Naturgemäßer Verlust von früheren Idealen

Kritik: Käsekrainer im Haifischbecken, Theater im Keller

Text: Robert Goessl - 28.11.2024

Rubrik: Theater

Credit: Wegscheidler/TiK

Zwei Paare besuchen ein Thomas-Bernhard-Stück auf Einladung eines alten Freundes, um danach auf sein Schloss zu fahren und dort mit ihm seinen sechzigsten Geburtstag zu feiern. So harmlos beginnt Martin G. Wankos neuestes Stück, doch er lässt dabei zwei Paare aufeinandertreffen, die etwas im Leben erreicht haben, und ihre Ideale aus der Jugend nur mehr als nette Erinnerungen in sich herumtragen. Und so nimmt der Abend einen etwas anderen Verlauf. „Naturgemäß“ würde Thomas Bernhard dazu sagen und ebenso naturgemäß führt Alfred Haidacher im Theater im Keller Regie.

Leider ist der alte Freund Freddy (Herman Tödtling) für den Theaterbesuch verhindert und so übergibt ihnen sein Diener Samuel (Leo Weingerl) eine Wegbeschreibung per analoger Straßenkarte, denn am letzten Teil des Weges gibt es keinen Internet-Empfang. Obwohl das Stefan für (Alexander Lainer) und Elke (Tamara Belic) und Harry (Alfred Haidacher) und Hilde (Stephanie Laurich) etwas merkwürdig wirkt, begeben sie sich per Motorrad und Auto auf den Weg dorthin.

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Ein Schloss am Ende der Welt

Dort angekommen, werden sie vom Diener empfangen und kommen auch miteinander ins Gespräch über alte Zeiten. Seinerzeit 1984 waren sie bei der Besatzung der Hainburger Au dabei und in ihrem Zelt wurde dabei auch die freie Liebe praktiziert, was zu kleinen Beziehungsunstimmigkeiten im Hier und Jetzt führt. Auch scheint die verstorbene Frau Franzi des Gastgebers (als Stimme Veronika Olschnegger) irgendwo noch im Schloss ihr Unwesen zu treiben, denn hin und wieder lässt sie von sich hören. Etwas Unwirkliches scheint da vor sich zu gehen. Doch lassen sich die vier davon nicht beeindrucken, denn die alten Freunde sind nicht nur wegen der Feier hier, sie wollen auch, dass der reiche Freddy in ihre Projekte investiert. Die Chemikerin Elke hat eine neue Plastikformel entwickelt, für deren Weiterentwicklung sie Geld benötigt, und Harry möchte, dass Freddy in sein Luxus-Urlaubsresort sein Geld hineinsteckt.

Credit: Wegscheidler/TiK

Eine Feier zwischen Vergangenheit und Zukunft

Freddy zeigt sich etwas spröde und lässt die Paare zunächst etwas auflaufen, denn sein Credo ist, dass er, nachdem er zu Reichtum gekommen ist, der Menschheit davon etwas zurückgeben will. Aber es fließt der Bio-Sekt und Bio-Wein in Strömen, und so werden die Anbiederungsversuche zeitweise etwas peinlich, man demaskiert zusehends seinen Charakter und betreibt schonungsloses Greenwashing. Aus dem seinerzeitigen Spiel der freien Liebe wird ein kapitalistisches Spiel der freien Kräfte, das an Freddy abzuprallen scheint. Der Diener betreibt ein Spiel im Spiel und hat die Macht für das Publikum, die Zeit stillstehen, aber auch vorspulen zu können. Dabei kommentiert er auch immer wieder die Situation, als wären die Paare in diesem Spiel gefangen und einfach nur Figuren, die vorgeführt werden.

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Ein lächerliches Spiel um Geld mit ernstem Hintergrund

Entsprechend führt Freddy die beiden Paare vor, doch er ist bereit zu investieren, jedoch nur in einer der beiden Projekte. Er spielt seine Spielchen mit ihnen, zeigt dabei unverhohlen seine Macht, doch sie machen alkoholgeschwängert mit, denn sie haben keine Wahl, denn sie brauchen sein Geld. Sie wissen nicht, dass Freddy mit ihnen andere konsequentere Pläne hat, bei denen er niemanden schont. „Das Schönste an Blödheit ist, der Betroffene spürt sie selbst nicht.“

Credit: Wegscheidler/TiK

Das Stück ist eine Abrechnung mit der Generation der Boomer, mit Menschen, die sich in ihrem Leben eingerichtet haben, und die nicht nur ihre Ideale verloren haben, sondern auch auf andere Menschen herabblicken, arrogant, selbstverliebt und ohne Rücksicht auf andere. Die Schleimigkeit und Boshaftigkeit, mit der die Schauspieler*innen der beiden Paare agieren, beeindruckt mitsamt ihrer Aufgekratztheit bis zum bitteren Ende. Und die beiden Gastgeber agieren souverän und lassen keine Zweifel aufkommen, wer die Herren im Haus sind. Noch zu sehen im Theater im Keller am 03.12. (Di), 04.12. (Mi), 05.12. (Do), 06.12. (Fr), 12.12. (Do), 13.12. (Fr) 15.01. (Mi), 16.01. (Do), 17.01. (Fr), 18.01. (Sa) jeweils 20:00

Credit: Wegscheidler/TiK