Große Gefühle mit Mozart

Kritik: Così fan tutte, Oper Graz

Text: Martin Exner - 03.03.2025

Rubrik: Musik
Kritik: Così fan tutte, Oper Graz

Wilfried Zelinka, Nikita Ivasechko, Ekaterina Solunya, Sofia Vinnik, Chor der Oper Graz (Credit: Reinhard Winkler)

Wolfgang Amadeus Mozarts Oper „Così fan tutte“, in dem die aufgewühlten Gefühlswelten zweier junger Paare das zentrale Thema sind, steht seit kurzem auf dem Spielplan der Grazer Oper – in einer gelungenen Inszenierung und musikalisch ambitioniert.

Mozarts Meisterwerk ist tatsächlich nicht leicht aufzuführen, verbergen sich hinter einer scheinbar leichtfüßigen Komödie auch tiefgehende Gefühlswelten und durchaus dunkle Schatten, den Spagat zwischen den unterschiedlichen Stimmungen zu schaffen, gelingt nicht allen Regisseur:innen. Die simple Grundidee des Stoffes, durch eine Wette mit den beiden jungen Männern die Treue ihrer Frauen auf die Probe zu stellen, erweitert sich im Laufe der Oper bis ins Dramatische.
Kritik: Così fan tutte, Oper Graz

Corina Koller, Nikita Ivasechko, Ann-Kathrin Adam, Wilfried Zelinka, Ted Black, Sofia Vinnik. (Credit: Reinhard Winkler)

Gefühlschaos in der Doppelhaushälfte

Barbara-David Brüesch widersteht in der Grazer Inszenierung der Versuchung, das komödiantische Tempo allzu sehr anzuziehen, wenngleich gerade im ersten Akt einige köstliche Momente gelingen, die beim Publikum hörbar Gefallen finden. Das nüchterne Ambiente einer modern eingerichteten Doppelhaushälfte mit Designerbad und -küche und Gasgrillstation im Garten (Bühne: Alain Rappaport) nützt die Schweizer Regisseurin geschickt, um dem Hin und Her der Emotionen auch eine räumliche Entsprechung zu geben. Wenn sich die Haushälften im zweiten Akt öffnen, nehmen auch die – im ersten Akt schon schwer zu kontrollierenden – Gefühlswelten der beiden Paare freien Lauf. Unterstützt wird die Regie vor allem durch die wunderbaren Projektionen im Hintergrund (Licht: Daniel Weiss, Video: Georg Lendorff) und die schlichten, aber ästhetischen Kostüme von Sabin Fleck, deren Farbenspiel das Geschehen manchmal mehr, manchmal weniger subtil begleitet. Die Personenführung ist präzise, auch in den teils ausgedehnten Arien kommt Singen an der Rampe nur selten vor.

Kritik: Così fan tutte, Oper Graz

Sofia Vinnik (Credit: Reinhard Winkler)

Samtener Mezzo, kerniger Bariton

Das ist auch dem spielfreudigen, vornehmlich jungen Ensemble zu verdanken: Altmeister Wilfried Zelinka gibt den Don Alfonso sonor und routiniert, Ekaterina Solunya ist eine quirlige, hellstimmige Despina, die endlich einmal auch Ärztin und Notarin sein darf. Die beiden Paare sind sehr gut besetzt. Vor allem Corina Koller meistert die heikle Partie der Fiordiligi ausgezeichnet, ihre runde Stimme gibt ihr nicht nur große Möglichkeiten für die intimen Momente, sondern hat auch Kraft für emotionale Ausbrüche, sowohl in den strahlenden Höhen als auch in den (von Mozart oft verlangten) Tiefen. Sofia Vinnik singt die Dorabella mit samtenem, auch zum Auftrumpfen fähigem Mezzo. Nikita Ivasechko hat für den Guglielmo einen kernigen, gut geführten Bariton parat, Ted Blacks höhensicherem Tenor liegt das Lyrische eher als die Ausbrüche im zweiten Akt, da fehlt der Stimme ein wenig die Kraft. Ann-Kathrin Adam schwebt als Amor, der zunehmend in die Handlung eingreift, anmutig durch die Szenerie.

Kritik: Così fan tutte, Oper Graz

Corina Koller, Wilfried Zelinka, Sofia Vinnik. (Credit: Reinhard Winkler)

Chancen für Publikumshit

Der portugiesische Dirigent Dinis Sousa, stellvertretender Leiter des weltweit erfolgreichen Monteverdi Choir and Orchestra, ist ein anerkannter Vertreter historisch informierter Aufführungspraxis – davon merkt man in Graz zunächst recht wenig. Die Ouvertüre und der Beginn der Oper kommen etwas grob herüber, im Laufe des Abends jedoch nimmt sein Dirigat (spätestens ab dem Quintett im ersten Akt) Form an, und der mozart’sche Geist kommt – vor allem in den Arien, in denen der Dirigent sehr mit den Sängerinnen und Sängern geht – mehr und mehr durch. Die Grazer Philharmoniker zeigen sich diesmal nicht immer vollends konzentriert, einige schöne Soli sind dennoch zu entdecken. Solide singt der Chor der Oper Graz.

Der Grazer Oper ist mit dieser „Così“ also eine sehr schöne Produktion gelungen, die sich durch eine schlichte, aber an Stellen auch eindringliche Regie und ein gutes, junges Ensemble auszeichnet – und durch ein Ende, das der Schreiber dieser Zeilen so noch nicht auf der Bühne gesehen hat und das hier auch nicht verraten wird. Die Chance, ein Publikums-Hit zu werden, ist also da.

Kritik: Così fan tutte, Oper Graz

Nikita Ivasechko, Sofia Vinnik, Corina Koller, Ted Black. (Credit: Reinhard Winkler)

Così fan tutte

Dramma giocoso in zwei Akten, KV 588 (1790). Libretto von Lorenzo Da Ponte. In Kooperation mit Theater und Konzert St. Gallen. Uraufführung am 26. Jänner 1790 in Wien, Burgtheater. In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln. Besetzung Musikalische Leitung: Dinis Sousa / Johannes Braun (Mär: 28, Apr: 2) Inszenierung: Barbara-David Brüesch Bühne: Alain Rappaport Kostüme: Sabin Fleck Licht: Daniel Weiss Video: Georg Lendorff Dramaturgie: Christin Hagemann Chor: Johannes Köhler Fiordiligi: Corina Koller Dorabella: Sofia Vinnik Guglielmo: Nikita Ivasechko Ferrando: Ted Black Despina: Ekaterina Solunya Don Alfonso: Daeho Kim (Mär: 6, 12, 21, 26, 28) / Wilfried Zelinka (Mär: 1, 9, 16, 23, Apr: 2, 5) Amor: Ann-Kathrin Adam

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