Zusammenleben als Sport
Kritik: Ich bin dann mal wir, Theater im Kürbis
Text: Lydia Bißmann - 26.05.2025
Zusammenleben ist kompliziert. Kennt man die Regeln, kann das so einiges erleichtern. Julia Krasser und Peter Eisner haben zu diesem Thema ein Impro-Hybrid-Stück verfasst, in dem gelungenes Miteinander zum Sport erhoben wird. Das Stück, das sich mit Mut zeitgenössischen und aktuellen Themen wie Diversität, Chancengleichheit und Awareness annimmt, wurde im Rahmen der Kunst.Kultur.Tage Schillern 2025 uraufgeführt.
Zwei Teams von Gemeinschaftsathlet:innen (Matthias Schiefer, Melina Schuster, Julia Krasser und Peter Eisner) treten in atmungsaktiver und bequemer Sportkleidung auf der Bühne des Theaters im Kürbis gegeneinander an. Acht Runden dauert der Wettbewerb, aus dem das Stück: Ich bin dann mal wir zum Großteil besteht. Gelebte Praxis erfährt die Performance durch die Einbeziehung des Publikums. Dieses dient als Joker und darf auch einmal mitmachen – etwa dann, wenn der Begriff „Chancengleichheit“ dargestellt wird. Das Profiteam muss dabei aus einigen Metern sehr springfreudige Bälle in eine recht kleine Kiste werfen. Die Mitspieler:innen aus dem Zuschauerraum dürfen bei diesem Battle bequem auf ihren Stühlen sitzen bleiben; eine ungleich größere Schachtel wird ihnen direkt vor die Nase gehalten.

Freeze-Szene in: Ich bin dann mal wir im Theater im Kürbis. (Fotocredit: Kürbis Wies)
Warten auf die Kraft des Scheiterns
Ich bin dann mal wir ist eine Mischung aus Impro-Theater, Activity-Spiel, Kommunikations-Coaching und Comedy. Unterschiedliche Begriffe und Regeln des Zusammenlebens werden dabei spielerisch im Wettbewerb abgefragt. Die Athlet:innen müssen etwa gleichzeitig jeweils andere Songs zum Thema singen, ohne sich dabei gegenseitig aus dem Takt zu bringen. Gemeinsamer, störungsfreier Ausdruckstanz oder Selbstverwirklichung mit Zetteln und Wäscheklammern gehören ebenso dazu wie das Erraten von KI-Vorschlägen zu Regeln des Kant’schen Imperativs.
Gebrochen wird der Wettbewerb durch regelmäßige Freeze-Elemente, in denen sich das Schauspielteam in Schwarzlicht vor einem Megafon versammelt und mit gehaltvoller Stimme und Stimmung Warnungen vor zu viel Vereinfachung und Schwarz-Weiß-Denken gibt. Knallbunt und schlicht ist das Bühnenbild – Pappdeckel-Bausteine des Zusammenlebens –, das zugleich als Trophäe dient. Leider fällt die Mauer nie um, worauf man eigentlich die ganze Zeit wartet, um ein wenig Slapstick zu erleben. Schließlich stolpern wir alle im Alltag ständig über kleine oder große beziehungstechnische Hürden.
Leben mit anderen ist ein großes Thema. Daher hätten der Regie ein wenig mehr kleine Blödeleien am Rande nicht geschadet – wie sie Matthias Schiefer hervorblitzen ließ. Mit einem Regenbogenstirnband ausgestattet, ist er zum Umwerfen komisch, wenn er fast vor Erschöpfung umfällt, das Handtuch wie ein Tennis-Ass beleidigt über den Kopf zieht, an seiner Wasserflasche nuckelt oder hoch konzentriert versucht, einen 80er-Jahre-Hit zu performen, um die Schwierigkeitsgrade der soziologischen Regeln zu verdeutlichen. Leider bekommt er auf der Bühne nicht ausreichend Zeit und Pausen für seine Einlagen – was ein wenig schade ist. Generell hätte dem ambitionierten Stück etwas mehr Chaos und Anarchie und weniger Zeigefingermoral ganz gutgetan.
Matthias Schiefer, Melina Schuster, Peter Eisner und Julia Krasser. (Fotocredit: Kürbis Wies)
Ich bin dann mal wir
Konzept: Peter Eisner, Julia Krasser.
Mit: Matthias Schiefer, Melina Schuster, Julia Krasser und Peter Eisner
Uraufführung im Rahmen der Kunst.Kultur.Tage Schillern im Theater im Kürbis.
Termine:
Mittwoch, 28. Mai, 19:30 Uhr
Donnerstag, 29. Mai, 19:30 Uhr
Freitag, 30. Mai, 19:30 Uhr