„Das hier ist so etwas wie eine Geiselnahme“
Kritik: Happy End (Keine Garantie), Theo Oberzeiring
Text: Robert Goessl - 24.02.2025
Rubrik: Theater
Als etwas anderes Theaterstück inszeniert Holger Schober die Geiselnahme des Publikums schrill und abgefahren. Man wird als Publikum etwas gefordert, aber das stets liebevoll und empathisch mit grenzgenialer Absurdität.
Wer „Die Einladung“ im Theo gesehen hat, wird auch die Bühnenausstattung zur Gänze wiedererkennen. Was da so auf der Bühne herumsteht, spielt in dem Stück von Felix Krakau ohnehin keine Rolle, denn nachdem Julia Faßhuber, Ute Veronika Olschnegger und Tobias Kerschbaumer die Bühne betreten, steht sowie das Publikum im Mittelpunkt. Mit den Kampfnamen „Bella Top Secret“, „Alessandra Il Capo“ und „Meister Sören“ verkünden sie maskiert als mit Kim Jong-un, Recep Erdoğan und Donald Trump, dass das Publikum nun in Geiselhaft genommen wird. Aber auch, dass das alles halb so schlimm ist, denn schon nach kurzer Zeit nehmen sie die Masken ab. Sie verkünden, dass es nicht nur ein Happy End für alle geben wird, sondern auch, dass sie all diese Risiken für die ganze Menschheit auf sich nehmen, also auch für das Publikum – aber ohne Garantie.
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Credit: Michael Traussnigg
Aller Anfang ist schwer, wenn die kriminelle Energie und die Härte fehlt
Die empathischen Geiselnehmer:wollen nämlich nur das Gute in dieser von Krisen durchzogenen Welt und diesbezügliche Forderungen an die Bundesregierung stellen. Schließlich wollen wir ja alle, dass das mit der Klimaerwärmung ein Ende hat und es in der Welt gerecht zugeht. Das große Geheimnis dabei ist, dass man als Druckmittel geheime Dokumente verwenden will, die sich – so will es der Zufall – direkt unter dem Theater, einem geheimen Tresor, befinden. Denn genau unter diesem Theater würde niemand etwas derartig Wichtiges vermuten. Also lässt man fair bezahlte Arbeitskräfte einen Tunnel danach graben, und sicherheitshalber dazu noch einen weiteren als Fluchtweg zu den Malediven. Upps - letzteres sollte jetzt nicht verraten werden, aber bei der ersten Geiselnahme passieren den dreien eben so einige Flüchtigkeitsfehler, auch weil deren Bewaffnung mit Bolzenschneider, Bunsenbrenner und Kabelbindern auch nicht ganz durch überlegt scheint. „Meister Sören“ neigt dazu, seine Identität und andere Dinge zu verraten, „Alessandra Il Capo“ hat ein Problem, ihre Wut im Zaum zu halten, und „Bella Top Secret“ legt immensen Wert darauf, dass die Idee für diese Aktion zur Gänze von ihr stammt.
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Credit: Michael Traussnigg
Ungewöhnliche Situationen führen zu ungewöhnlichen Lösungen – oder zu gar keinen
Nachdem man also das Publikum über seine Situation aufgeklärt hat, werden kleine Differenzen zwischen den drei selbsternannten Held:innen sichtbar. Unter teils stampfender und dröhnender Heavy-Metal-Musik werden ihre Wünsche, Sehnsüchte und ihre persönliche Motivation als eine Art Tagtraum(a) sichtbar. Die weltumfassenden Krisen, die man mit dieser Geiselnahme lösen will, scheinen immer wieder ins Persönliche zurückzufallen und so werden auch die Gegensätze zwischen den Protagonist:innen mehr und mehr sichtbar. Es kommt zu gegenseitigen Beleidigungen und Weinkrämpfen, aber man spendet einander auch immer wieder Trost und zeigt sich demonstrativ empathisch. Doch in den Momenten, in denen man sich sammelt, um sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren, zeigt sich, dass das alles nicht so gut funktioniert: Die Unterlagen mit den Forderungen sind nicht zu finden, beim Graben des Tunnels kommen die Mitarbeiter nicht wirklich voran und trotz mehrfacher Anrufversuche hebt die Bundesregierung nicht ab.
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Credit: Michael Traussnigg
Ein gefühltes Happy End
Und so scheint es traurige Realität zu werden: Ein Theater ist zu unwichtig, als dass sich um die dortigen Geiseln eine Bundesregierung kümmern würde. Also gilt es, sich beim Warten etwas die Zeit zu vertreiben, und dabei etwas über sich selbst zu erzählen. So gibt es einen Auftritt von „Alessandra Il Capo“ als „Schauspielerin“, wobei sogar eine Pistole auftaucht, die für gehörigen Wirbel sorgt. Infolge verliebt sie sich sogar in die Zuschauer, was allerdings nicht lange anhält – Es geht schließlich doch nur um die eigenen Gefühle. Dabei passiert es aber immer wieder, dass die drei etwas ausflippen, um danach beim Publikum – teilweise sogar bei jedem Einzelnen persönlich – dafür um Entschuldigung zu bitten. Doch plötzlich meldet sich die Bundesregierung doch und teilt mit, dass die berittene Polizei das Gebäude umstellt hat. Die Emotionen unter den dreien kochen nochmals hoch, gilt es doch, sich zwischen Knast oder Kampf zu entscheiden, um am Ende zu einem etwas anderen Showdown mit Udo Jürgens „Immer wieder geht die Sonne auf“ zu münden.
Denn in einem Theater kann man schließlich alles behaupten.
Die rasante Inszenierung bringt die Hilflosigkeit angesichts der krisenhaften Weltsituation auf den Punkt, aber auch die Naivität, mit der man ihr begegnet. Die Akteur:innen, die eine fulminante Show hinlegen und die die Zuschauer in diese selbstironisch und humorvoll mit großer Intensität hineinziehen, fallen immer wieder auf sich selbst und ihre persönlichen Probleme zurück. Man wünscht sich einfach nur Erlösung in einer Welt, in der man die eigenen Befindlichkeiten als Krisen und tatsächliche Krisen als Störung der eigenen Befindlichkeiten wahrnimmt, weil man das nicht mehr unterscheiden kann. Schlussendlich möchte man einfach nur wahrgenommen und geliebt werden, um damit seinen Platz in der Welt zu finden – und sei es im Knast.
Noch zu sehen im Theater Oberzeiring am
26.02. (Mi.), 01.03. (Sa.), 07.03. (Fr.), 12.03. (Mi.) jeweils um 20:00
Karten unter: info@theo.at oder +43 3571 200 43