Frei und ungebunden

Im Porträt: Das andere Theater

Text: Lydia Bißmann - 12.04.2022

Rubrik: Kulturland Steiermark

Spielort für die freie Szene, das Kristallwerk Foto: Edi Haberl

Die Freie Szene ist ein wesentlicher Motor der Theaterlandschaft einer Stadt. Anders als etablierte Häuser können freie Theaterkollektive oder lose Gruppen schneller und direkter auf aktuelle Ereignisse reagieren.

Das Kristallwerk in der Viktor-Franz-Straße trägt nicht nur einen glitzernden Namen, auch die Geschichte der gar nicht mehr so neuen Heimat für Das andere Theater passt sehr gut zu den Brettern, die die Welt bedeuten. Ursprünglich wurden hier Geräte wie Radios, Verstärker und Stereo-Anlagen hergestellt. Seit über zwei Jahren ist die ehemalige Fabrik Hauptsitz der Interessengemeinschaft für freie Theater in der Steiermark. Der Standort mit dem klingenden Namen hat sich als Aufführungsort für die Freie Theaterszene in Graz etabliert. Mit Übernahme des Probenhauses in der Orpheumgasse 11 gibt es dort auch unser DaT-Büro, im Erdgeschoß. Hier werden die Druckfahnen für den gemeinsamen Spielplan der freien Grazer Tanz- und Theaterszene gesetzt, von hier aus wird der Newsletter verschickt und hier gibt es auch den praktischen ­10er-Block zu kaufen, der für 92 Euro zehn Besuche zu Aufführungen der Mitglieder bietet. Hierher kann aber auch jeder kommen, dem wichtige Fragen zu Förderungen, Budgetplanung, Equipment und so weiter auf der Seele brennen.

Innenansicht Kristallwerk (Foto: Edi Haberl)

Der Humus der Freiheit

Inhaltliche und performative Flexibilität ist sicher eines der wichtigsten Merkmale der Freien Theaterszene. Eine Szene, die in Graz blüht und gedeiht wie in fast keiner anderen österreichischen Stadt. Die Freie Szene ist flexibler, wandelbarer und ungleich weniger hierarchisch aufgebaut. Das lässt Raum für kreative Lösungen, Experimente und künstlerische Freiheiten. Um die 20 unabhängige Theater können mit dem offs­ZEHNer, dem 10er-Block der Freien Theater, besucht werden. Alles zusammengerechnet sind es um die 60 verschiedene Formationen und lose Gruppierungen. Viele darstellende Kollektive oder Einzelkünstler haben keinen eigenen Spielort und finden sich auch immer wieder in anderen Formationen.

Probenhaus Theater und Tanz (Fotocredit: DAT)

Gemeinsame Arbeit für das freie Theater

Wesentlich beteiligt am Projekt, das mit wöchentlichen Jour fixes und schließlich einem gemeinsam herausgegebenen Spielplan startete, waren unter anderem die Mitglieder des TiB – Theater im Bahnhof, des Theater Mezzanin, des TAO (Theater am Ortweinplatz) und das Duo Steinbauer & Dobrowsky. Als für alle verfügbarer Spielort diente anfangs das Teatro im Lend. Für Proben installierte der damalige Kulturstadtrat Helmut Strobl die Räume in der Orpheumgasse, die eigens dafür renoviert wurden. Im Kulturjahr 2003 bezog das p.p.c. als Club die Räumlichkeiten des vormaligen Teatro, wodurch ein wichtiger Aufführungsort verloren ging. Kindertheater konnten ins neue Kindermuseum FRida & freD ausweichen und tun das bis heute. Eine großzügige Zuwendung der damaligen Landeshauptfrau Waltraud Klasnic konnte aber gleich zwei Probleme lösen. Ein damit angeschaffter Technikpool existiert noch immer, ist gewachsen und ermöglicht den Mitgliedern der Freien Szene kostengünstigen Zugang zu Scheinwerfern, Podesten und anderem Equipment, das zu normalen Verleihpreisen unerschwinglich wäre. Mit dem Geld wurden auch fixe Spieltage im damals neu eröffneten Kristallwerk angemietet. Nach zweimaligem Betreiberwechsel hat der Verein in Gösting nun seine fixe Homebase gefunden und betreibt die Spielstätte seit 2017 selbst. Die Location ist öffentlich gut angebunden und hat genügend Parkplätze. Die Mieten für Mitglieder sind fair gestaltet. Je weniger finanziellen Spielraum eine Produktion oder eine Inszenierung zur Verfügung hat, je kleiner die Förderungen sind, desto günstiger werden die Konditionen.

(Probenraum, Probenhaus Theater/Fotocredit DAT)