Analoges Stelldichein der Tiere im Knopftheater
Kritik: Der Bär, der nicht da war, TanzCompanyELLA & Mezzanin Theater
Text: Sigrun Karre - 26.05.2024
Rubrik: Theater
„Der Bär, der nicht da war“ ist ein Theater ab 4 Jahren des israelischen Dramatikers Oren Lavie, das auf sinnliche Weise die Fantasie anregt. Die Gemeinschafts-Inszenierung des Mezzanin Theater mit der TanzCompanyELLA unter der Regie von Hanni Westphal ist ein ganz analoges Musik-Tanz-Theater für die Kleinsten.
Statt Video-Wall und viel Bühnentechnik steht die Ausdruckskraft von Körper und Stimme im Mittelpunkt. Sonja Felber, Barbara Krepcik und Lilli Angermeyer holen die Kindergartengruppe – im direkten wie übertragenen Wortsinn – singend und musizierend ab. Neben Saxofon, Geige und Gitarre kommen im Laufe des Stücks auch Melodica und Percussion-Instrumente live zum Einsatz. Das Bühnenbild versprüht (für Jahrgänge des letzten Jahrhunderts) Retro-Öko-Charme: In Wald- und Wiesenfarben bemalte Holzwände auf Rädern bringen zusätzlich Bewegung und Schwung in die teils getanzte Geschichte über einen Bären, der sich aufmacht, sich selbst zu suchen.
Mezzanin Theater
Schön ist keine Zahl
Die drei vielseitig begabten Darstellerinnen spielen mal abwechselnd, mal gleichzeitig den Bären. Auch der saumselige Salamander, der vorletzte Vorzeigepinguin oder ein orientierungsloses Schildkrötentaxi schauen vorbei. Originell ist, wie an dieser Stelle mithilfe einer alten Schreibmaschine bewusst mit analoger Geräuscherzeugung gespielt wird. Der Pinguin kann mit der Schönheit von Blumen nichts anfangen, denn „schön ist keine Zahl“. Der Bär findet, es sei besser an Blumen zu riechen, als sie zu zählen. Ein ca. vierjähriger Bub in den ersten Reihen hat da einen berechtigten Einwand: „Aber wenn man eine Allergie hat?“ Dass ein Stück mit 50 Minuten für Kindergartenkinder im Alter von durchschnittlich vier Jahren die Aufmerksamkeitsspanne teils übersteigt, macht sich in den letzten 10, 15 Minuten durch zunehmende Bewegung im Publikum bemerkbar. Beim finalen Song sind aber wieder alle mit dabei.
„Der Bär, der nicht da war“ ist ein poetisches Kinderstück, das besonders in dieser Inszenierung eine magische und zugleich „echte“ Welt eröffnet, die Kinder womöglich nur noch im Theater finden können. Auch erfahrbar zu machen, was Menschen alles mit ihren Körpern können, nämlich miteinander singen, musizieren, tanzen und spielen, ist ein wertvolles Erlebnis und dürfte heute nicht mehr ganz so selbstverständlich sein. „Wo ist denn der Fernseher?“ - diese Zwischenfrage während der Aufführung aus dem kindlichen Publikum ist vielleicht ein Indiz dafür.
Mezzanin Theater