ihm die steirische Kunst und Kultur „am Herzen“ liege. Gerade „in Zeiten, die mir Kopfzerbrechen machen“, erkenne er ihr demokratieförderndes Potenzial. „Mit der freien Szene werden wir das Budget nicht retten“ – für dieses Eingeständnis erntete der Landesrat kurzen Applaus. Das Aber folgte: Die aktuelle Lage sei angespannt – nicht zuletzt deshalb, weil viele Gemeinden als Kulturförderer wegfielen. Das führe zu einem wachsenden Druck auf das Land Steiermark, diese Ausfälle zu kompensieren. „Irgendwer wird Einschnitte hinnehmen müssen“, so Kornhäusl, radikale Kürzungen werde es nicht geben. Simon Hafner wies in der Diskussion auf eine strukturelle Schieflage hin: „Es geht hier nicht um eine Neid-, sondern um eine Gerechtigkeitsdebatte: Die Budgets von Institutionen werden indexangepasst, die der freien Szene nicht.“ Kulturlandesrat Kornhäusl pflichtete ihm bei und sprach offen von einem „Fehler im System“.
Warnung vor dem Verlust kultureller Substanz
Robin Klengel, Mitinitiator von #kulturlandretten, moderierte die Veranstaltung und warnte vor dem Schaden, der durch den Wegzug junger Künstler: innen entstehe. Lisa Höllebauer, Autorin und Kulturarbeiterin, ergänzte: „Viele hören einfach überhaupt auf, Kunst zu machen.“ Zur Sprache kam auch der langfristige Wert kultureller Aufbauarbeit. Andrea Dörres von Das andere Theater – der Interessensvertretung der freien Theaterszene der Steiermark kritisierte eine mangelnde fachliche Fundierung im Kulturkuratorium: „Man will Innovationen – und ‚alte Projekte‘ offenbar loswerden.“ Martina Kolbinger-Reiner, Mitbegründerin des Mezzanin Theaters, das sie an eine jüngere Generation übergeben hat, erinnerte: „Die Politik hat 35 Jahre in unser Theater investiert, da ist ein Wert und Nutzen entstanden – das könnte alles verloren gehen.“ Einen Widerspruch zwischen der Förderung junger Initiativen und dem Erhalt gewachsener Projekte sieht Simon Hafner nicht – im Gegenteil: Beides sei notwendig für ein vielfältiges und zukunftsfähiges Kultursystem. Mehrere Stimmen betonten in diesem Zusammenhang auch den Wert intergenerationeller Arbeit – nicht nur als strukturelle Übergabe, sondern als gelebte Praxis in vielen Kulturinitiativen.

Fotocredit: Wolfgang Rappel
Reformen und Ideen
Ein erster Reformschritt ist in Planung: Noch in diesem Jahr soll das steirische Kunst- und Kulturgesetz novelliert werden – das neue Gesetz soll 2026 in Kraft treten. Vertreter:innen der freien Szene, darunter #kulturlandretten und Mitglieder der Fachbeiräte, sollen in den Ausarbeitungsprozess eingebunden werden. Darüber hinaus brachte Landesrat Kornhäusl neue Finanzierungsmodelle zur Sprache – etwa eine nächtigungsbezogene Abgabe, ein „Nächtigungs-Euro“, der zweckgewidmet unter anderem dem Kulturbudget zugutekommen könnte. Aus der freien Szene kam in diesem Zusammenhang der Appell, den Dialog ressortübergreifend zu führen – also auch dort, wo Kultur querfinanziert werden kann. Trotz teils klarer Kritik verlief die Veranstaltung sachlich und dialogorientiert. Die freie Szene formulierte ihre Anliegen pointiert, aber konstruktiv. Landesrat Kornhäusl betonte, dass er den Austausch mit der Szene schätze und blieb über die angesetzte Zeit hinaus. Die Gesprächsreihe soll nun regelmäßig weitergeführt werden – vorerst wöchentlich, jeweils am selben Ort zur selben Zeit.