Ein Sommernachtstraum in Endzeitstimmung

Kritik: A Midsummer Night’s Dream, Oper Graz

Text: Martin Exner - 12.05.2025

Rubrik: Musik
Kritik: A Midsummer Night’s Dream, Oper Graz

Will Frost, Markus Butter, Euiyoung Peter Oh, Martin Fournier, Ivan Oreščanin, Wilfried Zelinka. (Fotocredit: Werner Kmetitsch)

Der britische Komponist Benjamin Britten – ein viel zu seltener Gast auf mitteleuropäischen Opernbühnen – hat William Shakespeares duftiger Komödie ein fein gewobenes Opernkleid geschenkt. Die neueste Produktion an der Grazer Oper bringt nicht viel Erhellendes (eher verkrampfte Schattenseiten) dazu, kann aber dafür mit einer mehr als passablen musikalischen Umsetzung aufwarten.

Woher Regisseur Bernd Mottl seine Behauptung nimmt, Shakespeare habe im Grunde 400 Jahre vor unserer Zeit die Klimakatastrophe vorweggenommen, ist nicht wirklich klar – man muss es halt nur einmal so behaupten, dann kann man sich eine vordergründig schlüssige Inszenierung zusammenreimen. Der Sommernachtstraum an der Grazer Oper kommt daher wenig luftig und komödiantisch-leicht daher, sondern lebt von Endzeitstimmung und Katastrophen-Optik.

Die Bühne (Friedrich Eggert), ein (schlecht gestapelter) Autofriedhof, eventuell auch ein Ort eines Unfalls, wird dominiert durch Karosserien, die als Spielgerüst, Schlafstatt, Versteck dienen und im Zauberfall dann und wann auch lustig blinken. Ein großer grauer Mond macht die Szene noch unheimlicher und lässt Idylle gleich gar nicht aufkommen. Der Regisseur hält die Abbildung von Natur auf der Bühne für häufig unbefriedigend. Man müsste das als Regisseur halt können.

Kritik: A Midsummer Night’s Dream, Oper Graz

Ivan Orescanin. (Fotocredit: Werner Kmetitsch)

Singschul‘ der Grazer Oper als eigentliche Stars der Aufführung

In diesem trostlosen Bild entwickelt sich die bekannte, von Britten bewusst nahe am Shakespear‘schen Original gehaltene Handlung dann doch recht konventionell, wobei die Akteurinnen und Akteure dem Dunkel einiges an erfrischender Spielfreude entgegensetzen können. Vor allem die jungen Damen und Herren der Singschul‘ der Grazer Oper (gut vorbereitet von Andrea Fournier) geben dem Feen-Personal pointiert Charakter und meistern ihren bisweilen nicht einfachen musikalischen Part bewundernswert. Der brasilianische Schauspieler und Tänzer Fausto Israel gibt den in seinen Aufgaben oft unglücklich agierenden Puck als angedeutete Drag-Queen luftig und verschmitzt, mit einwandfreiem und gut verständlichem Englisch fast im Stile eines Master of Ceremonies.

Das passt dann auch schon besser zur musikalischen Umsetzung: Die wunderbare, von Lyrismen und doch auch idyllischen Passagen durchsetzte Partitur Brittens, die weder Naturbeschreibungen noch Leitmotive auslässt, ist bei Dirigent Johannes Braun in besten Händen. Er breitet mit der fein gewobenen Musik des englischen Meisters einen von den gut disponierten Grazer Philharmonikern ausgebreiteten Klangteppich aus, die kraftvollen Ausbrüche dazwischen wirken nie grob. Und Braun kann sich auch auf ein sehr gut abgestimmtes und stimmlich exzellent gewähltes Ensemble verlassen: Rafał Tomkiewicz mit nie zu scharfem Countertenor und Ekaterina Solunya mit herrlich perlenden und präzisen Koloraturen machen als Feen-Königspaar Oberon und Tytania große Freude, die Menschen-Welt ist mit Sofia Vinnik als wunderbar lyrische Hermia, Sieglinde Feldhofer als strahlende Helena, Ted Black als feingliedrigen Lysander und vor allem Nikita Ivasechko als kräftigem Demetrius bestens besetzt. Routiniert geben Daeho Kim und Mareike Jankowski das Paar Theseus und Hippolyta, das in dieser Inszenierung ihrem Beziehungsende entgegensteuert.

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Mareike Jankowski. (Fotoscredit: Werner Kmetitsch)

Hervorragende Leistung des Grazer Sängerensembles

Sehr spielfreudig auch die Riege der Handwerker, allesamt aus dem Grazer Ensemble besetzt: Ivan Oreščanin gibt kraftvoll den eselsköpfigen Bottom, Martin Fournier kann als Flute sein komödiantisches Talent ausspielen, sie werden – gut eingespielt und musikalisch bestens abgestimmt – von Will Frost als Quince, Wilfried Zelinka als Snug, Euiyoung Peter Oh als Snout und Markus Butter als Starveling tatkräftig unterstützt – allein die finale Aufführung des von ihnen geprobten Stückes „Pyramus und Thisbe“ gerät etwas Klamauk-artig, was aber wahrscheinlich nicht an den Sängern liegt.
Benjamin Britten wird die Grazer Oper in dieser neuen Produktion also vor allem durch eine sehr stimmige musikalische Realisierung von hoher Qualität gerecht. Britten steht heutzutage ohnehin viel zu selten auf den Spielplänen der Opernhäuser – auch deswegen lohnt sich ein Besuch.

Kritik: A Midsummer Night’s Dream, Oper Graz

Fausto Israel. (Fotocredit: Werner Kmetitsch)

Benjamin Britten: A Midsummer Night's Dream (Ein Sommernachtstraum)

Oper in drei Akten (1960) Libretto von Benjamin Britten und Peter Pears nach dem gleichnamigen Schauspiel von William Shakespeare In englischer Sprache mit deutschen Übertiteln Uraufführung am 11. Juni 1960 in Aldeburgh, Jubilee Hall Besetzung Musikalische Leitung: Johannes Braun (Mai: 10, 14, 23, 25, 28, Jun: 5) / Stefan Birnhuber (Jun: 14, 27, 29) Inszenierung: Bernd Mottl Bühne: Friedrich Eggert Kostüme: Alfred Mayerhofer Licht: Friedrich Eggert Choreographie: Christoph Jonas Dramaturgie: Katharina Rückl Singschul': Andrea Fournier Oberon: Rafał Tomkiewicz Tytania: Ekaterina Solunya Puck: Fausto Israel Theseus: Daeho Kim Hippolyta: Mareike Jankowski Lysander: Ted Black Demetrius: Nikita Ivasechko Hermia: Sofia Vinnik Helena: Sieglinde Feldhofer Bottom: Ivan Oreščanin Quince: Will Frost Flute: Martin Fournier Snug: Wilfried Zelinka Snout: Euiyoung Peter Oh Starveling: Markus Butter Grazer Philharmoniker,Singschul' der Oper Graz
Kritik: A Midsummer Night’s Dream, Oper Graz

Ivan Oreščanin, Singschul’ der Oper Graz, Ekaterina Solunya. (Fotocredit: Werner Kmetitsch)