Das Hexeneinmaleins

Kritik: La Strada-Produktion von Follow the Rabbit

Text: Dagmar Müller - 03.08.2022

Rubrik: Theater

Credit: Follow the Rabbit

Follow the rabbit performt im Rahmen von La Strada “Fear the Women in the dark”. Im wunderbar idyllischen Park des E-Werks Gösting wird ein Hexenzauber zelebriert, der die Grenzen zwischen Natur und Frau verschwimmen lässt.

Direkt hinter der stark befahrenen Wienerstraße verbirgt sich ein gar nicht kleiner Park mit Teich und schönem Altbaumbestand im Privatbesitz des E-Werks Gösting. Ein vorerst nicht sichtbarer Erzähler (Martin Brachvogel) beginnt in der Dunkelheit zu erzählen. Ein wenig erinnert die Anfangsszene an “Hänsel und Gretel”, wenn eine alte Hexe, sehr authentisch dargestellt von Nadja Brachvogel, ihre Scheibtruhe grantig über die Wiese vor ihrer Hütte schiebt und jeden Baum mit einem Schimpfwort bedenkt. Sie ist genervt, der bereits fortgeschrittene körperliche Verfall macht ihr zu schaffen, die sie umgebende Natur bereitet ihr nur mehr Ärger und auch der Erzähler erzählt nicht so, wie sie es gerne hören würde. Kurzerhand wird er vom Baum geschüttelt und wird somit im wahrsten Sinne des Wortes entblößt. Durch einen Elektro-Zauber purzeln zu allem Überfluss noch zwei jüngere Alter Egos zwischen den Bäumen hervor. Der anfängliche Neid auf die jüngeren Konkurrentinnen weicht einer Verbundenheit, die ein neues Erfahren der (weiblichen) Natur für die alte Hexe möglich macht. Plötzlich fühlt auch sie sich wieder stark und wild. Die Alte feiert mit der Mittleren (Maja Karolina Franke) und der Jungen (Antonia Orendi) wilde Orgien in und mit der Natur, hemmungslos und befreit von allen Konventionen. Lust und Sexualität werden archaisch im Einklang mit dem Tierischen erlebt. In Szene gesetzt werden sie dabei mittels fantastischer Kostümen und Luftkunstwerken von Lisa Horvath. Unter der Regie von Simon Windisch verschwimmen Körpergrenzen und Reales mit Fantastischem. Tanz und Akrobatik sind ebenfalls vorkommende Elemente, wie klassischer Gesang (Jutta Panzenböck) und atmosphärische Elektroklänge (Robert Lepenik). Den Höhepunkt des kultigen Treibens liefert schließlich ein “Eiertanz”, der für die alte Hexe mit dem Verlust der Fruchtbarkeit endet. Follow the rabbit schafft in Zusammenarbeit mit Simon Windisch im Rahmen von La Strada einen durchaus kurzweiligen Sommernachtstraum. Das Urweibliche wird in einem Stück Natur mitten in Graz in bester Straßentheatermanier gekonnt zelebriert.