Kleinfamilienhölle im Kristallwerk

Kritik: Who wants to be the mum?, Planetenparty Prinzip

Text: Lydia Bißmann - 25.09.2023

Rubrik: Theater

Alexander Benke Nora Köhler und Victoria Fux scheitern an einem zynischen System. Credit: Clemens Nestroy

Scheitern in wundervollem Ambiente zeigt das Stück “Who wants to be the mum?” des Kollektivs Planetenparty Prinzip im Kristallwerk. Unter der Regie von Miriam Schmidt setzen sich dabei Alexander Benke, Victoria Fux und Nora Köhler mit der Pflicht oder Kür der Reproduktion auseinander.

Mutterschaft hat es in sich. Manche wollen unbedingt, dürfen oder wollen nicht, andere haben schlicht keine Lust drauf und müssen sich dafür rechtfertigen. Das Planetenparty Prinzip hat sich dem Thema sehr diffizil und gut durchdacht angenommen. In einem mintfarbenen Setting, bei dem sogar die Mini-Monstera Farbe abbekommen hat, wird im Sitcom-Stil eine ganz normale Kleinfamilie-Szene nachgespielt. Mehrmals oder sehr oft. Die drei Darsteller*innen, gekleidet in knalliges Lachs und Orange, wechseln dabei ihre Rollen und geben Vater, Mutter und Kind jeweils einen ganz eigenen Dreh. Wer aber glaubt, dass reiner Rollenrausch hier schon die halbe Miete ist, hat sich getäuscht. Durch die ständige Wiederholung, die durch Videoeinspielungen aufgelockert wird, bleibt viel Platz für Untertöne und Nichtgesagtes. Kleine Alltagsgesten wie das Abräumen des Esstisches oder das Entspannen auf dem Sofa bekommen hier eine bedrohliche Aufladung, jeder Blick, jede Geste hat eine Bedeutung, die wir nur zu gut kennen. Dafür braucht es eben spielerisches Können, von dem beim Stück mehr als genug vorhanden ist. Victoria Fux gefriert das Lächeln sekündlich mehr auf den Lippen, bevor ihre Figur allmählich beschließt, in die innere Immigration zu verschwinden und sich Einrichtungsfantasien hinzugeben. Nora Köhler will einfach nicht: keinen Heringsalat, nicht gemeinsam am Tisch essen, nicht mit einem Baby im Bett schlafen, nicht zum Kinder-Auer. Alexander Benke, als überdrehter Stereotypen-Papa und auch sensibler Mann mit Bindungssehnsucht, absolviert seine Loser-Rolle tapfer und mit ganzem Herzen, bekommt dafür aber keine Lorbeeren von den Frauen und findet einen sehr originellen Weg, final durchzudrehen. Alle drei kämpfen auf ihre eigene Art gegen ein System, das man nicht bekämpfen kann. Das Scheitern ist individuell und absurd-komisch. Das Mutterstück, das trotz des komplizierten Themas auch lustig ist, besticht mit sparsamen, gut inszenierten Dialogen und Darstellungen, authentischer Alltagssprache und virtuos eingesetzten Details im Text und in der Ausstattung. Die Wiederholung als Werkzeug funktioniert bestens und gibt dem Stück einen Hauch von antiker Poesie, auch wenn das Comedy-Element scheinbar dominiert. Es ist noch bis Oktober im Kristallwerk und ab dem kommenden Jahr im Theater am Werk in Wien zu sehen.
Who wants to be the mum? von Planetenparty Prinzip ist eine Kooperation mit dem steirischen herbst ’23 und dem Theater Petersplatz, Wien. Regie: Miriam Schmid Performance: Alexander Benke, Victoria Fux, Nora Köhler Bühne und Kostüm: Lisa Horvath Bühnenassistenz: Selina Grasser Dramaturgie: David J. Wimmer Kamera: Vincent Seidl, David J. Wimmer Regie- und Produktionsassistenz: Andrea Meschik Produktionsleitung: Alexander Benke Technik: Tom Grassegger