Erinnerung und Mahnung mit Antikriegsstück

Kritik: Die Wilden Alten, Nie Wieder

Text: Lydia Bißmann - 27.02.2025

Rubrik: Theater
Die Wilden Alten

Die Wilden Alten mit ihrem Antikriegsstück: "Nie Wieder" im Volksshaus Graz. (Credit: Philipp Jölli/ Bildungsverein KPÖ Graz)

Das Theaterkollektiv "Die wilden Alten" hat mit dem Stück "Nie wieder" ein Antikriegsstück vorgelegt, das leider aktueller denn je ist. Es passt zum 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs, dem in diesem Jahr mit vielen Veranstaltungen gedacht wird – tragischerweise aber auch zum aktuellen Weltgeschehen

Das selbst verfasste Stück besteht aus lose zusammenhängenden Mini-Biografien, die aus der eigenen Geschichte der Mitglieder der „Wilden Alten“ bestehen. Die gemeinsame Klammer ist der große Krieg, der vor acht Jahrzehnten endete, aber auch die vielen anderen Kriege, die nicht aufhören wollen. Wie die Baulücken in der Stadt, die seit über 80 Jahren Teil des Alltags sind, hat sich auch hier der Krieg über Generationen hinweg in die Leben der Menschen hineingefressen. Authentisch, schlicht und deswegen umso mitreißender erzählen die 22 Performer:innen der etwa 30-köpfigen Truppe unter der Anleitung des Künstlerpaares Otto und Gabriele Köhlmeier kurze Episoden aus den Schicksalen ihrer Großeltern, Eltern oder von sich selbst1. Sie berichten vom zerstörten Bahnhof in Peggau, Kriegstrophäen des Soldaten-Vaters und von Frauen, die um ihre Männer, Söhne und Brüder weinen. Sie erkunden aber auch die Spuren, die der Krieg in der Sprache, in Wörtern wie Sexbombe, Eisbombe oder bombensicher hinterlassen hat. Und dann gibt es auch noch hässliche und erst jüngst kreierte Worte wie Remigration, die dem Text einen zeitgenössischen Anstrich verleihen, wie es auch das Wiederaufflammen der Furcht vor der atomaren Bedrohung tut.
Die Wilden Alten

Schauspielerin Gabriele Köhlmeier (2. v.l.). (Credit: Philipp Jölli/ Bildungsverein KPÖ Graz)

Einzelschicksale als kollektive Mahnung

Bis jede und jeder der vielen Darsteller:innen zu Wort gekommen ist, braucht es seine Zeit. Durch die individuelle Form der Performance bleibt es aber kurzweilig, da ja jede Geschichte und jede Figur für sich ihre eigene Patina, Tragik und einen individuellen Esprit mitbringt. Musikalisch begleitet wird das sacht und sehr authentisch gestrickte Text-Medley live von Christoph Wundrak (Posaune) und Werner Poglits an der Gitarre. Hippie-Klassiker werden genauso angestimmt wie Kriegshymnen oder das Gospel „Amazing Grace“. Die männlichen Figuren sind mit Stöcken ausgestattet – auch im echten Leben sind es ja immer die Männer, die zu den Waffen rufen und schlussendlich auch greifen. Die schlichte Ausstattung aus schwarzer Kleidung unterstreicht die Individualität der auftretenden Personen, nur eine Figur darf in Weiß auf der Bühne erscheinen – ein kleiner Hoffnungsschimmer inmitten der Dunkelheit. Kleine farbliche Interventionen mit Tüchern und Regenschirmen verleihen der erzählenden Dramatik Plastizität.
Die Wilden Alten

Werner Poglits an der Gitarre. (Credit: Philipp Jölli/Bildungsverein KPÖ Graz)

Eine Bühne für 1.800 Jahre Erfahrung

Die wilden Alten verstehen sich als kreative Eingreiftruppe zur Rettung der Welt. Mit sehr viel Fingerspitzengefühl und Furchtlosigkeit entstaubt die bunt zusammengewürfelte Gruppe die Ideale der Hippiezeit und führt dem Publikum vor, dass das Bekenntnis zu Pazifismus, Gewaltfreiheit und Gleichberechtigung ständig neu verhandelt werden muss. Gefunden wurden die Mitglieder der Truppe, deren Teilnehmer vorwiegend aus dem Großraum Graz-Umgebung, Weiz und Südoststeiermark stammen, ganz analog über eine Zeitungsanzeige in den Regionalmedien. Einzige Voraussetzung zur Teilnahme an der ungewöhnlichen Kreativtruppe ist das Überschreiten der 60-Jahres-Grenze. Der Schauspieler, Dramaturg und Regisseur Otto Köhlmeier, der mit seiner Frau Gabriele Köhlmeier (ebenfalls ausgebildete Schauspielerin) auch als Kabarett-Duo auftritt, wollte mit seinem Aufruf zeigen, dass Menschen im Ruhestand deswegen nicht zum Schweigen verdammt sein müssen. „Nie wieder“ ist das Präsentationsstück der quirligen und vitalen Truppe, die sich seit 2023 gemeinsam künstlerisch und genreübergreifend betätigt. Nach zwei sehr erfolgreichen und bestens besuchten Auftritten in der Kunsthalle Weiz und im Volkshaus Graz sind weitere Auftritte in der Steiermark geplant.
Die Wilden Alten

Otto Köhlmeier (3. v. l.) (Credit: Philipp Jölli/ Bildungsverein KPÖ Graz)

Die Wilden Alten

Mitwirkende auf der Bühne:

Andrea Baltzer, Elfriede Hofer, Doris Holzknecht-Holzhacker, Irma Kahr, Margareta Koci-Reisenhofer, Gabriele Köhlmeier, Anneliese Patter-Lipp, Michaela Perl-Steinlechner, Margarita Schuster, Monika Sölkner, Erika Strack, Brigitte Waldhaus, Gertrud Weiss, Peter Fried, Johannes Haid, Josef Höfler, Christian Holzknecht, Otto Köhlmeier, Werner Poglits, Wilfrid Strack, Alois Waldhaus, Christoph Wundrak.

Die Wilden Alten

Die Wilden Alten

Otto Köhlmeier (3. v. l.) (Credit: Philipp Jölli/ Bildungsverein KPÖ Graz)

Die Wilden Alten

22 Menschen mit 1.800 Jahren Erfahrung auf der Bühne. (Credit: Philipp Jölli/ Bildungsverein KPÖ Graz)