Die betörende Arroganz und Rücksichtslosigkeit der Macht
Kritik: Der Fürst, Theater Kaendace
Text: Robert Goessl - 02.04.2025
Rubrik: Theater
Aus Werken von Nicolo Machiavelli fertigt Alexander Mitterer einen bemerkenswerten Theatertext. Er zeichnet sich auch für die sensible Regie verantwortlich und wurde dabei vom charismatischen Hauptdarsteller Daniel Doujenis als Co-Regisseur unterstützt. Die Inszenierung der Koproduktion mit dem klagenfurter ensemble hatte nun auch in Graz im ARTist´s Premiere.
Das Spiel beginnt mit der Suche nach einem Sender, bis dann die italienische Hymne aus dem Radio erklingt. Sonja Kreibich, als Vehikel und Projektionsfläche der Macht, aber auch als Dienerin und Beraterin des Fürsten, philosophiert dabei vom Glück und den Möglichkeiten, es mit Gewalt zu erzwingen.
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Credit: Günter Jagoutz
Vom blutbefleckten Eroberer zum Staatsmann
Daniel Doujenis erwacht, in Plastikfolie gehüllt. Nackt, blutig und gezeichnet beginnt er, sich von den Fesseln der Verpackung zu befreien. Der Eroberer wird – immer wieder – vom Blut gereinigt und schlüpft mit Hilfe seiner Dienerin in die Kleidung eines Staatsmannes. Dabei spricht er über Machterwerb und Machterhalt, über das Ausnutzen der Schwachen und die Beeinflussung der Starken. Er analysiert kühl und sachlich die Optionen: bestehende Strukturen bewahren oder zerstören? Ebenso wägt er ab, wie mit dem Volk und dem Beamtenapparat umzugehen sei – zwischen Ergebenheit und Freiheit –, und erkennt die Gefahren, die daraus für den Fürsten entstehen können. Um jegliche Erinnerung an Freiheit und frühere Gewohnheiten auszulöschen und seine Macht langfristig zu sichern, gelangt er zu einem eindeutigen Schluss: „Der effektivste Weg, ein erobertes Gebiet dauerhaft in den eigenen Staat einzugliedern, ist dessen vollständige Zerstörung.“
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Credit: Günter Jagoutz
Die Selbstverständlichkeit der Machterhaltung
Daniel Doujenis, der Fürst, präsentiert sich souverän auf seinem Thron. Stets bereit, aber unaufgeregt, unterzeichnet er Todesurteile. Der Folterplatz – eine Konstruktion aus Ketten und einer Eisenstange – steht direkt neben ihm: eine stille, aber permanente, unausgesprochene Drohung. Einschüchterung ist das Mittel, mit dem das Volk unter Kontrolle gehalten wird. Er spricht mit ruhiger, gefasster Stimme – ein Hauch von Freundlichkeit und eine Spur betörender Wirkung schwingen in seinen Worten mit. Denn Macht hat auch etwas Verführerisches. Doch macht er unmissverständlich klar: Macht und Gewalt müssen eine selbstverständliche Einheit bilden. Alle anderen Wege, an der Spitze zu bestehen, erscheinen ihm zu unsicher. „Völker sind von Natur aus wankelmütig. Es ist leicht, sie von etwas zu überzeugen – aber schwer, sie bei dieser Überzeugung zu halten.“
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Credit: Günter Jagoutz
Eine Rede rund um die Furcht
Der Fürst reißt das Bildnis seines Vorgängers aus dem Rahmen, zerstört es und fügt den leeren Rahmen dem Folterplatz hinzu. Mit kühler Entschlossenheit arbeitet er weiter an dessen Umgestaltung – der Ort der Qualen wird allmählich zu einer Skulptur, einem düsteren Kunstwerk: Symbol allgegenwärtiger Gewalt und kompromisslosen Machterhalts. In einer Rede an das „geliebte Volk“ tritt er mit einer Waffe in der einen Hand und einem Apfel in der anderen auf. Arrogant, bestimmt und doch in wohlklingenden Worten spielt er mit seiner Macht – und lässt dabei keinen Zweifel daran, dass ihre Grundlage Furcht ist. Ungehemmt und gnadenlos werden aus reinem Kalkül Exempel statuiert. Grausamkeit ist das Band, das das Volk zusammenhält. Eine Furcht, geboren aus der Angst vor Strafe, die die Menschen nie wieder verlässt. „Auch scheuen sich die Menschen weniger, denjenigen zu verletzen, der sich beliebt macht, als den, den sie fürchten.“
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Credit: Günter Jagoutz
Europa bleibt nur die Hoffnung
Am Ende fügt der Fürst seine Dienerin in die Skulptur ein und der Rahmen wird erleuchtet. Sie wird zu Europa, dem blutgetränkten Kontinent, gefangen in seiner Geschichte seit den griechischen Mythen und mit der Sehnsucht und der Hoffnung einer Abkehr von wirtschaftlichem Denken und Konsum hin zu Menschlichkeit. Doch das geht leise vor sich, ohne Bestimmtheit und Arroganz.
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Credit: Günter Jagoutz
Das Spiel der Macht in all seinen Facetten
Die sehr feine Inszenierung von Alexander Mitterer und Daniel Doujenis bietet viele Details und immer wieder großartige Szenen, die die Texte von Machiavelli in ihrer Sachlichkeit und Gefühllosigkeit in den Raum stellen. Gewalt ist hier nichts Orgiastisches, nichts Spontanes, sondern ein legitimes Mittel, das entsprechend kühl und gefühllos eingesetzt wird. Das konzentrierte Spiel von Daniel Doujenis und Sonja Kreibich geht auf das Publikum zu und erzeugt ein Gefühl zwischen Komplizenschaft und Ohnmacht. Die Bühne und die Kostüme von Vibeke Andersen sorgen für stimmige Bilder, die die Grausamkeiten abstrahieren. Die Gewalt ist nie direkt sichtbar, aber dennoch ständig spürbar. Auch Musik und Sound von Michael Merkusch zeigen die Gegensätze zwischen dem Schein der Macht und deren Wirklichkeit, wobei das Spiel mit diversen Hymnen besonders elegant ist, und deren echte und teilweise gefakten Texte tief in Vergangenheit und Zukunft blicken lassen: „Es liegt in der Natur der Dinge, dass man keinem Übel entgehen kann, ohne in ein anderes zu geraten. Die Klugheit besteht darin, die Art der Übel ermitteln zu können und das kleinere Übel als etwas Gutes frei zu wählen.“
Der Fürst
Eine Koproduktion des klagenfurter ensembles und dem Theater im ARTist`s Kaendace nach Texten von Nicolo Machiavelli
Darsteller:innen:Daniel Doujenis, Sonja Kreibich
Textfassung/ Regie: Alexander Mitterer
Co-Regie: Daniel Doujenis
Bühnenbild und Kostüm: Vibeke Andersen
Musik: Michael Merkusch
Weitere Vorstellungen im ARTist’s Graz (Schützgasse 16):
03.04., 04.04., 05.04., 09.04., 10.04., 11.04., 12.04., 15.04. und 16.04. jeweils 20:00
karten@theaterkaendace.at

Credit: Günter Jagoutz