Martina Zinner als Frau mit Diagnose
Kritik: 'Hilde' im Theater im Bahnhof
Text: Lydia Bißmann - 03.02.2024
Rubrik: Theater
In einer Soloperformance befasst sich die Martina Zinner unter der Regie von Ed Hauswirth und in einem Text von Pia Hierzegger im TiB in ihrer Rolle mit der Diagnose Brustkrebs und dem, was darauf folgen könnte. Eingebettet wird die Erzählung von den Liedern der Hildegard Knef.
Die Bühnenfigur Hilde, die gar nicht so heißt, aber ihrem Idol zum Täuschen ähnlich sieht, ist auch Schauspielerin und liebt ihren Beruf. Gestört werden die Proben zum neuen Stück durch ärztliche Untersuchungen und Besprechungstermine, die schließlich im Entfernen der rechten Brust samt anschießender Rekonstruierung enden. Gekleidet in nachgeschneiderte Kostüme der Hildegard Knef, berichtet sie von eigenen Ängsten, Gesprächen mit der besten Freundin oder der beigestellten Psychologin, die sie eigentlich nicht leiden kann. Unterstützt wird sie dabei von einem kargen, aber sehr effektiven Bühnenbild, einer drehbaren Kunstpelzbühne oder einem Whiskyglas und den wunderschönen sanft-lakonischen Liedern, die wir alle so gut kennen. Es ist nicht leicht, den blechern-betörenden Ton der Knef-Stimme zu treffen, dafür fehlen Martina Zinner vermutlich Stangen von Zigaretten und ein Meer von Likör, aber das will sie auch gar nicht. Sie möchte die Knef gar nicht imitieren, sie will aus ihren Liedern einfach Kraft und Hoffnung schöpfen, was ihr für den ganzen Raum auch gelingt.
Credit: Johannes Gellner
Mut und Verletzlichkeit
Hildegard Knef wollte sich mit ihrer Krebserkrankung nicht verstecken, schrieb 1975 mit „Das Urteil“ ein Buch darüber und musste dafür auch einiges einstecken. Mit tapferer Sachlichkeit und umsichtigen Trotz nähert sich Martina Zinner mit viel Mut und Herzensblut der Berliner Schauspielerin und Chansonniere an, die auch als erwachsene Frau mit einer „sehr erwachsenen“ Stimme noch „Hildchen“ genannt wurde. Sie spricht über sehr intime Dinge, vermittelt mit ihrer Stimme, die voller Überraschungen steckt und ihren scheinbar nonchalanten Bewegungen, bei denen aber jede Geste perfekt sitzt, ein plastisches Bild der Verletzlichkeit von Krebspatientinnen. Jener Fragilität, mit denen eben jene Menschen konfrontiert sind, deren eigener Körper sie plötzlich sabotiert. Dramaturgische Unterstützung bekommt sie dabei von geschickten Kostüm- und Szenenwechseln. Immer wieder verschwindet sie hinter den transparenten Vorhang, um dann wieder – je nach Situation – im Glitzer-BH, Reifrock oder Krankenhausnachthemd wieder aufzutreten.
Credit: Johannes Gellner
Anspruch und Anmut
„Hilde“ beschäftigt sich zart, aber innig mit einem schwierigen Thema, das die Inszenierung nie allzu dunkel überschattet, weil sie den Menschen nicht hinter der Krankheit verschwinden lässt. Sie lebt von der großen Leistung der Darstellerin, die keine Sekunde aus der Rolle fällt und erst nach dem Schlussapplaus kleine Anzeichen von Anstrengung in ihrem Gesicht erlaubt und dem sensibel formuliertem Text, der gelungen mit den wunderbaren Texten der großartigen Hildegard Knef Lieder korrespondiert.
Credit: Johannes Gellner
Credit: Johannes Gellner